Taxi- und Mietwagensterben durch „Kleine Fachkunde“?

Die zwei Taxiverbände BVTM und TMV bewerten das Ergebnis des Treffens im Verkehrsministerium höchst unterschiedlich - eine Initiative prognostiziert sogar ein Taxi- und Mietwagensterben, sollte die Taxifahrer-Prüfung kommen. Chaos rund um die „Kleine Fachkunde“.

Die "Kleine Fachkunde" soll bald kommen - einen genauen Zeitpunkt gibt es noch nicht. Laut Kritiker droht als Konsequenz ein "Taxisterben".| Foto: pixabay_65223
Die "Kleine Fachkunde" soll bald kommen - einen genauen Zeitpunkt gibt es noch nicht. Laut Kritiker droht als Konsequenz ein "Taxisterben".| Foto: pixabay_65223
Thomas Kanzler

Nach dem Termin im Verkehrsministerium ist die Verwirrung groß. Der Taxiverband Deutschland (TVD), die “Platform Shared Mobility” (PSM), die Initiative “wirfahren” sowie der Bundesverband der Chauffeur- & Mietwagenunternehmen in Deutschland e. V. (BCDM) warnen vor einem Taxi- und Mietwagensterben, sollte die „Kleine Fachkunde“ kommen.

Der Bundesverband Taxi- und Mietwagen (BVTM) äußert sich zufrieden mit den Ergebnissen der Besprechung im Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) – und der Taxi- und Mietwagenverband TMV zeigt sich zutiefst verärgert über die langen Verzögerungen und fehlenden Perspektiven.

Gegen die Taxifahrer-Prüfung

Der TVD, die “Platform Shared Mobility”, “wirfahren” und der BCDM lehnen die Einführung der „Kleinen Fachkunde“ rundweg ab. Es bestehe nach Ansicht der Verbände keine Notwendigkeit für deren Einführung. Bereits vor drei Jahren sei die Ortskundeprüfung abgeschafft worden und es sei zu keiner erkennbaren Verschlechterung von Service und Sicherheit im Taxi- und Mietwagenmarkt gekommen. Somit sei eine solch drastische neue Berufszugangshürde ist in Zeiten von massivem Personalmangel mehr als unverhältnismäßig.

Zudem würde die Präsenzprüfung in deutscher Sprache viele Taxi- und Mietwagenfahrer ausgrenzen, die „den Job als Einstieg in den Arbeitsmarkt und die gesellschaftliche Teilhabe in Deutschland nutzen und mit ihrer Tätigkeit gleichzeitig ihren Teil zur deutschen Wirtschaftsleistung beitragen“, so die Verbände. Die Prüfung würde außerdem den Personalmangel im ländlichen Raum massiv verschärfen.

TMV ist aufgebracht

Der Präsident des TMV Thomas Kroker bezieht zum Verhalten des Bundesverkehrsministeriums in Sachen „Kleine Fachkunde“ und der Stellungnahme von TVD, PSM, „wir fahren“ und BCDM-Position.

„2021 hat der Gesetzgeber der Verwaltung aufgetragen, die entfallende Ortskundeprüfung durch eine Kleine Fachkundeprüfung zu ersetzen. Wir haben als TMV schon im Frühjahr 2021 unsere detaillierten Vorschläge für eine niedrigschwellige, unbürokratische und praxisbetonte Prüfung eingebracht, damit es zu keinen Verzögerungen kommt und ein unmittelbarer Übergang am 1. August 2021 möglich wird“, erklärte Kroker.

Nun seien drei Jahre ins Land gegangen – und es sei faktisch nichts passiert! Wenn das Bundesministerium für Digitales und Verkehr schon den Respekt vor der Branche und den Kunden vermissen lasse, wäre wenigstens zu erwarten gewesen, dass es dem Gesetzgeber den Respekt erweise, den es ihm schuldet, indem es den gesetzlichen Auftrag unverzüglich umsetze.

„Unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern – und davon kann beim besten Willen nicht mehr die Rede sein, wenn nach drei Jahren der Fragenkatalog vor Fehlern gestrotzt hat, obwohl Heerscharen von Volljuristen und Expertengruppen ihn seit letztem Sommer geprüft haben“, so Kroker weiter. „Jetzt konnte eine erneute Fachrunde im Ministerium nur dadurch erreicht werden, dass wir als TMV sowohl den Minister als auch den zuständigen Staatssekretär die Dringlichkeit ans Herz gelegt haben, nachdem die letzte Runde im Mai letzten Jahres auch auf unseren Antrag stattgefunden hat.“

Online-Prüfungen plötzlich nicht mehr möglich

Damals hatte es geheißen, dass innerhalb kürzester Zeit ein System für eine betrugssichere digitale Prüfung noch vor der Sommerpause letzten Jahres vorliegen werde. 13 Monate später (er-)fände das Ministerium plötzlich Datenschutzbedenken bei Onlineprüfungen, obwohl die Kammern monatlich 5.500 Onlineprüfungen durchführen und auch im Hochschulbereich Onlineprüfungen zur akademischen Normalität gehören würden.

„Es nimmt nicht wunder, dass die Widerstände gegen eine Kleine Fachkunde stetig wachsen, denn das Ministerium hat offensichtlich kein Interesse und die Verkehrsministerkonferenz hat es nicht einmal mehr auf die Tagesordnung gesetzt – außerdem: Es musste jetzt seit drei Jahren ohne gehen“ echauffiert sich Kroker. „Im ländlichen Raum sind die Unternehmer selbst tätig geworden, um die Qualität ihres Fahrpersonals zu sichern und die Zentralen in den Metropolen und Großstädten hatten auch schon immer ihre eigenen Qualitätssicherungssysteme.“

Zeitverzug stellt die Notwendigkeit der Prüfung immer mehr in Frage

Der TMV habe den Prozess stets konstruktiv begleitet, betont der TMV-Präsident. Das Ministerium müsse jetzt innerhalb der nächsten Monate liefern und der Verkehrsministerkonferenz im Oktober ein klares Konzept für eine endlich zügige Umsetzung vorlegen.

„Oder es muß in Sack und Asche vor den Gesetzgeber treten und einräumen, dass es das einfach nicht kann und durch Zeitverzug auch keine Notwendigkeit für eine Kleine Fachkunde mehr besteht. Das, was das Ministerium bisher vorgelegt hat, ist gegenüber der Branche, den Kunden und dem Parlament respektlos, dilettantisch und ohne erkennbare Kompetenz“, resümiert Kroker.

Bundesverband Taxi- und Mietwagen zeigt sich „konstruktiv und kooperativ“

Der Gesetzgeber habe 2021 zu Recht entschieden, dass Qualität und Sicherheit im mobilen Gewerbe Priorität haben und hatten die „Kleine Fachkunde“ ins Gesetz geschrieben, erklärt der Geschäftsführer des Bundesverbandes Taxi- und Mietwagen, Michael Oppermann.

„Der Bundesverband unterstützt deshalb die Einführung einer niederschwelligen Prüfung und arbeitet, konstruktiv und kooperativ mit Bund und Ländern zusammen, um diese bestmöglich umzusetzen“, betont Oppermann. „Das mag in Widerspruch stehen zu den unmittelbaren Profitinteressen von Uber und seinen Freunden, doch diese Debatte wurde geführt und vom Gesetzgeber entschieden.“

Kommt die „Kleine Fachkunde“?

Die rigorose Ablehnung der Prüfung durch die Initiative “wirfahren” und der “Platform Shared Mobility” ist nicht verwunderlich, schließlich sind beide eng mit Uber verknüpft. Auch beim BCDM sitzt Uber mit am Tisch - nur der TVD, der Taxiverband Deutschland, scheint da am „falschen Tisch“ zu sitzen. Die Behauptung der vier Initiatoren des Aufrufs gegen die „Kleine Fachkunde“, der Service habe sich den letzten drei Jahren ohne eine Taxifahrer-Prüfung nicht verschlechtert, kann zumindest jeder, der regelmäßig Taxi fährt, problemlos entkräften.

Vom Termin im Verkehrsministerium berichten Teilnehmende, dass das Thema „Kleine Fachkunde“ bei den Zuständigen leider nicht unbedingt höchste Priorität zu genießen scheine. So seien immer noch viele Fragen unbeantwortet geblieben und auch der weitere Zeitplan nicht fixiert. Es ist bisher noch nicht einmal klar, ob es die Taxifahrer-Prüfung auf die Agenda der Verkehrsministerkonferenz im Oktober schaffen wird.

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