Karenztage – Kein Lohn mehr in den ersten drei Krankheitstagen? GVN-Rechtsabteilung informiert und bewertet die Diskussion

Der Allianz-Chef Oliver Bäte spricht sich angesichts „Rekordkrankenständen“ in Deutschland dafür aus, den Karenztag bei Krankmeldungen wiedereinzuführen. Damit würden Arbeitnehmer die Kosten für den ersten Krankheitstag selbst tragen, sagte er dem Handelsblatt. Der Ökonom Raffelhüschen fordert in der „Bild“ gar drei Tage keinen Lohn bei Krankheit.

Nach Meldungen über "Rekordkrankenstände" der deutschen Versicherten fordern Ökonomen die Einführung eines Karenztages.| Foto: Allianz Deutschland AG
Nach Meldungen über "Rekordkrankenstände" der deutschen Versicherten fordern Ökonomen die Einführung eines Karenztages.| Foto: Allianz Deutschland AG

Der Leiter der GVN Rechtsabteilung Benjamin Sokolovic nimmt nun in einem Beitrag dazu Stellung (hier ist der Beitrag von Benjamin Sokolovic auf Youtube zu sehen). Allianz-Chef Bäte äußerte sich in einem Artikel des Handelsblattes dahingehend, dass die Arbeitnehmer in Deutschland im Schnitt 20 Tage pro Jahr krank seien, während der EU-Schnitt bei acht Krankheitstagen liege. Arbeitgeber in Deutschland zahlen so pro Jahr 77 Milliarden Euro Gehälter für kranke Beschäftigte. Von den Krankenkassen kommen weitere 19 Milliarden Euro hinzu.

Angesichts dieser Zahlen sprechen sich immer mehr Ökonomen für die Wiedereinführung von Karenztagen aus. Nicolas Ziebarth vom Mannheimer Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) sagte gegenüber der „Welt am Sonntag“, mit einer abgesenkten Lohnfortzahlung werde es weniger Menschen geben, die sich krankmeldeten, obwohl sie nicht krank seien – „also blaumachen“. Der Karenztag war in den 70er Jahren abgeschafft worden. Es gibt ihn derzeit noch in Schweden, Spanien oder Griechenland.

Der DGB nennt die Vorschläge „zutiefst ungerecht“, die IG Metall „unverschämt und fatal, den Beschäftigten Krankmacherei zu unterstellen“. Wer Karenztage aus der Mottenkiste holt, greift die soziale Sicherheit an und fördert „Präsentismus“, also krank zur Arbeit zu erscheinen.

Hartes Durchgreifen bei vorgetäuschter Krankheit

Die hohen Krankenstände in Verbindung mit zahlreichen Entscheidungen der Arbeitsgerichte, in denen der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erschüttert wurde, hinterlassen einen faden Beigeschmack in der Wirtschaft. Erfreulich ist, dass immer mehr Arbeitsgerichte mit der notwendigen Härte durchgreifen, wenn die Krankheit nur vorgetäuscht wird. Diese toxische Gemengelage führt zu nachvollziehbaren Forderungen nach Karenztagen und Verschärfung der bestehenden Rechtslage. Böse Zungen behaupten, die Forderung des Allianz-Chefs sei ein „Marketing-Gag“, um den Lohnausfall über eine Zusatzversicherung abzudecken.

DAK-Studie macht bessere Erfassung für den Anstieg des Krankenstandes (mit-)verantwortlich

Nach einer Studie der DAK liegen die Gründe für den Rekordkrankenstand weniger im „Blaumachen“, als vielmehr in der Einführung der elektronischen Krankschreibung (eAU), denn heute würden von den Krankenkassen alle Krankheiten erfasst, während in Zeiten des „gelben Scheins“ die Versicherten den Zettel häufig nicht an die Krankenkasse geschickt haben, sondern nur an den Arbeitgeber.

Der GNV weist zuletzt darauf hin, dass sich derzeit in keinem Wahlprogramm der verschiedenen Parteien, die zur Bundestagswahl antreten, die Forderung nach Karenztagen wiederfindet.

Der Hauptgeschäftsführer und Leiter der GVN Rechtsabteilung Benjamin Sokolovic nimmt Stellung zu Arbeitgeberfragen. Erreichbar ist die Rechtsabteilung unter: sokolovic@gvn.de.

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