Grünen-Fraktion macht Wissing mit "Starter-Paket" zur Verkehrswende Dampf
Vier rasche Maßnahmen für den Start einer echten Verkehrswende hat die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen jetzt vorgelegt und vom Vorstand beschließen lassen. Im Verkehrssektor müsse der Klimaschutz mehr Fahrt aufnehmen, moniert der Ampel-Koalitionär. Bisher passiere da zu wenig, so die Kritik. Weitere Maßnahmen wie ein generelles Tempolimit oder eine große Reform der KfZ-Steuer sollen dann noch folgen. Das Papier zielt unter anderem darauf, die Alternativen zum mobilisierten Individualverkehr (MIV) attraktiver zu machen. Ein Hebel dafür soll das schon länger geplante 49-Euro-Ticket für den ÖPNV sein. Hier müsse das zuständige Bundesressort seiner strukturierenden Rolle gerecht werden und alle Hebel in Bewegung setzen, damit das 49-Euro-Ticket auch tatsächlich im Frühjahr dieses Jahres kommt, lautet die kaum kaschierte Kritik am Bundesverkehrsminister.
Als Ampelkoalition haben man beim Klimaschutz einen neuen Kurs eingeschlagen und in kurzer Zeit viele Hebel gleichzeitig in Richtung Klimaneutralität bewegt. So sei das Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien wird verdreifacht, der Kohleausstieg im Westen werde um acht Jahre vorgezogen und europaweit wurde beschlossen, dass ab 2035 alle neu zugelassenen PKWs emissionsfrei sein müssen, warben die Fraktionäre. Das sei nach zwei Jahrzehnten Stillstand auch bitter nötig gewesen.
"All das ist aber noch nicht ausreichend, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Insbesondere im Verkehrssektor muss der Klimaschutz Fahrt aufnehmen, bisher passiert da viel zu wenig. Hier sind vier Maßnahmen, die den Beginn einer umfassenden Verkehrswende darstellen können. Weitere Maßnahmen wie ein generelles Tempolimit oder eine große Reform der KfZ-Steuer sollten folgen", heißt es von der Partei weiter.
Das zuständige Bundesressort müsse seiner strukturierenden Rolle gerecht werden und alle Hebel in Bewegung setzen, damit das 49-Euro-Ticket auch tatsächlich im Frühjahr dieses Jahres kommt. Einige Länder und Kommunen bieten darüber hinaus günstigere Sozialtickets an, so dass auch einkommensschwächere Haushalte von der ÖPNV-Offensive profitieren können. Man erwarte von den Ländern, dass sie ihre originären Aufgaben im ÖPNV finanziell eigenständiger stemmen und kleinteilige Verbund- Aufgabenträgerstrukturen abbauen. Der Bund müsse seinerseits die Stärkung des Schienenpersonennahverkehrs verlässlich ausfinanzieren, damit gerade auch Angebotserweiterungen in der Fläche möglich werden.
"Wir unterstützen Verkehrsverlagerung, wenn wir den ÖPNV gezielt mit dem Fuß- und Radverkehr kombinieren und als starken Umweltverbund aufstellen", unterstrichen die Parteipolitiker.
Es sei daher gut, dass die Koalition Investitionen in hochwertige Fahrradabstellanlagen an Bahnhöfen und Haltestellen erhöht. Der Fuß- und Radverkehr selbst müsse sicherer werden.
"Es ist daher an der Zeit, das Verkehrsrecht zu modernisieren und den Kommunen mehr Gestaltungsfreiheit zu geben, wie es Verbände und die Initiative Lebenswerte Städte seit Jahren fordern. Der Umweltverbund wird etwa dann attraktiver, wenn Kommunen selbst entscheiden können, Geschwindigkeiten anzupassen und Tempolimits auszusprechen", forderten die Grünen den Verkehrsminister auf.
Abbau umweltschädlicher Subventionen
Zudem verlangten sie mehr Tempo beim Ausbau der Ladesäulen-Infrastruktur für die Elektromobilität. Aktuell habe vor allem die milliardenschwere Dienstwagenbesteuerung erheblichen Einfluss auf den Neuwagenmarkt und bestimme "ganz entscheidend, welche Fahrzeuge auf unseren Straßen fahren".
"Die Allgemeinheit fördert mit Steuergeldern auch übermäßig verbrauchsstarke Autos für Top-Verdiener*innen, denen Luxus-Dienstwagen als attraktives Gehalts-Extra zur Verfügung stehen. Mit einer sozial-ökologischen Reform der Dienstwagenbesteuerung wollen wir deshalb die steuerliche Behandlung von Dienstwagen nach dem CO2-Ausstoß staffeln und auch auf Unternehmensseite die steuerliche Absetzbarkeit von Dienstwagen und fossilen Kraftstoffen neu regeln", konkretisierten die Grünen.
Sie brachten auch das Konzept fester Mobilitätsbudgets ins Spiel, mit dem Arbeitgeber*innen ihren Mitarbeitenden einen festgelegten finanziellen Umfang an Zusatzleistung zur privaten und dienstlichen Fortbewegung zur Verfügung stellen. Damit könnten die „klassischen“ öffentlichen Verkehrsmittel Bus und Bahn genauso genutzt werden können wie Carsharing oder andere Mobilitätsdienstleistungen. Der Koalitionsausschuss habe sich vor fast einem Jahr darauf verständigt, die Pendlerpauschale sozial und ökologisch zu reformieren. Bislang fehlt es allerdings an konkreten Entwürfen der zuständigen Bundesressorts. Diese werden dringend aufgefordert dem Parlament entsprechende Initiativen vorzulegen, mahnten die Fraktionäre.
Dienstwagenprivileg umbauen
Außerdem soll die Dienstwagenbesteuerung so umgebaut werden, dass es sich künftig am CO2-Ausstoß orientiert – streng nach dem Motto je klimaschädlicher, desto teurer. Alternative Mobilitätsformen zum Auto sollen über feste Mobilitätsbudgets unterstützt werden. Eine sozial-ökologische Reform der Pendlerpauschale fordern die Grünen ebenfalls vom Bundesverkehrsminister. Weiter mahnen sie unter der Überschrift „Planung beschleunigen für Schienen und Brücken“ Änderungen im Bundesverkehrswegeplan an. Mit den Klimazielen der Bundesregierung müsse der kompatibel sein. In der Ampel sei vereinbart worden, den Bedarfsplan zu überprüfen und laufende Projekte gemeinsam abzustimmen. Man brauche die volle Konzentration auf die Sanierung von Brücken und vorhandenen Schnellwegen. Man wolle die Verkehrsinfrastrukturplanung systematisch an den Erfordernissen der Mobilitätswende ausrichten und die bis 2030 vorgesehenen Ausbauten von Autobahnen und Bundesfernstraßen deutlich reduzieren.
"Auch aus Klimaschutzgesichtspunkten werden wir uns nicht immer mehr neue Straßen leisten können", mahnten die Grünen grundsätzlich.
Bestand sanieren statt neu bauen
„Leider fehlt es hier an Vorschlägen zur konkreten Umsetzung des zuständigen Bundesressorts. Das muss sich dringend ändern und die Vorgaben aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt werden.“
Auch mit dieser Kritik zielen die Grünen ganz offensichtlich auf den Bundesverkehrsminister. Sie weisen außerdem auf die rund 40.000 Brücken hin, die Autobahnen und Bundesstraßen verbinden, aber größtenteils marode seien und teilweise oder sogar gänzlich gesperrt werden müssten. Eine Konzentration auf die Sanierung von Brücken und vorhandene Schnellwege halten die Grünen im Straßenbau für geboten. Der aktuelle Bundesverkehrswegeplan müsse so überarbeitet werden, dass er mit den Klimazielen der Bundesregierung kompatibel wird.
"Leider fehlt es hier an Vorschlägen zur konkreten Umsetzung des zuständigen Bundesressorts. Das muss sich dringend ändern und die Vorgaben aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt werden", kritisiert die Grünen-Fraktion.
„Wir fordern Verwaltungsabläufe, Digitalisierung und die personelle Ausstattung mit Blick auf Genehmigungs- und Planungsverfahren bei diesen wichtigen Vorhaben zu verbessern, die dem Ziel der Transformation zur Klimaneutralität dienen.“
Das gelte insbesondere auch für den Ausbau des Schienenverkehrs.
„Entscheidend ist, dass jetzt die Haushaltsmittel für Erhalt und Ausbau des Netzes weiter erhöht und langfristig abgesichert werden. Nur wenn die Bahn in Deutschland verlässlich und leistungsstark ist, wird sie ihr Potential zur Verkehrsverlagerung von Straße und Flugzeug auf die Schiene tatsächlich ausschöpfen.“
Elektrifizierungs-Offensive für den Güterverkehr
Ein eigenes Kapitel widmet das Strategie-Papier noch der Elektrifizierungs-Offensive für den Güterverkehr. Das sogenannte Hochspannungsnetz sei in Deutschland bereits vorhanden, verlaufe teilweise sogar an Autobahnen. Das wollen die Grünen jetzt schleunigst ausbauen und für Lkw funktionsfähig machen.
„Die Logistik steigt erst dann vom Diesel auf den E-Laster um, wenn klar ist, dass dieser unterwegs ohne Verzug aufgeladen werden kann“, ist die Partei überzeugt.
Mit einer wirkungsvollen CO2-Differenzierung bei der Lkw-Maut will sie den Umstieg auf die Schiene oder auf E-Lkw für die Logistik zusätzlich noch attraktiver machen. Die Umsetzung ist noch für 2023 geplant.
„Dadurch stellen wir auch mehr Mittel für die Schiene zur Verfügung.“
Schwieriger sei der Umstieg auf CO2-neutrale Müllabfuhr, Winterdienst oder Feuerwehr. Das sind Spezialanfertigungen, die nicht als Massenprodukt vom Band laufen. Für das Klima zähle jede Tonne eingespartes CO2, deshalb schlägt die Grünen-Fraktion einen zeitlich begrenzten Umweltbonus für Spezial-Lkw vor.
Später sollen dann noch weitere Maßnahmen wie ein generelles Tempolimit oder eine große Reform der KfZ-Steuer sollten folgen.
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