Taxis schlagen On-Demand-Konzepte auf der letzten Meile

Mobilitätsforscher Prof. Dr. Andreas Knie erläuterte beim Online-Format TMV direkt, welche Vorteile der Einsatz von Taxis im ÖPNV hätte und was man dafür mental und organisatorisch ändern müsste.

Prof. Dr. Andreas Knie (oben Mitte) tritt für die Einbindung des Taxis in den ÖPNV ein. Wie sie konkret abgewickelt werden könnte, erläuterte er nicht. (Screenshot: Dietmar Fund)
Prof. Dr. Andreas Knie (oben Mitte) tritt für die Einbindung des Taxis in den ÖPNV ein. Wie sie konkret abgewickelt werden könnte, erläuterte er nicht. (Screenshot: Dietmar Fund)
Dietmar Fund

Der klassische Öffentliche Personen-Nahverkehr (ÖPNV) mit Bussen und Bahnen war eine Idee, die nur bis in die 60er-Jahre gepasst hat. Seit der Massenmotorisierung passt sie nicht mehr zur postmodernen Gesellschaft, die durch eine Vereinzelung und das Aufbrechen fester Strukturen mit festen Bezugspunkten in Ehe, Beruf und Haus gekennzeichnet ist. Für sie muss man den ÖPNV flexibilisieren. Dabei sind wir mit On-Demand-Konzepten wie CleverShuttle, ioki und MOIA nicht wirklich weitergekommen. Sie sind sehr, sehr teuer und bringen letztendlich kein Volumen: Das erklärte der Soziologe und Mobilitätsforscher Prof. Dr. Andreas Knie, Leiter der Forschungsgruppe „Digitale Mobilität“ am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), beim Online-Forum „TMV Direkt“. Der Taxi- und Mietwagenverband Deutschland (TMV) verzeichnete bei der gut einstündigen Veranstaltung 20 Teilnehmende.

Knie, der selbst aus dem eher ländlich geprägten Siegerland stammt, hat solche On-Demand-Konzepte als Mitarbeiter der Bahn AG begleitet und arbeitet bei ihnen zum Teil auch heute noch mit. Er findet sie mittlerweile zu kompliziert und zu sehr von der „ÖPNV-Denke“ geprägt. Daher ist er auf die Idee gekommen, das Taxi für die „letzte Meile“ in den ÖPNV einzubinden, auch wenn die Taxi-Branche gerade in einer „formidablen Krise“ stecke und das Taxi als Verkehrsmittel Reicher und solcher Leute gelte, die sich den Anschein geben wollten, reich zu sein, erklärte er.

„Beim Taxi heißt es immer gleich, es sei zu teuer. Dabei kann man für 2,00 bis 2,20 Euro pro Kilometer Taxi fahren, während ein Diesel-Bus auf 3,50 bis 3,60 Euro kommt und ein elektrisch angetriebener auf 4,10 bis 4,20 Euro“, erklärte der Wissenschaftler. „Dem Argument, Busse beförderten auch mehr Leute, muss man entgegenhalten, dass das heute abgesehen vom Schülerverkehr nicht mehr zutrifft und sie oft leer durch die Gegend fahren. So halten wir eine sündhaft teure Infrastruktur vor.“ Dass Taxi-Kilometer viel billiger seien als Bus-Kilometer, sei in der politischen Landschaft noch nicht präsent. Er fordere, ein Prozent der Regionalisierungsmittel für die letzte Meile zu reservieren. Mit ihnen müsse man die Auftraggeber in die Lage bringen, die letzte Meile zu finanzieren. Sie seien auch die Ansprechpartner für die Taxi-Branche, weil sie oft sauer auf die Verkehrsunternehmen seien, die ihrer Meinung nach teuer seien und nicht viel bringen.

Knie stellte klar, dass es bei seinem Konzept nur an die Anbindung von der Haustüre an den nächsten Knotenpunkt und von dort zurück nach Hause gehe, wobei der Knotenpunkt ein viel frequentierter sein müsse und keine Haltestelle, an der nur alle sechs Stunden ein Bus komme. Er würde es mit einem Pooling-Gebot verknüpfen, das aber nicht verpflichtend sein solle. Außerdem würde er das Budget anfangs erst einmal deckeln, um eine Übernutzung zu vermeiden.

„Das Taxi ist das Maß der Dinge für eine moderne Gesellschaft“, erklärte der Mobilitätsforscher. „Wir müssen den Produktstolz nach vorne schieben und dafür werben, dass das Taxi kein Luxusangebot ist. Sie müssen Ihre Branche aber digitalisieren. Es kann nicht mehr sein, dass ein Taxi noch nicht digital abrechnet. Das müssen Sie schaffen.“ Er wünsche sich als Vielnutzer auch einen Vielfahrer-Rabatt. „Es handelt sich hier um ein weites Feld, das kompliziert ist. Es ist Zeit, alte Zöpfe abzuschneiden. Der Topf ist groß und nicht wirklich gut verteilt“, schloß Knie nach einer regen Diskussion mit den Teilnehmenden, die hauptsächlich der Führungsriege des TMV entstammten.

TMV-Bundesgeschäftsführer Patrick Meinhardt hatte Knie zu seinem Format eingeladen, weil der Verband eine Debatte mit dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr und den Verkehrsministerien der Länder führe. Sie gehe Ende September 2022 in die nächste Runde, wenn unter anderem in Bund-Länder-Fachausschüssen über eine neue ÖPNV-Strategie, die Nachfolgeregelung für das 9-Euro-Ticket und die ÖPNV-Fördermittel diskutiert werde, hatte Meinhardt als Moderator eingangs erklärt. Der TMV bereite im Übrigen mit seinem Partner Telekom ein digitales Forum zur Mobilitätsgerechtigkeit vor.

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