Taxitarif muss Gewinne zulassen

Berechtigte Gewinninteressen der Unternehmen müssen in die Aufstellung des Taxitarifs einfließen, hat das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt in einer interessanten Entscheidung festgestellt. Sie könnte die Einklagung von Schadenersatzansprüchen ermöglichen.

Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt betont, dass ein amtlich festgelegter Taxitarif nachvollziehbar auch einen Unternehmergewinn enthalten muss. (Symbolfoto: Dietmar Fund)
Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt betont, dass ein amtlich festgelegter Taxitarif nachvollziehbar auch einen Unternehmergewinn enthalten muss. (Symbolfoto: Dietmar Fund)
Thomas Grätz

Eine in vielerlei Hinsicht sehr interessante Entscheidung mit dem Aktenzeichen 3 K 196/19 hat das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt in Magdeburg am 16. Juni 2022 zu einer mittlerweile bereits außer Kraft getretenen (!) Taxitarifordnung des Landkreises Anhalt-Bitterfeld aus dem Jahre 2017 getroffen.

1. Die als sogenannte Normenkontrolle geführte Klage eines größeren Taxiunternehmens im dortigen Landkreis ist zulässig, obwohl die Taxentarifordnung 2017 durch die Verordnung 2019 ersetzt wurde und damit außer Kraft getreten ist. Normalerweise sind außer Kraft getretene untergesetzliche Normen wie die Tarifordnung nicht mehr gerichtlich überprüfbar. Anderes gilt jedoch dann, wenn der Antragsteller der Rechtmäßigkeitsprüfung ein berechtigtes Interesse hat, dass die Unwirksamkeit der angegriffenen Norm auch gerade für die Vergangenheit festgestellt wird. Dieses besondere Interesse ist hier deshalb zu bejahen, weil die Feststellung einer Rechtswidrigkeit Bedeutung für die Frage von Entschädigungs- oder Schadensersatzansprüchen haben kann.

2. Da der Taxiunternehmer einen Einnahmeverlust von 1,40 Euro pro Durchschnittsfahrt von 6 Kilometern bei einem Vergleich der deutlich besseren Taxitarifordnung 2019 im Verhältnis zu der 2017-er aufzeigte, hat nach Ansicht des Gerichts ein später zu führender so genannter Amtshaftungsprozess durchaus Erfolgsaussichten. Denn die Aufstellung eines Taxitarifs dürfte nicht nur die Allgemeinheit, also die Taxikunden, schützen, sondern hat auch die Belange der Taxiunternehmen im Blick zu haben. Ob dies letztendlich der Fall ist oder ob sich die Amtspflichten der Tarifbehörde darin erschöpfen, dem Interesse der Allgemeinheit an einem geordneten Gemeinwesen zu dienen, bedurfte im Normenkontrollverfahren keiner abschließenden Beantwortung und ist dem angestrebten Entschädigungsprozess vorbehalten worden.

3. Nach § 51 Abs. 3 PBefG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 Satz 1 PBefG müssen die Taxitarife unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens, einer ausreichenden Verzinsung und Tilgung des Anlagekapitals und der notwendigen technischen Entwicklung angemessen sein. Deshalb sind die Entgelte nicht nur so festzusetzen, dass sie zumindest kostendeckend sind. Die gewünschte Erhaltung der Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit der Beförderer gebietet darüber hinaus die Veranschlagung von angemessenen Gewinnspannen und Aufwendungen für notwendige technische Entwicklungen.

4. Zweifel sieht das Gericht erstmal schon darin, ob die Tarifanhörung überhaupt rechtmäßig war. Zwar wurden neben Ämtern und IHK auch die Unternehmer zur Tarifänderung angehört, der (Landes-) Fachverband aber nicht mit der Begründung, dass nur ein Unternehmer im Landkreis dort organisiert war. Sinn und Zweck der Anhörungsvorschrift sei es, eine umfängliche Sachverhaltsermittlung sicherzustellen. Allein ein geringer Organisationsgrad eines solchen Fachverbandes im Tarifgebiet dürfte nicht gegen die Notwendigkeit der Beteiligung im Anhörungsverfahren sprechen, schreibt das Gericht. Vielmehr könnte dem Taxiverband ungeachtet des konkreten Organisationsgrads in besonderen Maße Sachverstand hinsichtlich der zu beurteilenden Materie (andere Tarife in Sachsen-Anhalt, Verschiedenheit der Tarifmodelle, bundesweite Vernetzung, Bewertung von Problemlagen et cetera) zuzuerkennen sein. Zu einer Entscheidung zu dieser Frage hat sich das Gericht letztlich aber nicht durchgerungen, da jedenfalls die im Tarifgebungsverfahren zu treffende behördliche Prognose über die weitere Entwicklung der wirtschaftlichen Lage der Taxiunternehmen schon erkennbar fehlerhaft war.

5. Für das Oberverwaltungsgericht steht fest, dass die Behörde bei ihren Überlegungen zur Tariffindung nur unvollständig die sich aus § 39 Abs. 2 PBefG ergebenden Bewertungsmaßstäbe berücksichtigt hat. Das gewählte Berechnungsmodell einer Vollkostenrechnung mag zwar noch grundsätzlich in Ordnung gehen, aber weder sind eine Gewinnspanne noch die Aufwendungen für notwendige technische Entwicklungen erkennbar in die Prognoseentscheidung eingeflossen. Über die bloße Kostendeckung hinaus seien keine Erwägungen zu einer angemessenen Gewinnspanne eines durchschnittlichen Taxiunternehmers im Tarifgebiet beziehungsweise zu Aufwendungen für notwendige technische Entwicklungen getroffen worden. Jedoch sind gerade die berechtigten Gewinninteressen der Taxenunternehmer und das auf Gewährleistung sicherer und ausreichender Personenbeförderungsmöglichkeiten gerichtete Interesse der Allgemeinheit so weit wie möglich in Ausgleich zu bringen.

Das Ergebnis: Die bloße allgemeine Behauptung der Behörde, eine Gewinnspanne berücksichtigt zu haben, ohne dies im Ansatz zu substantiieren beziehungsweise nachvollziehbar offenzulegen (zum Beispiel durch schriftliche Dokumentation der Erwägungen dazu), lässt das Gericht nicht gelten. Es kommt vielmehr zu dem Ergebnis, dass die Normenkontrolle des Taxenunternehmers Erfolg hat und damit die Taxentarifordnung 2017 des Landkreises Anhalt-Bitterfeld unwirksam war.

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