Corona-Pandemie rechtfertigt Betriebspflichtverletzung

In einem Verfahren zur Wiedererteilung einer Genehmigung hat das Verwaltungsgericht München Feststellungen getroffen, die auch für andere Fälle interessant sein könnten.

Das Gericht urteilte unter anderem, dass die Genehmigungsbehörde die Unternehmer darauf hätte hinweisen müssen, dass sie sich von der Betriebspflicht befreien lassen können. (Symbolfoto: Dietmar Fund)
Das Gericht urteilte unter anderem, dass die Genehmigungsbehörde die Unternehmer darauf hätte hinweisen müssen, dass sie sich von der Betriebspflicht befreien lassen können. (Symbolfoto: Dietmar Fund)
Thomas Grätz

Wegen Verstoßes gegen die Tarif- und die Betriebspflicht wollte eine Genehmigungsbehörde einem Einwagen-Taxiunternehmer die beantragte Wiedererteilung der Genehmigung nicht erteilen. Um diese Wiedererteilung seiner Taxigenehmigung wurde auf Antrag des Unternehmers, der sich in seiner Lebensgrundlage bedroht sah, daraufhin ein einstweiliges Rechtschutzverfahren geführt. Das angerufene Verwaltungsgericht München gab seinem Antrag auch statt und sah sich zu einigen interessanten Ausführungen veranlasst:

  1. Zwar darf nach dem PBefG eine Genehmigung nach dem Gesetzeswortlaut nicht vorläufig erteilt werden, jedoch sei nach der obergerichtlichen Rechtsprechung die Verbotsnorm § 15 Abs. 4 PBefG verfassungskonform dahin auszulegen, dass im Wege der einstweiligen Anordnung der Antragsgegner verpflichtet werden kann, eine zeitlich begrenzte Genehmigung zu erteilen. Eine solche einstweilige Anordnung kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn der Antragsteller die Genehmigungsvoraussetzungen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erfüllen wird.
  2. Der von der Genehmigungsbehörde ins Feld geführte Verstoß gegen die gesetzliche Tarifpflicht durch Einsatz eines Taxameters mit veraltetem Tarif stellt nach dem Gericht objektiv betrachtet keinen schweren Verstoß gegen die Zuverlässigkeitsanforderungen dar. Der Unternehmer habe sich zunächst einmal selbst geschadet, indem er eine kurze Zeitspanne und lediglich fahrlässig mit einem alten günstigeren Tarif weitergefahren ist. Damit sei der altrömische Grundsatz „de minimis non curat praetor“ anzuwenden (auf deutsch: „um Kleinigkeiten kümmert sich der Richter nicht“).
  3. Auch der Betriebspflichtverstoß, dass der Antragsteller während der behördlich angeordneten Lockdownmaßnahmen sein Taxi nicht „abgemeldet“, sondern „jederzeit betriebsbereit“ gehalten habe für den Fall, dass behördliche Lockdownmaßnahmen aufgehoben würden oder sich wider Erwarten Fahrgäste melden sollten, sei nicht als gravierend zu bewerten. In der singulären Ausnahmesituation der Corona-Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 war das öffentliche Interesse am Betrieb von Taxen bekanntermaßen gering beziehungsweise war Taxiverkehr sogar wie bei den behördlich angeordneten Lockdowns unerwünscht. Zwar hätte der Unternehmer die Möglichkeit einer Befreiung von der Betriebspflicht ergreifen können, die der Antragsteller unstreitig nicht beantragt hat. Jedoch sei der Behörde entgegenzuhalten, dass es tendenziell eher Aufgabe der Genehmigungsbehörde gewesen sein dürfte, aus Anlass der Corona-Pandemie eigenständig und von sich aus über diese Möglichkeit zu informieren. Und zwar flächendeckend alle Taxiunternehmer und nicht nur die, die über eine Anbindung an Taxizentralen verfügten. Vor diesem Hintergrund ist dem nicht an eine Taxizentrale angebundenen Antragsteller nach Ansicht der Richter nicht vorwerfbar, wenn er eine Befreiung von der Betriebspflicht nicht von sich aus beantragt hat, sondern die Entwicklung der Verhältnisse abgewartet hat, um sofort nach Beendigung der Restriktionen seinen Betrieb wiederaufzunehmen.

Im Ergebnis hat das Verwaltungsgericht die Genehmigungsbehörde verpflichtet, dem Unternehmer die Genehmigung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens, längstens für ein halbes Jahr, zu erteilen. Diesen Beschluss hat das Verwaltungsgericht München am 5. April 2023 in einem Fall getroffen, der das Aktenzeichen M 23 E 22.6129 trägt.

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