BVTM Parlamentarischer Abend: Mobilität in der Stadt – angebunden oder abgehängt?
Bereits bei der Begrüßung betonte Bundesverbandspräsident Herwig Kollar vor rund 100 Teilnehmern Mitte Mai auf dem Parlamentarischen Taxiabend in der Saarländischen Vertretung in Berlin, dass der Parlamentarische Taxiabend sich nicht nur einer regen Nachfrage erfreue, sondern auch einer gewissen Tradition, da er als jährliches Event in der Branche bereits gesetzt sei.
Wichtiger Ort für den Austausch
Bevor Kollar das Wort an den Staatssekretär im Bundesministerium für Digitales und Verkehr, Oliver Luksic, zur Eröffnung der Podiumsdiskussion weitergab, betont er, dass er sich auf den sehr wertvollen Austausch freue, auch wenn Dinge aufs Tableau kämen, die nicht für alle angenehm seien. Er holte aus und beschrieb den Markteintritt Ubers in Berlin vor zehn Jahren mit Uber Pop:
„Für alle, die sich nicht mehr erinnern können, das war ein hochgradig rechtswidriges Modell, mit dem jeder der ein Auto hatte, ungeprüft, ohne Lizenz, ohne besondere Fahrerlaubnis ohne besonderen Versicherungsschutz entgeltliche Personenbeförderung durchführen konnte, vermittelt durch eine Plattform aus Kalifornien. Man rieb sich in der Taxibranche damals verwundert die Augen, nicht nur über diese Unverfrorenheit, sondern auch über die Untätigkeit der Verwaltungen und der Politik!“
Per Gericht gegen Uber Pop
Damals bedurfte es eines aufwendigen Gerichtsverfahrens, initiiert durch die Taxibranche selbst, um Uber Pop bundesweit zu verbieten. Die Reaktion des Uber-Pressesprechers damals nach der ersten Gerichtsentscheidung lautete:
„Das interessiert uns nicht, wir machen weiter!“
Kollar führte aus, dass man sich im Taxigewerbe daraufhin weiter verwundert die Augen gerieben, denn es sei gerichtlich festgestellt worden, dass Rechtsverstöße vorlagen, und im PBefG stehe, wer ohne Genehmigung Personen befördere, riskiere 20.000 Euro Geldbuße für jeden Einzelfall.
Doch passiert sei nichts. 2019 stellte ein Gericht fest: Juristisch gesehen ist Uber Beförderer (und nicht, wie häufig behauptet und sogar auf vielen Mietwagentüren aufgedruckt, lediglich Vermittler). Als Unternehmer brauche Uber eine Genehmigung. Wieder hat niemand reagiert – weder Politik noch Verwaltungen.
Modell Uber funktioniert nicht
„Und jetzt haben wir 2024 und vor wenigen Wochen gab es im Berliner Abgeordnetenhaus eine Anhörung im Verkehrsausschuss in der frank und frei erklärt wurde, das Modell von Uber funktioniert nicht, es sind illegale Unternehmen unterwegs und der Leiter der Zollfahndung in Berlin spricht von organisierter Clan-Kriminalität! Also jetzt ist die Zeit zum Handeln gekommen – sowohl für die Politik als auch für die Verwaltungen“, so Koller.
Er betont, dass die Taxibranche bislang sehr zivilisiert und relativ zurückhaltend auf dieses Modell reagiert habe, aber dies solle nicht über die dramatischen Auswirkungen für das Gewerbe hinwegtäuschen. Er stellte klar, dass dieses Verhalten des Gewerbes umschlagen sollte, wenn Verwaltung und Politik nun nicht in die Handlung gehen würden. Am Beispiel eines Zitats des Juniorchefs der Drogeriekette Rossmann untermalte er, dass es in Deutschland eine gewisse Narrenfreiheit für fragwürdige Plattformmodelle zu geben scheine, deren Abschaltung aufgrund von Regelverstößen analog zum Taxigewerbe auch Rossmann Junior fordert.
Bundesverband wichtiger Gesprächspartner auf allen Ebenen
Oliver Luksic, Staatssekretär im Bundesministerium für Digitales und Verkehr, sagte zum Thema Uber & Co. in seiner Eröffnungsrede, dass aus Kollars „aufrüttelnden Worten“ klargeworden sei, dass wir viel Diskussionsstoff hätten, gleichzeitig betonte er, dass der Bundesverband ein wichtiger und engagierter Gesprächspartner für das BMDV auf allen Ebenen sei.
„Wir sind zwar nicht immer auf einem Nenner, aber uns eint das Interesse nach effizienter, bezahlbarer und flächendeckender Mobilität“, so Luksic. Anschließend folgte die Einordnung, der Taxi- und Mietwagenbranche, als ein fester Bestandteil des ÖPNV.
Luksic befand es für wichtig, mit dem Gewerbe in den Dialog zu gehen und zu bleiben, auch, wenn nicht alles Bundesaufgabe sei. Er brachte den Wunsch zum Ausdruck, dass die Rolle des Gewerbes im Mobilitätsmix, die es innehat, weitergespielt werden kann und dass bei innovativen Lösungen auch die Taxibranche in den Blick zu nehmen ist. Hier erwähnt er das Bundesverbands-Projekt „ReDesign Taxi“, bei dem es darum geht, die Taxibranche zukunftsfit zu machen.
Luksic nannte die Zahlen der Branche, die zwar bislang nur bis 2020 vorliegen, argumentierte aber sie seien trotz wirtschaftlichen Drucks durch Uber & Co. relativ stabil. Dabei betonte er die wichtige Rolle der Branche insgesamt, als Teil des ÖPNV. Zur PBefG-Novelle sagte er , die Kollegen aus dem Bundestag hätten vermutlich wenig Appetit, diese noch mal aufzurollen.
Gleichzeitig machte er klar, dass die kommunalen Genehmigungsbehörden nun am Zug seien und die dort verankerten Steuerungsinstrumente hinsichtlich der Tarife und der Preise entsprechend umgesetzt werden müssten. Auch - wenn er als FDP-Politiker auf Innovationen und Wettbewerb setze –sei es absolut notwendig, dass der Wettbewerb fair ist!
In diesem Zusammenhang ging Luksic auf das kommunale Engagement des Bundesverbands ein und schlussfolgerte:
„Dieser Umsetzungsprozess der PBefG-Novelle soll ja auch evaluiert werden und das wird einer der Aspekte sein, in dem wir auf Bundesebene wieder ins Spiel kommen.“
Mehr Engagement aus Politik und Verwaltung
Michael Oppermann, Geschäftsführer des Bundesverbands eröffnet als Moderator die Podiumsdiskussion und ließ, mit einem Augenzwinkern einfließen, dass sich der Bundesverband und seine Mitglieder manchmal von Verwaltung und Politik mehr Impulsivität wünschen würden. Als Beispiel für die Zuständigkeitsproblematik zwischen Kommunen, Ländern und Bund nannte Oppermann die Notwendigkeit vor zwei Jahren, als die Taxitarife aufgrund von Inflation angepasst werden mussten:
„Da hat nämlich der Staatssekretär die Länder angeschrieben und gesagt, Leute, passt mal die Taxitarife an und er hat nicht gesagt, ich bin nicht zuständig – deshalb wissen wir es auch zu schätzen, dass wir bei Ihnen auf offene Ohren treffen und uns in einem sehr guten Austausch miteinander befinden.“
Wettbewerb in Städten durch Uber und Co.
Nach der Eröffnung der Diskussionsrunde und der Behandlung des Themas „Mobilität auf dem Land“, nahm Oppermann Michael Donth von der CDU, charmant in die Mangel und fragte ihn, wie er die Lage in den Städten bezüglich des unfairen Wettbewerbs durch Uber, Bolt und Co. einschätzen würde.
Donth, der 2013 erstmals in den Bundestag gewählt und dort seither ununterbrochen als Abgeordneter tätig ist, ist unter anderem Mitglied im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur und auch Obmann im Ausschuss für Tourismus ist, äußerte dazu,
„ehrlicherweise ist es etwas ruhiger geworden wäre hier in Berlin durch die neue Regierung, auch durch die Beteiligung der SPD, zumindest nehme ich die Mietwagen nun wegen des blauen Bepperles hinten drauf deutlicher wahr und offensichtlich hat es sich jetzt offiziell etwas gewandelt.“
Aktuelle Situation nicht umkehrbar
Weiterhin relativiert Donth, dass er nicht wisse, ob das bereits die Zielgrade sei, aber zumindest scheine eine andere Zeit angebrochen zu sein. Er glaube, dass hier in Berlin entsprechende Lehren gezogen werden würden.
Kollar knüpfte an und stellte klar, dass es mit Blick auf Berlin, aber auch andere Großstädte bereits „fünf nach zwölf ist“, wenn die PBefG-Instrumente – Fest- und Mindestpreise - „endlich kommen“, da es die Situation des Taxisterbens allenfalls aufhalten, aber nicht rückgängig machen könne.
Umsetzung aus der Politik gefragt
Oppermann befragte auch Jan Plobner von der SPD und ging auf die von der Taxibranche wahrgenommenen Aussagen bezüglich der Situation in den Städten ein:
„Wir erleben immer wieder das Feedback aus der Politik: „Wir sind ja gar nicht dagegen, aber wir tun auch nichts dafür.“
Das sei für die Unternehmer extrem frustrierend, weil sie sehen würden, dass sich nichts bewege, keiner sei so richtig dagegen, aber keiner gehe hin und mache etwas. Er argumentierte weiter, dass man in Berlin 2.000 illegale Mietwagen aufgedeckt hab und dass man anhand dieses Szenarios doch nicht ernsthaft glauben könne, dass Uber und Co. in anderen Großstädten wie Köln oder Frankfurt, Düsseldorf oder München alle weiße Westen hätten. Mit Blick auf die Legislaturperiode lautet dementsprechend die konkrete Frage an Jan Plobner:
„Wie kriegen wir das denn mal zügig über die Bühne?“
Systeme der Politik nicht auf Schnelligkeit ausgelegt
Plobner, der seit 2021 Mitglied des Bundestages ist und dort unter anderem Mitglied des Verkehrsausschusses sowie seit kurzem auch Berichterstatter für Mobilität im ländlichen Raum ist, gab daraufhin zu bedenken, dass das Verkehrsministerium aktuell nicht unter SPD-Ägide laufe. Er räumte jedoch ein, dass Politik ihre Systeme habe, eben nicht schnell funktioniere und ihre Zeit brauche. Er habe das Mobilitätsdatengesetzt auf dem Schreibtisch und zeigte sich für Gespräche und die Bedürfnisse was man verändern müsse offen.
Fehlende Einbindung von Experten vor Finalisierung der Novelle
Auf die Frage Oppermanns an Kollar ob man das Angebot Plobners annehmen wolle und welche Punkte ihm wichtig seien entgegnete Kollar:
„Es geht um ein Gesetz, das der Bundestag schon beschlossen hat – wir reden hier nicht über die Einführung eines neuen Instruments, einer neuen Abgrenzung, sondern wir reden im Prinzip darüber, dass das Parlament, das sich gegen das Ministerium durchgesetzt hat, Herr Donth, an der Stelle ein bisschen schludrig gearbeitet hat.“
Kollar fehlte hier vor Finalisierung der Novelle die Einbindung der Experten in Form eines Fachverbands wie dem Bundesverband. Nun ginge es ihm nicht darum etwas Neues einzuführen, was sich in der verbleibenden Legislaturperiode verständlicherweise als schwierig gestalten würde, sondern es ginge ausschließlich um die Klarstellung einer getroffenen Entscheidung.
„Meine Befürchtung ist, wenn die Politik sich dazu nicht durchringt, wird das von der Branche und den Unternehmern, die um ihre Existenz kämpfen und fürchten, zu einer Enttäuschung und einer Frustration führen, die weit über das Ergebnis „die Politik macht beim PBefG nix“, hinausgehen wird.“
Er ordnet seine Befürchtungen in die Stichworte „Radikalisierung in der Bevölkerung“ ein. Er schloss daraus weiter, dass es wichtig sei für die Bevölkerung, dass die Politik in der Lage ist an kleinen Stellschrauben schnell etwas zu reparieren, vor allem, wenn es Gesetze dazu gäbe. Dabei ordnet er die Forderungen des Taxigewerbes zum Ende der Diskussion noch mal klar ein:
„Das sind Forderungen, die sind nicht unverschämt oder traumwandlerisch, sondern das sind Forderungen, die Bürger von ihren Politikern zu Recht erwarten können.“
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