Einbahnstraßen: Enge Grenzen fürs Rückwärtsfahren

Nur beim Einparken rückwärts oder beim Zurückstoßen aus einer Grundstückseinfahrt darf man kurz entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung fahren, hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Wer in einer Einbahnstraße kurz zurücksetzen möchte, um einem Ausparkenden Platz zu machen, hat im Falle einer Kollision mit dem Hintermann ganz schlechte Karten. (Foto: Dietmar Fund)
Wer in einer Einbahnstraße kurz zurücksetzen möchte, um einem Ausparkenden Platz zu machen, hat im Falle einer Kollision mit dem Hintermann ganz schlechte Karten. (Foto: Dietmar Fund)
Thomas Grätz

Eine tagtäglich auch von Fahrerinnen und Fahrern von Taxis und Mietwagen im Straßenverkehr geübte Praxis ist angesichts einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 10. Oktober 2023 dringend zu überprüfen. Der BGH hat in seinem Urteil mit dem Aktenzeichen VI ZR 287/22 die auch von Instanzgerichten bisher sehr unterschiedlich beantwortete Frage, ob ein Fahrzeugführer in einer Einbahnstraße auch rückwärts fahren darf, nun eindeutig entschieden: Das Vorschriftszeichen 220 in Verbindung mit Paragraf 41 Abs. 1 StVO ist nach dem höchsten deutschen Zivilgericht ohne Wenn und Aber so auszulegen, dass die Einbahnstraße nur in der vorgeschriebenen Fahrtrichtung befahren werden darf. Grundsätzlich ist das Rückwärtsfahren entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung nicht erlaubt.

Folgendes war passiert: Eine Autofahrerin fuhr in einer Einbahnstraße einige Meter rückwärts, um Platz für ein ausparkendes Fahrzeug vor ihr zu machen. Anschließend wollte sie in die freiwerdende Parklücke einparken. Beim Rückwärtsfahren kam es jedoch zum Zusammenstoß mit dem Fahrzeug eines Mannes, der gerade selbst aus einer Grundstückseinfahrt rückwärts auf die Einbahnstraße fahren wollte.

Das Landgericht Düsseldorf sah keinen Verstoß unserer Lenkerin gegen die Straßenverkehrsordnung, das Rückwärtsfahren sei vielmehr eine so genannte Behelfsmaßnahme und daher auf Einbahnstraßen auf kurzer Strecke zulässig. Ganz anders der BGH als übergeordnete Instanz: Es komme grundsätzlich nicht auf die Stellung des Fahrzeugs im Verhältnis zur vorgeschriebenen Fahrtrichtung an, sondern darauf, in welche Richtung das Auto tatsächlich fährt. Man darf also in einer Einbahnstraße nicht rückwärtsfahren, um überhaupt erst zu einer freien oder gerade freiwerdenden Parklücke zu gelangen. Das Rückwärtsfahren ist selbst dann nicht erlaubt, wenn es dazu dient, einem Fahrzeug die Ausfahrt aus einer Parklücke zu ermöglichen, um anschließend selbst in diese einparken zu können. Lediglich das unmittelbare Rückwärtseinparken („Rangieren“) ist ebenso wie Rückwärtseinfahren aus einem Grundstück auf die Straße kein unzulässiges Rückwärtsfahren auf Richtungsfahrbahnen gegen die Fahrtrichtung.

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Vieltausendfach täglich ausgeübte Verhaltensweisen erscheinen damit für wohl die allermeisten Autofahrerinnen und -fahrer unerwartet in einem neuen Licht. Jedenfalls dann, wenn es zu einem Unfall kommt, wird es teuer, denn die Verschuldensfrage wird nun von den Gerichten einheitlich und zum Nachteil des rückwärts gefahrenen Autolenkers bewertet!

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