Bei Taxi-Tarifanträgen, die im Zuge der Mindestlohn-Erhöhung auf 12 Euro gestellt worden sind, haben viele Antragsteller versucht, einen erhöhten Rollstuhl-Zuschlag zu erreichen oder einen solchen überhaupt erst aufnehmen zu lassen. Wie einige Beispiele in Niedersachsen 2022 zeigten, handelt sich das Taxigewerbe dabei schnell den Vorwurf ein, Behinderte zu diskriminieren. So war es auch in Würzburg. Dort kennt die Taxitarifordnung bisher nur einen Großraum-Zuschlag von 7 Euro, der auch bei Rollstuhltaxis genommen werden darf. „Daher hat die Taxi Würzburg eG im April 2022 einen Tarifantrag gestellt, der einen Rollitaxi-Zuschlag von 20 Euro vorgesehen hat. Man hat uns aber schnell klargemacht, dass dann der ganze Taxitarif abgelehnt werde, weil der Zuschlag als Diskriminierung Behinderter angesehen werde. Aus diesem Grund hat die Taxigenossenschaft diese Komponenten notgedrungen aus ihrem Antrag herausgenommen“, berichtete Holger Klier, der seit 2003 einer der beiden Vorstände der Genossenschaft ist, am 22. April 2022 in Bamberg bei einer Veranstaltung zum Thema Inklusionstaxis. Der Landesverband Bayerischer Taxi- und Mietwagenunternehmen e.V. hatte sie zusammen mit der Taxi-Zentrale Nürnberg eG und der Taxi München eG organisiert. Für sie hatten sich rund 75 Interessenten angemeldet und 68 waren gekommen.
Klier erklärte, dass es im September 2022 eine Gesprächsrunde mit der Sozialreferentin der Stadt, dem Fachbereichsleiter Allgemeine Bürodienste, dem Inklusionsbeauftragten, dem Behindertenbeirat und einer Bezirksvertreterin gegeben habe. Diese Runde habe sich zunächst gegen einen Zuschlag und stattdessen für eine Förderung von 8.000 bis 10.000 Euro für die Fahrzeug-Umrüstung ausgesprochen. Die Taxigenossenschaft habe dann erklärt, wie sie auf die 20 Euro Zuschlag gekommen sei. „Wir haben mit der Größe des Fahrzeugs und dem hohen Aufwand für das Handling der Rampe und der Sicherung des Fahrgasts argumentiert“, sagte Holger Klier. „Beim Einladen würde der zwar bezahlt, weil dabei der Taxameter schon läuft, aber nicht beim Ausladen, wo die Rückrüstung der Rampe rund zwölf Minuten dauert. Dafür hätten wir analog zur fahrgastbedingten Wartezeit 7,20 Euro nehmen müssen.“ Die Genossenschaft veranschlage außerdem zwei Euro pro Fahrt für die Wartung und die TÜV-Prüfungen, die mit der Rollstuhl-Umrüstung verbunden seien. Zu guter Letzt seien noch 5 Euro für die längere Sperrzeit gegenüber einem normalen Taxi in der Vermittlung einkalkuliert worden.
„So haben es die Vertreter der Stadt verstanden“, erklärte der Zentralenvorstand. „Wir haben ihnen auch erläutert, dass die Fahrdienste von Hilfsorganisationen wie dem Arbeiter-Samariter-Bund oder dem Bayerischen Roten Kreuz an Wochenenden nicht zur Verfügung stehen. Außerdem müssten gehandicapte Fahrgäste bei ihnen unter der Woche mit langen Vorausbestellungen rechnen und hätten keinerlei Flexibilität.“
Würzburg hat 20 Euro Grundtarif zugesichert
Leider habe die Stadt inzwischen nur ein einziges Rollstuhltaxi mit 10.000 Euro gefördert, während fünf Unternehmer gerne eines gewollt hätten, bilanzierte der Würzburger. Mündlich sei ihnen zugesichert worden, dass der Grundtarif von 20 Euro komme, aber bisher sei er noch nicht umgesetzt worden.
Dass barrierefreie Transporte einen Anreiz brauchen, war auch die Kernaussage von Jan-Otto Jacobs, Verkehrsleiter der Grupe Fahrservice GmbH aus Bad Grund. „Wegen der alternden Bevölkerung werden immer mehr Menschen pflegebedürftig und sind eine potenzielle Kundschaft für Rollstuhltaxis“, erklärte Jacobs. „Noch aber sind die Zuschläge für sie in vielen Taxitarifordnungen viel zu niedrig, um den mit Rollstuhltaxis verbundenen Aufwand für die Beschaffung, den Einsatz und nicht zuletzt das Fahrpersonal abzudecken.“
Rollstuhltaxis für Selbstzahler seien bei einem Zuschlag von 10 Euro laut ihrer Taxitarifordnung für seine Firma kaum interessant und der Selbstzahler-Anteil sei marginal. Bei ihren 16 rollstuhlgerecht umgerüsteten VW Caddy Maxi-Taxis komme es mehr auf die Krankenfahrten-Tarife an, für die das Unternehmen im Rahmen von individuellen Sondervereinbarungen mit den Kassen eine Grundpauschale von 27 Euro inklusive der ersten acht gefahrenen Kilometer vereinbart hat.
Jacobs nannte als einen wesentlichen Aspekt neben der Fahrzeuganschaffung, die man bei Inklusionstaxis einkalkulieren müsse, den erhöhten Aufwand für die Suche nach geeignetem Personal und dessen Vorbereitung auf seine verantwortungsvolle Tätigkeit. Er habe hier positive Erfahrungen mit Mitarbeitern mit Migrationserfahrung gemacht, weil es bei der Beförderung von Rollstuhlfahrenden nicht so sehr auf die Konversation ankomme.
Rollstuhlfahrzeuge verursachten einen erhöhten Aufwand in der Disposition, weil sie oft längere Fahrtstrecken zurücklegten und auch für Rückfahrten freigehalten werden müssten. Man müsse bei ihnen deshalb den Bedarf über den ganzen Tag verteilt im Blick behalten und könne sie nicht so flexibel für andere Fahrten einsetzen wie normale Taxis. Laut dem Referenten setzt sein Unternehmen den zeitlichen Mehraufwand pro Rollstuhlbeförderung mit durchschnittlich 20 Minuten oder rund 6,45 Euro inklusive der Nebenkosten für den Arbeitgeber an. Momentan bezahle sein Unternehmen einen Bruttolohn von 13 Euro pro Stunde, der eigentlich schon beinahe sittenwidrig sei, sagte Jacobs. Die Kassen gingen sogar nur vom Mindestlohn von 12 Euro aus, obwohl ihres Erachtens eher 14 bis 16 Euro Stundenlohn angemessen seien. Der Praktiker rechnete den Teilnehmenden vor, dass bei einer Nutzung eines Rollstuhl-Caddys mit 8.000 bis 10.000 Euro teurem Umbau über vier bis fünf Jahre bei niedrigeren Wiederverkaufswerten als bei einem fast gleich teuren VW Touran für die Refinanzierung durchschnittlich 1,4 Rollstuhlfahrten pro Tag nötig seien oder 415 Rollstuhlbeförderungen pro Jahr. „Bei diesem Durchschnitt ist noch kein Mehrgewinn gegenüber einer üblichen Taxifahrt drin und damit auch kein Anreiz für ein Unternehmen“, stellte Jacobs klar. Bei monatlich 8.000 Fahraufträgen entfielen rund zehn Prozent auf Rollstuhlfahrten, für die aber 50 Prozent des Fuhrparks bereitgehalten werden müssten. „Wir müssen deshalb einen Anreiz für barrierefreie Transporte schaffen. Unser Wunsch ist eine bundesweite Förderung des Umbaus in Verbindung mit einer Anpassung der Vergütungsstrukturen der Kassen, um den personellen Mehraufwand abzudecken“, erklärte Jacobs.
Die Beispielrechnung bezog sich auf den Durchschnitt aller Rollstuhltaxis. Außer ihnen betreibt die Grupe Fahrservice GmbH auch freigestellte Verkehre, bei denen ganz anders kalkuliert wird. Das Unternehmen hat sieben Betriebssitze im Harz. Es setzt 32 Taxen ein, von denen die Hälfte auf Rollstuhlbeförderungen eingerichtet ist. Von 18 Fahrzeugen für den freigestellten Verkehr sind acht auf die Beförderung von Rollstuhlfahrenden eingestellt.
Aspekte zur Vermarktung von barrierefreien Taxis und Mietwagen steuerten zwei Unternehmer bei. Irbrahim Coban aus Köln berichtete, dass ihn der Sozialverband Deutschland (SoVD) bei der Beschaffung seines Inklusionstaxis VW Caddy Maxi mit Heckausschnitt von AMF-Bruns sowie bei der Öffentlichkeitsarbeit unterstützt habe. Sehr empfehlen könne er auch die Schulungen der BG Verkehr zur Sicherung von Rollstühlen und Rollstuhlfahrern. Das Berliner Netzwerk wheelmap biete mobilitätseingeschränkten Menschen eine App, die über barrierefreie Angebote auch in puncto Mobilität informiere. Dort sollten sich seines Erachtens alle Anbieter rollstuhlgerechter Fahrzeuge registrieren, sagte der Unternehmer, dessen Homepage cobancologne.de unter dem Stichwort „Inklusionstaxi Köln“ leicht zu finden ist.
Rollstuhltaxis fahren auch als Möbeltaxis
Jörg Hildebrandt, einer der beiden Geschäftsführer der 2016 gestarteten SBS Fahrdienst München GmbH, betonte bei der Veranstaltung, sein Unternehmen habe sich nicht von größeren Kunden abhängig machen wollen. Daher habe man „Senioren, Behinderte und Schüler“ mit Mobilitätseinschränkungen, die im Firmennamen SBS steckten, gefragt, welche Autos sie eigentlich bräuchten. In der Corona-Zeit habe SBS seine drei Taxis, acht Mietwagen und fünf Fahrzeuge für freigestellte Verkehre mit festen Trennwänden ausgestattet und so gut zu tun gehabt. Die Transporter biete man heute auch als „Möbeltaxi“ als Alternative zur Anmietung eines Transporters an. „Wir haben 2022 begonnen, auch touristische Aspekte zu betonen, mit denen wir jetzt auch Seniorenresidenzen ansprechen“, erklärte Hildebrandt. „Vom gemeinsamen Einkehren über gemeinsame Schifffahrten und Familienausflüge ins Gebirge bis hin zur Fahrt zum Paragliding für Rollstuhlfahrer ist vieles denkbar.“ Rollstuhl-Rikschas biete SBS ebenfalls an. Der ausgebildete Taxi Guide hat bei der Stadt München schon angeregt, eine ähnliche Ausbildung auch als Schulung für Inklusionszwecke anzubieten.
Solche Gedankenanstöße mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Regionen auszutauschen, mit denen man nicht im direkten Wettbewerb steht, ist der Sinn und Zweck auch der vierten Taxi-Erfa-Gruppe, die Christian Linz in Bamberg gegründet hat. Er hat bereits drei Erfa-Gruppen für Mehrwagenunternehmer, Taxizentralen und Unternehmer aus ländlichen Gebieten initiiert. Mit seinem Motto „Keiner ist alleine so schlau wie alle zusammen“ animierte er nun die Rollstuhl-Spezialisten zum Erfahrungsaustausch. Da er selbst weder als Mehrwagenunternehmer noch als Zentralenvorstand Erfahrung mit der Rollstuhlbeförderung hat, wollte er es bei der „Anschubfinanzierung“ bewenden lassen und rief bei diesem ersten Treffen nur dazu auf, Themen für die neue Erfa-Gruppe zu sammeln.
Das taten die Interessenten denn auch fleißig live über eine Online-Plattform. Es kam eine ansehnliche Themensammlung zusammen, die unter anderem Themen wie Schulungen, Abrechnungen, neue Geschäftsfelder, Gewinnung von Kunden, Erfahrungen mit verschiedenen Fahrzeugen, Beförderungsentgelte oder Unfallersatzfahrzeuge im Rollstuhlbereich umfassten. df
So geht es bei der Erfa-Gruppe Inklusion weiter
Kathrin und Christian Seidel vom gleichnamigen Fahrdienst in Straubing, der Taxi- und Mietwagenunternehmer Uli Lo Re aus Kleinwallstadt und der Schongauer Taxiunternehmer Uwe Wieland erklärten sich dazu bereit, im Schulungszentrum der Taxi-Zentrale Nürnberg eG ein erstes Treffen der neuen Erfa-Gruppe Inklusion zu organisieren. Der Taxiunternehmer Jörg Marggraf aus Melsungen war ebenfalls zur Unterstützung bereit. Wie der dortige Gastgeber Christian Linz zum Abschluss bekanntgab, wird das Treffen am Samstag, dem 25. November 2023 stattfinden.
Tatkräftige Unterstützung durch die Aussteller
Organisator Christian Linz legte Wert darauf, dass außer einer Handvoll Ausstellern, die als Sponsoren teilnahmen, auch einige Praktiker an ihren Fahrzeugen Rede und Antwort standen. Als Umrüster mit dabei waren das tschechische Unternehmen API, das Umrüster wie Activa Automobil-Service mit Bausätzen für Heckeinstiege beliefert, Auto Königseder aus Tiefenbach bei Passau als sein Kunde, der auch Bausätze von AMF-Bruns und MobiTEC verwendet, Bayer Sonderfahrzeugbau aus Göttingen, MobiTEC aus Berkheim sowie der niederländische Spezialist TriBus, bekannt für seine Sitze und Systemböden.
Karin Olm aus Bad Rodach war mit einem elektrisch angetriebenen Mercedes-Benz EQV mit Heckeinstieg in Bamberg. Der Münchner Taxiunternehmer Ünal Kücüksahin vom Taxi-Center Ostbahnhof und sein Taxifahrer Ralf Büscher hatten ein elektrisch angetriebenes LEVC TX-Taxi mit Benziner als Reichweitenverlängerer dabei, mit dem auch Randolf Stephany als Taxiunternehmer und Umrüster in einer Person mit von der Partie war. Christian Seidel aus Straubing zeigte einen Mercedes-Benz Sprinter mit Systemboden und Hecklift, Jörg Hildebrandt von der SBS Fahrdienst GmbH aus München führte einen MAN TGE mit einer vergleichbaren Ausstattung vor. Zur Abrundung hatte der Nürnberger Unternehmer Matthias Glowatsch den mutmaßlich ersten als Taxi ausgelieferten Toyota Corolla Cross dabei.
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