VDA: EU-Klimavorgaben früher überprüfen - Ladeinfrastruktur eigentlich vorhanden

(dpa/jr) Die Industrie fordert, EU-Klimaschutzmaßnahmen früher zu prüfen. Wegen der Vorgaben aus Brüssel drohen hohe Strafen. VW-Aufsichtrat Pötsch fordert bereits eine Verschiebung, angeblich wegen mangelndem Ladeangebot. Doch de facto liegt es weniger daran, eher am hohen Fahrstrompreis.

Daran liegt's nicht: Die Ladeinfrastruktur ist dank strammem Zubau vor allem im HPC-Bereich viel besser als ihr Ruf. Die Forderung von VW-Aufsichtsrat Pötsch daher eher fadenscheinig. | Foto: EnBW
Daran liegt's nicht: Die Ladeinfrastruktur ist dank strammem Zubau vor allem im HPC-Bereich viel besser als ihr Ruf. Die Forderung von VW-Aufsichtsrat Pötsch daher eher fadenscheinig. | Foto: EnBW
Thomas Kanzler
(erschienen bei VISION mobility von Johannes Reichel)

Die Europäische Kommission muss nach Ansicht der deutschen Autoindustrie schneller überprüfen, ob EU-Klimavorgaben für neu zugelassene Autos machbar sind. Eine für 2026 geplante Überprüfung müsse auf kommendes Jahr vorgezogen werden, fordert der Lobbyverband VDA. Klimaschutz im Verkehr könne nur gelingen, wenn etwa auch die nötige Ladeinfrastruktur vorhanden sei, hieß es vom VDA. 

Hintergrund ist, dass Hersteller die Vorgaben voraussichtlich vielfach nicht einhalten können. Deshalb stehen hohe Strafen für die ohnehin schon angeschlagene europäische Autoindustrie im Raum. Konkret geht es um die sogenannten Flottengrenzwerte. Diese legen einen Grenzwert für den CO2-Ausstoß von Autos fest, der im Durchschnitt aller in der EU in einem Jahr zugelassenen Fahrzeuge nicht überschritten werden darf.

EU-Ziele werden voraussichtlich nicht erreicht

Derzeit liegt dieser Wert bei 95 Gramm CO2 pro Kilometer, pro Fahrzeug. Er soll 2025 auf 93,6 Gramm und 2030 auf 49,5 Gramm sinken. Für zu viel ausgestoßenes CO2 müssen Hersteller Strafe zahlen. Dass diese EU-Klimaziele voraussichtlich nicht erreicht werden können, liegt unter anderem daran, dass die Nachfrage nach Elektromobilität in Europa derzeit hinter den Erwartungen zurückbleibt.

 

Die Probleme der Automobil-Branche zeigen sich derzeit etwa bei VW - dem größten Autobauer Europas. Volkswagen hatte Anfang September angekündigt, wegen der angespannten Lage seine Sparpläne zu verschärfen, und schließt Kündigungen und Werksschließungen nicht länger aus. Die seit 1994 geltende Beschäftigungssicherung wurde aufgekündigt. VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch hatte jüngst gefordert, die CO2-Flottenziele zu lockern.

«Die Politik hat der Industrie Vorgaben gemacht, ohne dass die notwendige Infrastruktur vorhanden gewesen wäre und ohne darüber nachzudenken, ob die Kundinnen und Kunden da mitmachen», kritisierte Pötsch. 

Man wisse wissen heute, dass die Nachfrage nach Elektroautos in Europa weit hinter den Erwartungen zurückbleibe, sagte Pötsch, der auch Vorstandsvorsitzender der Porsche Automobil Holding ist, laut Redemanuskript auf den «Wiener Elektrotagen».

«Die Elektromobilität wird sich durchsetzen, aber es wird mehr Zeit brauchen. Deshalb müssen die CO2-Ziele für 2025, 2030 und 2035 adjustiert und an die Realität angepasst werden.»

Damit sich die E-Mobilität durchsetzen könne, brauche es mehr öffentliche Unterstützung. Stattdessen würden die Menschen durch Debatten über Elektro und Verbrenner verunsichert. «Wir brauchen in Europa aber Klarheit und Verlässlichkeit.» Wegen des schleppenden Hochlaufs der E-Mobilität forderten bereits mehrere Hersteller, die Ziele aufzuweichen oder zumindest zeitlich zu strecken. BMW-Chef Oliver Zipse hatte bereits im Frühjahr eine Änderung verlangt, auch VW-Vorstandschef Oliver Blume fordert «angemessene CO2-Ziele». Mit Blick auf das strengere CO2-Flottenziel 2025 räumte Blume Anfang August ein: «Da gibt es noch eine Lücke zu schließen.» Strafzahlungen, die beim Verfehlen des Ziels fällig werden, wolle er auf jeden Fall vermeiden. «Jeder Euro, der für Strafen bezahlt wird, ist ein schlecht investierter Euro.»

BDEW und DCS: Ladeinfrastruktur ist nicht das Problem

Zuletzt hatten allerdings der BDEW sowie der Ladenetzbetreiber DCS darauf hingewiesen, dass die Ladeinfrastruktur in Deutschland bereits gut ausgebaut ist, vor allem im HPC-Bereich. Eher leiden die Anbieter unter mangelnder Auslastung. Der Bedarf werde vom Bundesverkehrsministerium systematisch überschätzt, was zu einer Überversorgung und Fehlinvestitionen führen könne. Insofern ist die Forderung von VW aus der Situation heraus verständlich, aber nicht unbedingt in Einklang mit der Laderealität. Wichtiger wäre laut Fachleuten, den Fahrstrompreis deutlich zu verbilligen, damit sich E-Auto-Fahren besser lohnt und nicht auch noch bestraft wird. Aktuell kommt zudem ein wieder sehr niedriger Benzinpreis hinzu, wie jüngst der ADAC feststellte.

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