Es ist höchste Zeit für Tarif-Anträge
Taxiunternehmer und -unternehmerinnen, die wegen der Einführung des Mindestlohns von 12 Euro zum 1. Oktober 2022 einen Antrag zur Erhöhung ihres Taxi-Tarifes stellen wollen, sollten sich noch im März zusammentun und über einen Obmann oder eine Obfrau einen gut begründeten Antrag stellen. Wenn ein solcher Antrag bereits gestellt wurde, kann man im Hinblick auf die 12 Euro Mindestlohn einen einfachen Erweiterungsantrag stellen. In jedem Fall zählen bei solchen Anträgen immer nur Zahlen, Daten und Fakten. Das waren die zentralen Ratschläge des gut zweistündigen Web-Seminars „Tarif-Beantragung richtig gemacht“, das der Unternehmer Christian Linz am 17. Februar 2022 für ein Dutzend Mitglieder der von ihm angestoßenen Pastoralen Taxi-Erfa-Gruppe gehalten hat. Linz baute dabei auf seine Erfahrungen mit jährlichen Erhöhungen der Nürnberger Taxi-Tarife auf, die er nun im zweiten Jahr auch als Vorstand der Taxi Nürnberg eG und als stellvertretender Vorsitzender des Landesverbandes Bayerischer Taxi- und Mietwagenunternehmer begleitet.
„Prinzipiell darf jeder Marktteilnehmer einen Tarif-Antrag stellen“, erklärte Linz. „Meines Erachtens muss aber der überwiegende Teil der Unternehmerschaft dahinterstehen. Daher empfiehlt es sich, einen Obmann oder eine Obfrau dafür zu bevollmächtigen.“ Er oder sie sollten dann einen gut mit Fakten untermauerten Antrag bei ihrer zuständigen Genehmigungsbehörde stellen und schleunigst Kontakt zu den Lokalpolitikern aller Parteien aufnehmen, die später in der Tarifkommission über eine Tariferhöhung entscheiden müssten. Im persönlichen Gespräch ließe sich viel besser begründen, weshalb eine Erhöhung des Taxi-Tarifs nötig sei. „Da wirst Du als engagierter Unternehmer wahrgenommen“, sagte Linz einem Teilnehmer, der erkennen ließ, dass er davor etwas „Bammel hat“. Nach dem Tarif-Antrag leite das Ordnungsamt oder die Straßenverkehrsbehörde ein Anhörungsverfahren ein, bei dem die Industrie- und Handelskammer, Berufsverbände und Gewerkschaften eine Stellungnahme abgeben müssten. Die leite die Behörde an die Taxi-Kommission weiter, an der in der Regel auch die Stadtratsfraktionen beteiligt würden.
„In der Taxi-Kommission kommen die Karten auf den Tisch. Wenn man da überzeugt, ist die Sache geritzt“, berichtete der erfahrene Nürnberger.„Die erste Frage wird dort immer sein, wie sich der neue vom alten Tarif unterscheidet, und zwar am besten in Prozenten ausgedrückt“, erklärte der Referent. „Dazu kann man mehrere typische Fahrten mit unterschiedlichen Entfernungen und Wartezeiten miteinander vergleichen, was wir in Nürnberg zum Beispiel per IHK-Standardfahrt machen. Sie umfasst fünf Kilometer und vier Minuten Wartezeit.“ Alternativ dazu könnten die Unternehmen vorrechnen, was beispielsweise drei Kilometer ohne Wartezeit, fünf Kilometer mit fünf Minuten Wartezeit oder zehn Kilometer mit fünf Minuten Wartezeit vorher und nachher kosteten. Das handhabe zum Beispiel Bayreuth so.
Politik will lieber spätere Kilometer verteuern
„Die Politik sieht es lieber, wenn nicht die Grundgebühr und die ersten Kilometer stark erhöht werden sollen, sondern die späteren Kilometer, weil die Meinung vorherrscht, das sei sozialer und belaste eher Geschäftsleute, die das leichter verkraften könnten“, berichtete Linz.
Anschließend gelte es, die Kostenstruktur der Unternehmer klar und nachvollziehbar darzulegen. Im Hinblick auf die stark gestiegenen Dieselpreise riet er dazu, zu einer Tageszeit, an der erfahrungsgemäß die höchsten Preise verlangt würden, an einer Tankstelle Fotos mit einem Zeitstempel zu machen und diese vorzulegen. Die teuren Kfz-Versicherungen könne man leicht mit Beitragsrechnungen belegen. „Keinesfalls dürfen Sie die ungünstigere Kostenstruktur größerer Betriebe mit höheren Personalkosten vergessen“ schärfte der Mehrwagenunternehmer seinem Publikum ein. „Und vergessen Sie nicht, außer der Kostendeckung den Unternehmerlohn mit einzukalkulieren. Der ist zwar schwierig zu definieren und unterliegt großen Schwankungen zwischen Stadt und Land, aber mein Ansatz wäre hier, das Dreifache des Mindestlohns anzusetzen.“
Oft käme auch die Frage, ob man nicht mit niedrigeren Tarifen mehr Fahrten vermitteln könne. Dem könne man mit einer Auflistung der Vermittlungszahlen der letzten Jahre entgegentreten, was auf dem Land, wo es oft keine Taxizentrale gibt, schwierig werden könne. Ein Vergleich mit den meist jährlichen Erhöhungen der öffentlichen Verkehrsbetriebe sei hilfreich. Ein Vergleich mit benachbarten Städten oder Landkreisen oder mit vergleichbaren Städten beziehungsweise Landkreisen in anderen Regionen des eigenen Bundeslandes rundeten das Zahlenwerk ab, mit dem man die Tarifkommission überzeugen müsse, schloss Linz. Viele der benötigten Strukturdaten finde man auf der Plattform Wikipedia und bei den statistischen Landesämtern. Grundsätzlich findet Linz es ratsam, „Tarifeinheiten“ mit aneinander angeglichenen Taxi-Tarifen wie in der Metropolregion Nürnberg mit Erlangen und Fürth zu schaffen. Die Fahrgäste verstünden es nicht, wenn die Preise für die Hin- und die Rückfahrt stark voneinander abwichen.
Die Nachfragedelle ist ein Ammenmärchen
„Es gibt keine Nachfragedelle nach einer Tarif-Erhöhung“, stellte der Referent klar. „Das ist eine bundesweite Erfahrung und meine eigene mit jährlichen Tarif-Erhöhungen, die in Nürnberg in den letzten neun Jahren beantragt worden sind.“ Die Frankenmetropole habe immer vor der Weihnachtszeit am 1.12. erhöht und nie seien deshalb die Vermittlungszahlen in den Folgewochen gesunken.
Linz plädierte klar dafür, Tarif-Erhöhungen jährlich zu beantragen. Dann spiele sich beidseitig eine „Genehmigungsroutine“ ein, bei der neben einer Entgeltanpassung auch immer gleich Aktualisierungen beantragt werden könnten. Außerdem werde eine Erhöhung im einstelligen Prozentbereich bei den Kunden weniger wahrgenommen als eine Erhöhung von beispielsweise mehr als 20 Prozent, weil der Taxi-Tarif längere Zeit unverändert geblieben sei. Der Coburger Unternehmer Sven Herbst hatte zuvor berichtet, dass bei ihm die 12 Euro Mindestlohn über eine Erhöhung um 25 Prozent kompensiert werden müssten.
„Eigentlich müssten jetzt schon Rücklagen für den Einstieg in die Elektromobilität gebildet und eingepreist werden“, merkte der Referent zum Schluss an. „Auf die Corona-Einbußen einzugehen, sehe ich allerdings als eher kritisch an, weil dann Hinweise auf die Überbrückungshilfen des Staates kommen.“ Auf jeden Fall reiche es nicht, lapidar zu schreiben „unsere Kosten sind stark gestiegen und deshalb brauchen wir höhere Tarife“. Da Bundesbürger mehrheitlich die Regierungsparteien gewählt hätten, die den Mindestlohn von 12 Euro als Wahlversprechen umsetzen wollten, sei jetzt eine gute Zeit, um höhere Taxi-Tarife einzufordern. df
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