Fahrbericht Ford Explorer: Neustart in Köln
Der Ford Explorer wird ab sofort etwas ganz anderes sein, als man es in Europa bisher kannte. Denn Ford erfindet sich zumindest auf dem europäischen Markt neu, schickt traditionelle Modelle wie Fiesta, Focus, Mondeo oder Galaxy in den Ruhestand und setzt nahezu sein gesamtes Portfolio neu auf.
Die als Hybride verfügbaren Crossover Puma und Kuga sowie der mit US-Fokus entwickelte Mustang Mach E bekommen mit dem Explorer ein Mittelklassemodell, der ebenso wie die ID-Modelle von VW, der Skoda Enyaq oder ein Audi Q4 Etron auf der MEB-Plattform des Volkswagen Konzerns unterwegs ist. Deren jüngstes Update ist der Hauptgrund, weshalb man nach dem Umbau in Köln-Niehl nochmal eine ganze Zeit hinwartete. Aber jetzt rollt der 4,47 Meter lange Explorer zu Preisen ab 49.500 Euro in diesem Sommer endlich zu den Kunden.
Die goldene Mitte ist auch hier der große Akku mit Heckantrieb
Entsprechend des modularen Elektrobaukastens liegen die Akkukapazitäten mit 77 sowie 79 kWh nahezu auf Augenhöhe und auch bei der Leistung gibt es Daten, die man aus dem Volkswagen Konzern bestens kennt. Während die Version mit Hinterradantrieb 210 kW / 286 PS und 585 Nm leistet, bietet der Allradler durch den zweiten kleineren Elektromotor an der Vorderachse 250 kW / 340 PS. Neben dem Leistungsunterschied kann die etwas größere Batterieversion mit bis zu 185 kW geladen werden, während der Energiespeicher des Basisversion maximal mit eher durchschnittlichen 135 kW „betankt“ werden kann. Ende des Jahres folgt ein Einsteiger, der mit 125 kW / 170 PS und einem 52-kWh-Akku zu Preisen ab 42.500 Euro gerade für preissensible Kunden ohne großen Reichweitenansprüche interessant sein dürfte.
Der neue, kleine Explorer mit dem 210-kW-Hinterradantrieb beschleunigt aus dem Stand in 6,4 Sekunden auf Tempo 100 und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h. Der Normverbrauch von rund 14 kWh pro 100 Kilometer soll eine Reichweite von 600 Kilometern ermöglichen, bevor des wieder an den Ladestecker geht. In der Realität sind es rund 480 Kilometer und die Allradversion schafft allenfalls die 400er-Marke. Viel flotter ist diese Allradversion mit den zusätzlichen 109 kW Leistung an der Vorderachse nicht unterwegs, die aus dem Stand 5,3 Sekunden benötigt und auch nur 189 gegenüber 180 km/h schnell ist.
Bei EVs nicht selbstverständlich: Feines Bremsgefühl
Und wie fährt er sich nun? Klar ist: Der Explorer 4x4 bringt seine Leistung souveräner auf die Fahrbahn, ist jedoch im Alltag nicht viel dynamischer unterwegs. Zudem ist der 286-PS-Hecktriebler mit einem ein Meter geringeren Wendekreis deutlich wendiger und im Unterschied zu den anderen Elektromodellen des VW-Konzerns auf gleicher Plattform deutlich komfortabler abgestimmt. Vorteile gibt es auch beim Bremsgefühl, denn die Rückmeldung ist direkt und linearer als man es von einigen klassenhöheren Elektromodellen kennt. Leider gibt anders als in Modellen wie dem VW ID4 / 5 keine Schaltwippen am Lenkrad, um den Grad der regenerativen Verzögerung zu variieren. Das erledigen der Fahrmodus B oder das Sportprogramm, wobei der Ford Explorer auf den Ein-Pedal-Fahrbetrieb verzichtet.
Die exzellente und trockene Rückmeldung vieler Ford-Modelle konnten die Kölner beim Explorer leider nicht ganz in den Explorer übertragen: In jedem der Fahrmodi wirkt die Lenkung etwas zu leicht und dezent unpräzise – was für eingefleischte Ford-Fahrwerksjünger ebenso schade ist wie die fehlenden variablen Dämpfer, die vom Wechsel des Fahrprogramms nicht beeinflusst werden.
Die WLTP-Verbräuche schafft man im Alltag eher nicht, trotzdem sind im Sommer bei milden Graden leicht Bruttowerte von unter 20 kWh/100 km zu erreichen, womit der Explorer zu den Genügsamen gehört.
Im gelungen gestalteten Innenraum wurden einige Module vom Plattformgeber übernommen. Schalter, Bedienmodule und selbst die Warnsignale der Fahrassistenzsysteme kennt man teils aus dem VW-Konzern. Jedoch sorgt der zentrale 14,6-Zoll-Infotainment-Bildschirm für eine deutliche Differenzierung. Einzigartig ist auch das Fach zwischen den beiden Vordersitzen, das ein Volumen von 17 Liter bietet, um in sich Laptops, mehrere Flaschen oder auch mittelgroße Damenhandtaschen aufzunehmen. Auch einen absperrbaren „Tresor“ hat er an Bord. Die allzu kleine Displayeinheit hinter dem Steuer wird durch ein Head-Up-Displays mehr als sinnvoll ergänzt.
Trotzdem bleibt Ford pragmatisch: Die meisten Oberflächen sind nicht weich unterschäumt und die Innenseiten der Türtaschen sind nicht ausgekleidet, was dem Qualitätseindruck nicht zuträglich ist. Lediglich ein Mittelstreifen auf dem Armaturenbrett und den Türen ist in der Premium-Version mit einer etwas weicheren Oberfläche ausgestattet. Selbst in den edlen Versionen bietet Ford jedoch kein Echtleder an und so lässt der Innenraum einige Wünsche offen. Immerhin bietet die Topversion Details wie Panoramadach, Matrix-LED-Scheinwerfer, eine elektrische Heckklappe und 20-Zoll-Leichtmetallfelgen.
Toll ist auch dank des 2,77 Meter langen Radstandes das Platzangebot und so bietet der Kölner gerade auch im Fond ausreichend Lebensraum für Knie, Kopf und Schultern. Die Rücksitze lassen sich im Verhältnis 1/3 zu 2/3 umklappen, wobei der mittlere Sitz unabhängig davon abgesenkt werden kann, um einen Gegenstand aus dem 450 Liter großen Gepäckraum zu entnehmen. Unter den muss man das Ladekabel packen, da Ford wie die VW-Gruppe leider auf einen praktischen Frunk verzichtet.
Am Ende können wir feststellen: Ja, der Explorer ist für Ford etwas ganz anderes. Für diejenigen, die einfach ein smartes Midsize-SUV suchen, stellt der Explorer eine erfrischende Alternative mit dichtem Händlernetz dar, die so anders als die anderen gar nicht ist.
Für uns am Steuer saß Joaquim Oliveira; press-inform
Technische Daten:
Motor: Elektro, Heck
Leistung: 210 kW / 286 PS
Max. Drehmoment: 585 Nm
Höchstgeschwindigkeit: 180 km/h
Beschleunigung 0 – 100 km/h: 6,4 Sekunden
Batteriepaket: 77 kWh (nutzbar)
Leergewicht: 2.090 kg
Laderaum: 450 Liter
Ladegeschwindigkeit: 135 kW
Normverbrauch nach WLTP: 13,9 - 14,7 kWh / 100 km
Preis: ab 49.500 Euro
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