Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing (FDP) hat nach dem ersten Brückengipfel in seinem Hause mit Experten aus Bauwirtschaft, Verwaltung, Ländern sowie Natur- und Umweltschutzverbänden ein „Zukunftspaket leistungsfähige Autobahnbrücken“ vorgelegt. Von den rund 39.900 Brücken auf Autobahnen und Bundesstraßen mit genau 52.386 Teilbauwerken mit ca. 2.150 km Länge sind rund 8.000 Teilbauwerke auf Autobahnen und etwa 3.000 auf Bundesstraßen zu sanieren. 4.000 davon benötigen einer dringenden Renovierung oder Verstärkung. Wenn dies nicht möglich sein sollte, bleibt nur der Neubau wie bei der Talbrücke Rahmede an der A45.
Die Modernisierung der Brücken wird eine meiner vordringlichsten Aufgaben werden. So, wie es derzeit ist, können wir nicht weitermachen, sonst werden wir in große Risiken laufen. (Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing)
Maßnahmenpaket mit neun Punkten
Mit dem Brückengipfel bringt das Bundesverkehrsministerium ein Maßnahmenpaket mit neun Punkten auf den Weg. Kurz zusammengefasst – Langfassung weiter unten – wird zum einen deutlich mehr Geld als bislang zur Verfügung gestellt: Werden 2022 noch rund 1,6 Mrd. Euro für die Bauwerkserhaltung ausgegeben, steigt die Summe bis 2026 auf ca. 2,5 Mrd. Euro an. Außerdem soll das Sanierungstempo möglichst halbiert werden. Und bestimmte wichtige Magistralen in Deutschland – z.B. die A45 und A81 – und damit auch die Brücken auf diesen wichtigen Verkehrsadern sollen priorisiert angegangen werden.
Wir setzen neue Prioritäten, um die Modernisierung der Brücken strategisch und in der sinnvollsten Reihenfolge anzugehen. Wir erhöhen finanzielle Mittel und starten frühzeitig den Dialog mit allen Beteiligten. Wir beschleunigen, digitalisieren und vereinfachen Planungen, Verfahren und Abstimmungen. All diese wichtigen Bausteine haben am Ende ein klares Ziel: Wir wollen die Brückenmodernisierung deutlich beschleunigen! (Wissing)
Die Maßnahmen im Einzelnen
1. Neue Kriterien für eine bessere Zustandserfassung
Die Brückenbilanz des Bundesverkehrsministeriums zeigt, dass viele Brücken saniert und modernisiert werden müssen. Da diese nicht alle gleichzeitig angegangen werden können, muss eine Reihenfolge festgelegt werden. Für diese Bewertung wird ab sofort ein neues Kriterium verwendet: der sogenannte Traglastindex. Er bewertet die strukturellen Eigenschaften eines Tragwerks, die die Leistungsfähigkeit einer Brücke wesentlich beeinflussen. Er ist quasi der Blick ins Innere – und damit eine Ergänzung zu den bisher zugrunde gelegten Zustandsnoten, die alleine äußere bauliche Kriterien erfassen. Dieser Traglastindex beschreibt, wie kritisch der Zustand ist – aber nicht nur baulich, sondern auch verkehrlich. Dabei geht es auch um die Frage, welche Bedeutung die Brücke für das regionale Netz hat.
2. Moderne Brücken, leistungsfähige Infrastruktur
Im Autobahnnetz werden bestimmte Korridore festgelegt, die für den Gesamtverkehr in Deutschland besonders wichtig sind. Dabei handelt es sich um bedeutsame, überwiegend hochbelastete Transitstrecken mit einer Gesamtlänge von etwa 7.000 km. Dieses „Brückenmodernisierungsnetz“ wird vordringlich angegangen. Innerhalb dieses Autobahnnetzes wurden etwa 4.000 Brückenbauwerke ermittelt, die modernisierungsbedürftig sind. Davon sind allerdings bereits 1.300 Bauwerke in Bearbeitung. Ziel ist, bis etwa 2030 ein zusammenhängendes Kernnetz von besonders wichtigen Autobahnabschnitten durchgängig mit leistungsfähigen Brücken herzurichten – damit sie für die künftigen Anforderungen gerüstet sind. Gleichzeitig soll der Verkehr außerhalb des Brückenmodernisierungsnetzes möglichst von längeren Baustellen unbeeinträchtigt fließen können.
3. Besser planen, schneller bauen
Die Autobahn GmbH hat sich das Ziel gesetzt, schrittweise die Zahl der fertig modernisierten Brücken von bisher 200 auf 400 Brücken pro Jahr zu erhöhen. Ziel ist es, in weniger als zehn Jahren alle rund 4.000 Brücken des Brückenmodernisierungsnetzes zu verstärken oder zu erneuern. Dafür erhält die Autobahn GmbH ausreichende Mittel, um die hierfür notwendigen Planungen umzusetzen.
Der Bund stellt die erforderlichen finanziellen Erhaltungsmittel für die Bundesautobahnen zur Verfügung. Von derzeit rund 4,5 Mrd. Euro pro Jahr ist eine schrittweise Erhöhung auf 5,7 Mrd. Euro im Jahr 2026 angestrebt, wovon ab 2026 ca. 2,5 Mrd. Euro in die Modernisierung von Brücken fließen soll. Das ist eine Steigerung um 1 Mrd. Euro gegenüber heute. Für mehr Planungssicherheit soll mit der Autobahn GmbH des Bundes erstmals eine überjährige Finanzierungsvereinbarung geschlossen werden.
4. Länger nutzen, weniger Kosten
Die bisherigen Prüfungs- und Bewertungsverfahren werden durch neue digitale Methoden der Bauwerksdiagnostik ergänzt. Bei der Bundesanstalt für Straßenwesen wird zudem ein Kompetenzzentrum „Brückenmodernisierung“ aufgebaut. Außerdem soll das Problem der Überladung bzw. falschen Auslastung von Lkw – sei es bei den Fahrzeuggesamtgewichten oder den Achslasten – aktiv angegangen werden, da dies einer der häufigsten Gründe für Schäden an Brückenbauwerken ist. Dabei sind Wiegestationen sowie vermehrte Kontrollen an neuralgischen Punkten ein wichtiges Mittel, um die Lebensdauer von Brücken zu verlängern.
5. Weniger Bürokratie, mehr Digitalisierung
Die Digitalisierung bietet Möglichkeiten, Planungs- und Genehmigungsverfahren einfacher und schneller zu gestalten. So können Schnittstellen eingespart sowie Entscheidungswege transparent angelegt und beschleunigt werden. Diese Potenziale sollen stärker als bisher genutzt werden – etwa mit dem „Fachplanungsportal des Bunds im Bereich Verkehr und Offshore-Vorhaben“. Das Projekt hat das Ziel, das Antrags- sowie Beteiligungsverfahren zu digitalisieren.
Building Information Modeling (BIM) bietet die Möglichkeit, Bauwerke digital unterstützt zu planen, zu bauen und zu bewirtschaften. Dadurch ist es möglich, dass alle Beteiligten eines Bauprojekts gemeinsam an einem digitalen Modell arbeiten können, und zwar zeitgleich. Das soll die Prozesse und die Zusammenarbeit deutlich erleichtern. Um die Planung zu vereinfachen, wird das BIM auf allen Ebenen schrittweise eingeführt und ab 2025 als Standard angewendet.
Damit Planfeststellungs- und andere Genehmigungsverfahren schneller durchgeführt werden können, wird das Fernstraßen-Bundesamt (FBA) weiter gestärkt und als moderne Behörde mit hoher Digitalkompetenz aufgebaut. Die Abstimmungsprozesse zwischen Autobahn GmbH und FBA werden verbessert. Auch die Landes- und Kommunalbehörden können durch Straffung der Prozesse zu schnelleren Baurechtsverfahren beitragen.
6. Effizientere Vergabe, schnellere Umsetzung
Nicht nur Planung und Genehmigung sollen beschleunigt werden, sondern auch die Umsetzung soll an Tempo gewinnen – unter Beibehaltung hoher Bauqualität, Sicherheit und Berücksichtigung der Nachhaltigkeit. Dazu sollen Ausschreibungs- und Vergabeverfahren gestrafft und effektiver gestaltet werden. Außerdem sollen Anreize für kürzere Bauzeiten schaffen – etwa durch die funktionale Ausschreibung. Das ist eine Leistungsausschreibung, bei der dem Auftragnehmer neben der Ausführung auch große Teile der Planung und Konzeption übertragen wird. Dadurch wirkt der Bieter bei der Ermittlung der technisch, wirtschaftlich und gestalterisch funktionsgerechtesten Lösung mit und bringt sein Knowhow ein. So werden schnellere und geeignetere Baumaßnahmen bereits durch den Auftragnehmer gewählt. Bei der funktionalen Ausschreibung muss der Auftraggeber auch nur die Funktion und den Verlauf der Leistung benennen, jedoch keine ausführliche Leistungsbeschreibung – z.B. zur Herstellmethode – abgeben. Durch diese einfachere Form der Ausschreibung werden Kapazitäten in der ausschreibenden Stelle eingespart, die an anderer Stelle eingesetzt werden können. Zudem fallen Aufmaße auf der Baustelle weg, die Abrechnung wird vereinfacht und konzentriert sich auf wenige Hauptpositionen. Die Bauüberwachung des Auftraggebers kann die freigewordenen Zeitkontingente sinnvoll für die Qualitätsüberwachung einsetzen und nutzen. Um schneller und kostengünstiger zu bauen, sollen dort wo möglich und sinnvoll parallele Fertigungsschritte angestrebt und standardisierte, typisierte Bauverfahren eingesetzt werden.
7. Gemeinsam handeln, weniger Kosten
Durch eine frühzeitige Zusammenarbeit zwischen der Verwaltung, den Planern und der Bauindustrie sollen Abstimmungsprozesse verkürzt, Kapazitäten effektiver genutzt und Kosten reduziert werden. Derr fachliche Austausch beispielsweise auf dem Brückengipfel soll auch in Zukunft regelmäßig auf allen Ebenen fortgeführt werden.
8. Dialog statt Konfrontation
Neben schnelleren Abstimmungsprozessen auf fachlicher Ebene ist bei Bauprojekten auch eine frühzeitige Abstimmung mit allen Beteiligten vor Ort wichtig. Bei den Verfahren soll insbesondere der anspruchsvolle Spagat zwischen Beschleunigung, Transparenz und Mitsprache gelingen. Deshalb ist geplant, mit allen Beteiligten frühzeitig in den Dialog zu treten. Bei der A45-Rahmede-Talbrücke hat Wissing zum ersten Mal einen Bürgerbeauftragten berufen.
9. Fachkräfte für eine moderne Infrastruktur
Um die große Aufgabe der Brückenmodernisierung gemeinschaftlich zu bewältigen, werden jetzt und in den kommenden Jahren Fachkräfte benötigt. Die Ausbildung und Qualifizierung von Fachkräften, insbesondere von Bauingenieuren und Technikern, wird gezielt gefördert. Dadurch sollen die Berufsbilder des Bauingenieurs und des Bautechnikers wieder attraktiver werden. Das BMDV unterstützt konkret entsprechende Initiativen der Ingenieurkammern und -verbände, der Bauwirtschaft und der Verwaltung, damit die Zahl der Auszubildenden und Studierenden ansteigt. Dies kann mit speziellen Angeboten und Programmen gelingen –wie z.B. der dualen Berufsausbildung, dualen Studiengängen in Kooperation mit Hochschulen und Universitäten, Stipendienprogrammen, Praktika und Werkstudententätigkeiten.
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