Es war wieder eine spannende Veranstaltung mit Blick in die Zukunft: Das Car Symposium in Bochum, zu dem Direktorinnen und der Direktor des ausrichtenden Car Instituts, Prof. Dr. Helena Wisbert, Beatrix Keim und Dirk Wollschläger einluden und auf dem unter anderem auch die CEOs von Mercedes-Benz und Skoda Auto, Ola Källenius und Klaus Zellmer anreiste, ebenso wie der CEO von Volkswagen Financial Services, Christian Dahlheim.
Sie gaben einen Ausblick auf die Zukunft, er in den folgenden Sessions vertieft wurde. Und trotz aller aktuellen politischen Unsicherheit scheint das Ziel unverrückbar zu stehen: Wir müssen die CO2-Ausstoß im Verkehr reduzieren. Grund für uns, nachzuhaken und die Rolle der gerade gehypten Hybride und Plug-in-Hybride zu beleuchten - nicht nur aus deutscher, sondern aus internationaler Sicht.
Das Car Symposium 2024 stand unter der Überschrift „Strategien zur Transformation“. Wir wollten von zwei der Direktoren, Beatrix Kein und Dirk Wollschläger nun konkret wissen, wie sie hier hybridisierte Antriebe und Plug-in-Hybride einordnen.
Das Car Symposium 2024 hatte als Motto „Strategien zur Transformation“ – welche Rolle spielen da hybridisierte Antriebe?
Beatrix Keim: Während des CAR Symposiums 2024 ging es vor allem um Unternehmensstrategien zur allgemeinen Transformation hinsichtlich Prozessgeschwindigkeit, Digitalisierung und Ausrichtung auf Nachhaltigkeit. Wir stellten insgesamt fest, dass sich die Unternehmen, gleichgültig ob Fahrzeughersteller oder Zulieferer, zu nachhaltigen Themen bekennen, und eben auf nachhaltige Antriebe setzen.
Vor allem hier auf 100% elektrische Antriebe, oder Alternativen wie die Brennstoffzelle bzw. Wasserstoff-gebundene Lösungen. Dennoch müssen die Unternehmen unter den aktuellen Nachfragebedingungen auf eine gewisse Flexibilität setzen, um weder Kunden noch Umsätze zu verlieren. Insofern stehen hybridisierte Antriebe, zumindest im europäischen Bereich, nicht sonderlich im Fokus der Transformationsstrategien für die mittel- bis langfristige Planung.
Aktuell scheint die ganze Branche Hybride als „günstige Backups“ für die Absatzzahlen zu entwickeln. Wirft uns das beim Erreichen der CO2-Ziele nicht dramatisch zurück? Und welche Perspektive hat diese Antriebsform langfristig?
Dirk Wollschläger: Zum einen ist es wichtig, zwischen den drei verschiedenen Hybrid-Antriebs-Technologien zu unterscheiden. Alle drei können zwar als initialer Schritt zur E-Mobilität gesehen werden, allerdings mit differenzierter Auswirkung auf den Mobilitätswandel. Tatsächlich wären die „Plug-in“-Hybride als nächstliegend zu den reinen E-Autos (BEV) zu sehen, da sie im Gesamtsystem über eine gute Reichweite verfügen und durchaus bei geringeren Fahrleistungen eine elektrische Fahrweise in Reichweiten bis zu 75 Kilometern ermöglichen.
Zudem gilt für diese Variante in Abhängigkeit des CO2-Ausstosses auch noch eine steuerliche Begünstigung von Geschäftsfahrzeugen (zumindest in Deutschland). Die „Vollhybrid“-Modelle sind günstiger in der Anschaffung, werden allerdings nicht steuerlich begünstigt. Allerdings werden die Hybride selten tatsächlich auch in der elektrischen Fahrweise, auch für kürzere Fahrstrecken genutzt, was den nachhaltigen Aspekt schlichtweg zunichtemacht.
Dennoch sind sie aktuell wieder in den Fokus gerückt, da sie zum einen günstiger in der Anschaffung sind und nicht unbedingt Ladeinfrastruktur nötig ist. Gerade nach dem Auslaufen der Umweltprämie in Deutschland wurde ein Anstieg der Zulassungen im Hybrid-Bereich verzeichnet. Ein weiterer Aspekt dürfte sein, dass etablierte Hersteller solche Modelle anbieten.
Keim: Die bislang noch günstigen reinen Stromer der chinesischen Hersteller fanden trotz des Preisvorteils nicht den erwarteten Absatz, was einfach gesprochen auch mit dem Mangel an Markenbekanntheit und insbesondere mangelndem Markenvertrauen begründet ist. Das grundsätzliche Problem mit Plug-In-Hybriden ist, dass sie eine sinnvolle Brückentechnologie darstellen, wenn sie richtig eingesetzt werden. Studien zeigen jedoch, dass viele Plug-In-Hybride in der Praxis kaum elektrisch gefahren werden. Daher sollten Plug-In-Hybride nur dann bevorzugt werden, z.B. steuerlich, wenn sie nachweislich überwiegend elektrisch betrieben werden.
So etwas ließe sich zum Beispiel im Rahmen der 2-jährlichen Hauptuntersuchung einfach ermitteln. Bei Nichteinhaltung müsste dann eine CO2 Abgabe bezahlt werden. Ohne solche Auflagen riskieren wir eine Scheinlösung, die dem Klima kaum hilft, aber Ressourcen verschwendet. Hier sehen wir auch die Fahrer in der Verantwortung – was heute leider nicht funktioniert. Aus dem Handel kommt oft das Feedback, dass viele Halter von Plug-In Hybriden beim Verkauf die noch in Plastikfolie eingepackten Ladekabel übergeben.
Seitens der Hersteller sollten hier zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden; zum Beispiel kommunikativ mit verstärkter Aufklärung zur „korrekten“ Nutzung von Plug-in Hybrids auf kurzen Strecken. Insgesamt zeigt sich auch in der Betrachtung der diversen nationalen Anreizprogramme in Europa, dass der Fokus auf BEV und FCEV (Brennstoffzelle) liegt. Für Hybride sind nur es nur die PHEV-Modelle, die allerdings auch weniger Geldmittel bzw. Vorteile erzielen denn BEV und FCEV.
Wollschläger: Mit Blick auf die CO2-Ziele gilt insgesamt, dass die aktuelle EU-Messmethodik in der Tat unzureichend ist. Sie berücksichtigt nicht den gesamten CO2-Fußabdruck eines Fahrzeugs, insbesondere die CO2-Emissionen, die bei der Produktion von Batterien für E-Autos anfallen. Eine Studie des Fraunhofer-Instituts zeigt, dass die Herstellung einer Lithium-Ionen-Batterie für ein E-Auto zwischen 61 und 106 kg CO2 pro kWh Batteriekapazität erzeugt. Bei einem Tesla Model 3 mit einer 75 kWh Batterie entspricht das bis zu 7,9 Tonnen CO2. Eine umfassendere Messmethodik, die den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs in Betracht zieht, wäre dringend erforderlich.
Das Potenzial von Batterierecycling und Zweit-Nutzung von Batteriezellen spielt in den heutigen Betrachtungen keine Rolle. Nach unseren Recherchen könnten bis 2040 bis zu 70% der Materialien einer Batterie recycelt werden, was den CO2- Fußabdruck der Batterieproduktion signifikant senken könnte. Dies würde nicht nur die Abhängigkeit von neuen Rohstoffen reduzieren, sondern auch die Umweltbelastung durch die Herstellung von Batterien verringern. Unternehmen wie Umicore oder BASF arbeiten bereits intensiv an solchen Recyclingtechnologien.
Ein umfassendes Recyclingprogramm könnte also den ökologischen Vorteil von E-Autos weiter stärken und die CO2-Bilanz deutlich verbessern. Abschließend ist festzustellen, dass die neue CO2 Flottenregulierung nicht als ein Freifahrtschein für alte Technologien missverstanden werden darf, sondern es muss vielmehr ein Ansporn sein, die besten und nachhaltigsten Technologien zu fördern.
Wie ist die Entwicklung der Hybridantriebe weltweit zu betrachten, wenn man die Hauptregionen Amerika, Asien und Europa betrachtet?
Keim: Insgesamt ist ein leichter Anstieg von Hybrid-Modellen zu beobachten, wobei die PHEV-Modelle durchgehend komplett zur Kategorie „NEV“ New Energy Vehicles gezählt werden. Diese Zunahme erfolgt parallel zu einem Abfall der BEV-Zulassungszahlen global. Insbesondere die stärkere Zunahme in China erstaunt, wo aus staatlicher Sicht die reinen Stromer im Fokus stehen. Zu erklären wäre dieses Phänomen mit einer Zunahme der Verkäufe in den „kleineren“ Städten (Tier 3 abwärts) und in ländlichen Regionen, wo die Ladeinfrastruktur weniger ausgebaut ist, doch der politische Wille hin zu NEV durch das (günstigere) PHEV-Angebot unterstützt wird (Trade-in Policy).
Auch in den USA zeigt sich ein Trend zu Hybriden, wobei es vor allem um „Vollhybride“ geht, nicht PHEV. Der Anteil von PHEV sowohl in 2023, wie im 1. Halbjahr 2024 ist deutlich kleiner (Absatz HV 713.000 vs. Absatz PHEV 160.000 Fahrzeuge). Dies könnte einerseits mit den Modalitäten der IRA zusammenhängen (Umweltprämie der USA), aber auch mit den Distanzen, die in den USA gefahren werden.
In Deutschland z.B. zeigt sich ein anderes Nutzerverhalten: Die Absatzzahlen für HV und PHEV sind im 1. Halbjahr 2024 relativ ähnlich, mit Vorteil für den PHEV. Ebenso war auch das Ergebnis für 2023, allerdings mit deutlichem Vorteil für PHEV (128.000 HV vs. 174.000 PHEV). Dies spricht einerseits für eine stärkere Orientierung hin zu Elektromobilität, wobei es jedoch keine Aussagen gibt über die tatsächliche Nutzung der PHEV im e-Modus. Hierzu wären eben Messungen wie oben beschrieben nötig.
Übrigens zeigt sich auch eine größere Modellvielfalt im Bereich PHEV in Deutschland/Europa im Vergleich zu den USA. In den USA und insgesamt weltweit gibt es sechs Hersteller mit nennenswerten Angeboten im Bereich Hybride. Dies sind vor allem die japanischen Hersteller mit Toyota als unangefochtenem Platzhirsch, zudem auch der koreanische Hersteller HKMC (Hyundai Kia), sowie zu kleineren Anteilen Ford und die chinesische GAC (Guangzhou Auto).
Wollschläger: Insgesamt erkennen wir sehr verschiedene Marktsituationen in den Regionen und Ländern. Je nach Ausrichtung der lokalen Industrie, und auch Politik samt entsprechenden Vorgaben variieren die Auswirkungen im Markt. So ist im Autoland Japan der Anteil von NEV (BEV,PHEV, FCV) in den letzten zwei Jahren ca. 3 bis 3.5% des Gesamtmarktes, Tendenz leicht steigend. In Korea zeigt sich eine bessere Orientierung hin zur Nachhaltigkeit mit einem NEV-Anteil von durchschnittlich 9 bis 10%. Der Anteil an NEV in den USA wächst, immerhin ca. 9% aktuell. Auch Brasilien zeigt ein verstärktes Interesse an NEV mit einem rasanten Anstieg auf ca. 3% Gesamtmarktanteil seit August 2023.
Welchen Anteil am Absatzmix werden die Hybridantriebe ihrer Prognose nach bis 2030 und bis 2035 einnehmen?
Wollschläger: Mit den Informationen, die wir erhalten, und eingedenk der oben genannten Daten, sehen wir keine nachhaltige Ausweitung des Hybrid-Angebots für die nächsten Jahre. Im Gegenteil – die japanischen Hersteller werden sich nun vermehrt den reinen E-Fahrzeugen zuwenden. Wie oben erwähnt sehen wir Hybride, auch PHEV-Modelle, als Übergangslösung. Mit dem Ausbau von Infrastruktur, Preiseffekten bei Batterien und zusätzlichem Angebot von günstigeren Modellen sollte der Anteil von reinen E-Fahrzeugen (BEV) insgesamt steigen.
Im Car Symposium haben Sie außer den Antrieben mehrere Wege zur Transformation beleuchtet – wie wichtig sind Ihrer Ansicht nach die Felder Digitalisierung und nachhaltige Produktion respektive Recycling?
Keim: Alle Teilnehmer des CAR Symposiums 2024 betonten die Wichtigkeit von Digitalisierung. Zum einen, um Prozesse agiler und vor allem schneller werden zu lassen. Zum anderen auch aus Kosteneffekten. Der Einzug von KI (AI) in die Industrie ist nicht mehr aufzuhalten. Auch belegen die steigenden Umsätze der großen IT-Dienstleister, dass Projekte rund um Digitalisierung, aber auch hinsichtlich Cybersecurity Priorität haben. Ebenso wird der Fokus auf Nachhaltigkeit gelegt. Die Forschungen um Verfahren für Recycling zum Zwecke der Herstellung von tatsächlich einsetzbaren recycelten Materialien haben einen großen Stellenwert, helfen sie einerseits in der Erreichung von regulativen Vorgaben, und zeigen andererseits ein grünes Gewissen der Industrie.
Im Endeffekt kommt dies bei den Kunden an, gleich ob Geschäfts- oder Endkunde. Hierbei ist Digitalisierung ein unterstützender Faktor. Zum Beispiel werden wir innerhalb des nächsten „Car Battery Day“ großen Wert auf das Thema Recycling legen, was auch durch die Kooperation mit dem Geschäftsbereich der BASF für Battery Materials & Recycling und der Besichtigung des Werks in Schwarzheide.
Das Interview führte Gregor Soller
Was bedeutet das?
Auch wenn der Hybrid gerade einen Hyper erlebt: Hinter den Kulissen arbeiten weiter alle Hersteller an der Batterieelektrik. Aber bis die wirklich in der Breite erschwinglich ist, können Hybrid und Plug-in-Hybrid eine wichtige Brücke sein.
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