Karin Huss verfolgt das Taxigeschehen sehr intensiv: Ihr Mann veröffentlicht als Verleger seit über 25 Jahren die taxi heute. Frau Huss ist bei nahezu jeder Ausgabe für die Schlusskorrekturen zuständig. Kaum einer liest die taxi heute also genauer und sorgfältiger. Als ich die letzten korrigierten Texte bei ihr abholen wollte, fragte mich Frau Huss mit einer Mischung aus Niedergeschlagenheit und Verwunderung, was eigentlich aus dem Taxigewerbe geworden sei. Täglich fahre sie in München an einem Taxistandplatz vor einem großen Krankenhaus vorbei. Ihr Urteil ist vernichtend: Heute, sagt Frau Huss, wäre sie in keines der dort wartenden Taxis eingestiegen. Ungepflegt wirkende Taxifahrer hätten vor schmutzigen Fahrzeugen gestanden. „Vor einigen Jahren haben die Taxifahrer ihre Autos am Standplatz noch gewiehnert und gebohnert. Da war Taxifahren noch ein angesehener Beruf.“ Und heute? Ist es nur noch ein 1-Euro-Job. Das zumindest jammerte mir ein Kollege vor, mit dem ich letzte Woche unterwegs war. Meine Fahrt war nicht sehr lange, am Ende sollte der Taxameter bei 5,90 Euro stehen bleiben. Mit mir im Auto saß ein Vertreter einer Genehmigungsbehörde. Gemeinsam wollten wir zu einer Taxiverbandsversammlung fahren. Noch heute frage ich mich: Was mag in dem Taxifahrer vorgegangen sein, als er unser Gespräch mit dem einschneidenden Satz unterbrach: „Wir haben einen schlechten Beruf!“. „Warum?“ „Weil es kaum noch Fahrgäste gibt. Wir haben einen Ein-Euro-Job, weil wir zu lange am Standplatz stehen.“ Er sagte nicht, dass Kurzfahrten wie unsere daher nicht mehr rentabel seien. Aber wir hörten es zwischen den Zeilen heraus. Das schlechte Gewissen kam hoch. Haben wir ihm jetzt eine größere Tour vermasselt? In erster Linie haben wir dafür gesorgt, dass dieser Taxifahrer Umsatz machen konnte anstatt noch länger am Standplatz zu stehen. Dass der nächste Fahrgast nun schon dem Zweiten gehören würde und der übernächste Funkauftrag dem Dritten. Aber der nächste Fahrgast hätte noch lange auf sich warten lassen. Es wäre derjenige gewesen, der noch vor einer Woche eine Kurzfahrt gemacht hatte, vom Fahrer aber entweder angemault oder vollgejammert worden ist. Heute benützt dieser Fahrgast lieber die Straßenbahn. Ist besser für das schlechte Gewissen. Der Schaffner jammert nicht, dass nur fünf Leute mitfahren. „Jammern gehört zum Geschäft“, sagen viele Kollegen. Dieser Satz ist der dümmste Irrsinn, der mir je untergekommen ist. Wer jammert, bezweckt nur eines: Mitleid. Wer sein Geschäft auf Mitleid aufbaut, kann nicht erfolgreich sein. Noch haarsträubender ist die Argumentation eines taxifahrenden Jammerprofis: „Wenn ich schön jammere, bekomme ich wenigstens etwas mehr Trinkgeld. Außerdem weiß mein Fahrgast dann auch, dass es keinen Zweck hat, mich zu überfallen.“ Jammern also als präventive Maßnahme vor Überfällen! Darauf muss man erstmal kommen. Diesem Kollegen möchte ich am liebsten den BGF-Verdienst-Nix-Orden übergeben! Doch Spaß beiseite: Wie kann man solchen Kollegen klar machen, dass solch eine Außendarstellung einfach nur schädlich ist? Vielleicht, indem man sich bei der Ausbildung nicht mehr nur darauf beschränkt, ein paar Straßen und Adressen abzufragen? Wie würden Sie reagieren? Sie gehen als Gast in ein Lokal, um dort eine Pizza Margherita zu essen. Kaum haben Sie bestellt, fängt der Kellner zu jammern an. Den ganzen Tag würden die wenigen Gäste nur Getränke bestellen. Jetzt kämen Sie und essen nur eine Margherita. Er würde hier doch nach Umsatz entlohnt werden und hätte deswegen bisher nur einen Euro pro Stunde verdient. Vielleicht geben Sie dem armen Kellner dann am Ende etwas mehr Trinkgeld. Aber gehen Sie ernsthaft ein zweites Mal in diese Pizzeria? Wir brauchen keine Reduzierung der Taxikonzessionen. Es wäre wirksamer, wenn man den Dauernörglern und Miesepetern den P-Schein wegnehmen würde. Dann hätten wir endlich wieder mehr Fahrgäste und nicht zu viele Taxis. Jürgen Hartmann
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