Fahrbericht ABT e-Transporter 6.1 & e-Caddy: Mehr als ein Lückenbüßer

Mit gründlicher Machart und Technik auf dem Niveau einer Werkslösung schließen die vollelektrischen ABT e-Line-Versionen von Caddy Maxi sowie Transporter, Kombi und Caravelle 6.1 die Lücke, bis VW Nutzfahrzeuge dem e-Crafter weitere hauseigene Stromer zur Seite stellt.

Made in Allgäu: Die elektrifizierten VW Nutzfahrzeuge werden im Allgäu bei ABT entwickelt und bei AL-KO gefertigt. | Foto: ABT e-Line
Made in Allgäu: Die elektrifizierten VW Nutzfahrzeuge werden im Allgäu bei ABT entwickelt und bei AL-KO gefertigt. | Foto: ABT e-Line
Redaktion (allg.)
(erschienen bei VISION mobility von Johannes Reichel)

Die Firma ABT und den VW-Konzern verbindet eine lange und intensive Partnerschaft. In jüngster Zeit erfuhr die Beziehung zum VW-Konzern eine deutliche Vertiefung, weil man kurzerhand auf die Expertise der Allgäuer Elektrifizierer zurückgriff. Werksnah eingebunden und auch ganz offiziell als Premiumpartner in Kooperation entstehen die Elektro-Modelle von Caddy und Transporter 6.1, die sich formell korrekt und mit selbstbewusstem Verweis auf die technische Urheberschaft in Kempten ABT e-Caddy und ABT e-Transporter sowie e-Caravelle 6.1 nennen.

Preislich auf Niveau von Kangoo Z.E. und Nissan eNV200

Erstmals vorgestellt wurde der überraschende, aber eigentlich logische und naheliegende Pakt auf der IAA 2018, jetzt sind die Fahrzeuge bestellbar. Der ABT e-Caddy Maxi bleibt mit 29.990 Euro als Basis für die 293 Euro monatlicher Leasingrate in einem klassengemäßen und für einen 4,2-Kubik-Lieferwagen vertretbaren Rahmen. Er ist nur im Leasing erhältlich und lässt sich direkt beim VW-Händler bestellen. Für den ABT e-Transporter 6.1 stehen die Preise inzwischen auch fest - siehe dazu die separate Meldung. Die Garantie orientiert sich an den Werksstandards für E-Fahrzeuge von VW: Acht Jahre auf die Batterie, 160.000 Kilometer. "Auch wenn die Produkthaftung für den Antrieb und Umbau bei ABT liegt, der Kunde soll davon so wenig wie möglich mitbekommen und nur einen Ansprechpartner haben", betont Jens Häberle, Leiter Produktmanagement e-Mobility bei ABT e-Line und seit Anbeginn der Elektrifizierung im Hause ABT dabei. 

Baukasten: ABT nutzt so weit es geht Großserienteile

Um also die Großserienstandards und ECE-Normen auch technisch sicherzustellen, arbeitet man sehr eng verzahnt mit den technischen Prüfdiensten zusammen. Man verwendet, so weit es geht Standardkomponenten aus dem Konzernbaukasten, die sich schon im e-Golf und dessen technischen Verwandten e-Crafter bewährt haben. Etwa bei Ladegerät, Klimakompressor, wahlweise einem HV-Heizgerät. Vor allem dockt man mittels eines selbst entwickelten Druckgussgehäuses mit der Funktion einer Art Schablone an das Standard-DSG-Getriebe an, nutzt davon aber nur vier respektive drei Gänge beim Caddy und Transporter.

Eigenleistung: Motorsteuerung, Akkupaketierung

Dem aber doch noch zahlreiche Hausaufgaben verbleiben: Vor allem galt es ein Motorsteuergerät zu entwickeln, das den kompakt bauenden, 83 kW starken E-Antrieb von Bosch dirigiert und die Schnittstelle zu den konventionellen Restkomponenten bildet. Es handelt sich hierbei um ein vollfunktionsfähiges VCU, betont Uwe Asbach, der Leiter Entwicklung bei ABT e-Line. Die zweite Schlüsselkomponente: Der Akku, der in der Serienfassung jetzt 37,3 kWh Kapazität bietet und damit nur leicht über den e-Golf- und e-Crafter-Satz von 35,8. Eine ursprünglich angedachte Version mit gedoppeltem Akku-Paket und 75 kWh hat man dagegen zurückgestellt: Zu teuer und zu komplex zu integrieren im Rahmen des verfügbaren Gesamtgewichts von 2,8 bis maximal 3,2 Tonnen im Falle des Transporters. Dann lieber einen 50-kw-Lader mit CCS-Anschluss standardmäßig an Bord gepackt, mit dem der Speicher in 45 Minuten zu 80 Prozent mit Energie befüllt ist - oder per AC-Lader mit 7,2 kW in fünfeinhalb Stunden.

Die von CATL bezogenen Zellen mussten für den Einbau im Transporter und vor allem im Caddy gemeinsam mit dem Spezialisten Handtmann neu paketiert werden, samt crashsicherem Stahlblechgehäuse, zusätzlich verstärkenden Rahmen zum Schutz bei Seitencrashs und gründlicher Abdichtung gegen Korrosion. Auf die Crashsicherheit ist Häberle besonders stolz, die 42 Kilo an zusätzlich verbautem Material sorgen beim Pfahlaufprall etwa dafür, dass dieser nicht einmal bis zum Akkurahmen vordringt, wie ein Crashmodell in der Halle veranschaulicht. Vor allem im Caddy war die Paketierung eine harte Nuss, weil der Akku deutlich weniger Platz am Unterboden hat. Er schrumpfte daher in der Länge, wuchs dafür in der Höhe. Jeden Millimeter haben die Ingenieure genutzt, um einen laderaumneutralen Einbau hinzubekommen. Wer unter das Fahrzeug blickt, stellt staunend fest, dass der Akku sich exakt an das Niveau des Unterbodens schmiegt.

Laderaumneutral: Die Batterien lassen volles Volumen und genug Nutzlast

315 respektive 330 Kilo wiegt der Energiespeicher, woraus beim ABT e-Caddy im elektrischen Gesamtsystem zu einem für ein Elektro-Fahrzeug vertretbares Leergewicht von 1.711 Kilo beim Kasten und 1.729 Kilo beim Kombi resultiert. So bleiben 539 und 651 Kilo an Nutzlast übrig, bei einem Gesamtgewicht von 2.250 und 2.380 Kilo. Der ABT e-Transporter T6.1 kommt als Kasten auf 2.104 Kilo leer, als Kombi/Caravelle auf 2.223 Kilo und eine Zuladung von 1.096 oder 977 Kilo, sofern man die 3,2-Tonnen-Zulassung wählt. Es bliebe sogar die Möglichkeiten, einen Anhänger anzukuppeln - der beim ABT e-Transporter 6.1 bis 1.500 Kilo, beim e-Caddy bis 750 Kilo wiegen kann. Das dürfte allerdings die Reichweite in die Knie zwingen.

On Tour: Hohes Niveau, niedriges Geräusch

Und wie fühlt sich das Package also an? Zuerst mit dem ABT e-Caddy: Nur ein leichtes Ruckeln weist beim Anfahren darauf hin, dass anders als beim e-Golf oder e-Crafter kein Eingang-Getriebe die Kraft weiterleitet, sondern das DSG, bei dem drei Gänge genutzt werden und das sich über den verbliebenen Knauf sortieren lässt. Allerdings wählt man hier nur zwischen Rückwärts, Neutral, Drive und Sport. Ansonsten surrt der e-Caddy recht leise los, der Motor ist allerdings etwas vernehmlicher als im e-Golf oder e-Crafter. Einmal in Fahrt geht es wie üblich bei E-Autos leise zu. Der S-Modus mobilisiert dann, statt 75 Prozent, die kompletten 100 Prozent Power des 83-kW-Motors und seine 200 Nm, man beschleunigt also nötigenfalls zügig von der Ampel weg und fährt Lücken schnell mal zu.

Perfekt integriert ist der E-Antrieb in die Instrumente, wo man nur am Powermeter statt Drehzahlmesser und dem Batteriestand sowie der geänderten Anzeige im Zentraldisplay erkennt, dass man in einem Stromer sitzt - ja, und natürlich am dezenten ABT e-Line-Signet im Tacho. Die Rekuperation wird ebenfalls im Instrument angezeigt, wenn der Zeiger in den "Charge"-Bereich wandert. Der Rekuperationsgrad wurde mit einer guten Mischung aus "Rollen lassen" und "Energie rückgewinnen" moduliert, bleibt laut Jens Häberle bewusst unter einer Verzögerung von 1,3 m/s, aus ABT-Sicht die effizienteste Methode. In der Tat erweist sich die Reichweite als standhaft und die anfänglichen 160 km nehmen kontinuierlich und gut nachvollziehbar ab. Am Ende der 20-km-Tour weist das Display auch exakt 140 km aus, bei leichter Zuheizung an einem kühlen Tag.

Voll integriert in Bord-Instrumente und Infotainment

Gründlich ins mit der Modellpflege deutlich modernisierte Gesamtsystem integriert zeigt sich der ABT e-Antrieb auch beim e-Transporter 6.1: Neben den Zentralinstrumenten im neuen Look hat man vor allem auch die E-Drive-Informationen in das schicke Infotainment-System integriert und fährt hier auf e-Crafter-Niveau. Statt einer "S-Stufe" hat man im elektrifizierten Klassiker einen Kickdown realisiert, der die volle Leistung abruft und die ABT e-Caravelle zackig auf Tempo bringt. Wer das häufig ausnutzt, wird allerdings die real avisierten 138 Kilometer Reichweite im WLTP-Zyklus bei max. 90 km/h ziemlich sicher verfehlen.

Die Rekuperation ist auch hier ordentlich, aber das Ein-Pedal-Fahren ist damit natürlich nicht möglich, soll es aber auch nicht. Unter 20 km/h macht beim e-Transporter 6.1 ein dezentes Rattern Passanten auf den nahenden Stromer aufmerksam, hier ist man noch weiter am Komponieren, meint Häberle. Noch nicht integriert, weil als zu aufwändig und für die zugedachte Anwendung in der City als unnötig erachtet, hat man den Abstandstempomaten, der City-Notbremsassistent wacht aber auch beim "Bulli" von ABT e-Line über den Verkehr vorm Fahrzeug und greift nötigenfalls aktiv in die Bremse ein.

Perspektive: Der ABT e-Transporter fährt länger, der e-Caddy überbrückt zum ID. Buzz

Und die weitere Perspektive? Der ABT e-Caddy wird zwar nicht mehr auf die Plattform Caddy V umgestellt, läuft aber im aktuellen Trimm noch eine Weile weiter. Er würde vom Format her sonst teils mit dem ID. Buzz Cargo konfligieren, der 2022 kommen soll und etwas mehr Volumen bietet als der Caddy Maxi. Der ABT e-Transporter hat aber nach dem jüngsten Update auf 6.1 mindestens einen Zeithorizont von vier bis fünf Jahren, bis hier weitere elektrische Werksprodukte im Mittelformat gereift sind. Gefertigt werden soll der im Allgäu entwickelte Stromer übrigens auch im Allgäu: Und zwar auf zwei eigens eingerichteten Fertigungslinien bei AL-KO, auf denen man teils automatisiert bis zu 10.000 Exemplare jährlich realisieren könnte, wie Häberle stolz vermerkt.

  

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