Berliner Taxi-Revolution?

Europa-Abgeordnete warnt vor Lobbying von Uber & Co.: Die Taxiinnung Berlin lud zum klärenden Gespräch zwischen Politik, Taxi-Unternehmern und Plattform-Wirtschaft über die prekären Verhältnisse der Berliner Taxi-Branche.
 

 Bild: Nikolaus Bader auf Pixabay
Bild: Nikolaus Bader auf Pixabay
Matthias Roeser

Europa-Abgeordnete warnt vor Lobbying von Uber & Co.

Die Taxiinnung Berlin lud zum klärenden Gespräch zwischen Politik, Taxi-Unternehmern und Plattform-Wirtschaft über die prekären Verhältnisse der Berliner Taxi-Branche.

Um das Dauerbrenner-Thema der Missstände im plattformgetriebenen Mietwagengeschäft und die neue EU-Plattform-Richtlinie ging es auf einer Veranstaltung der Berliner Taxiinnung

Der Vizepräsident des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen (BVTM) und Chef der größten Berliner Taxizentrale Herman Waldner kritisierte, man habe in Berlin durch den Marktangriff von Uber & Co. mehr Taxis verloren als andere Großstädte je Taxis hatten. Zudem erlebe man hier einen Wildwuchs, wie es ihn in diesem Ausmaß sonst nirgends gäbe. In Berlin stünden inzwischen die Hälfte der Taxis vor der Pleite.

„Nur wenn man mit harten Kontrollen die schwarzen Schafe auf dem Personentransportmarkt aussortiert, hat das ehrliche Taxigewerbe eine Chance, zu überleben und Teil des individuellen Personennahverkehrs zu bleiben“, erklärte Waldner.

Damit spielte Waldner unter anderem auf die Erkenntnisse zu zweifelhaftem Geschäftsverhalten im plattformbasierten Mietwagengeschäft an, die der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion Tino Schopf bei Recherchen in der Genehmigungsbehörde Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) gewonnen hatte.

Tino Schopf beschrieb die Zustände in Berlin als „beschämend“. Es gebe einen gewaltigen kriminellen Sumpf. Das LABO, eigentlich zuständig für das Trockenlegen dieses Sumpfes, nannte er ein „Teil des Problems“. Er sei kein Verwaltungsfachmann, aber selbst ihm sei aufgefallen, dass Firmen einen 19-jährigen Menschen für 960 Euro Brutto angestellt haben, um 50 Mietwagen rund um die Uhr zu organisieren. Erst recht müsse dies doch den Fachleuten des LABO auffallen, bemängelte Schopf.

Schopfs Parteifreundin, die Europa-Abgeordnete Gabriele Bischoff, berichtete unter anderem über die EU-Richtlinie zur Plattformarbeit, für die sie mitverantwortlich war. Die Richtlinie spare das Taxi-Geschäft weitgehend aus, treffe aber Plattformen wie Uber und Bolt. Bischoff warnte, den enormen Lobby-Druck von Uber, Bolt und anderen nicht zu unterschätzen. Ein solcher Druck sei in der Intensität ungewöhnlich und werde nun bei der nationalen Umsetzung der EU-Richtlinie in den kommenden zwei Jahren sicher erneut zum Tragen kommen. „Deshalb ist es wichtig, dass wir weiter am Ball bleiben, und alle Rechtsmittel ausschöpfen, damit diese Strukturen, die prekäre Beschäftigung fördern und dulden, abschaffen. Das Taxigewerbe hat mich an seiner Seite, um bessere Bedingungen zu schaffen, damit es wieder fair und gerecht im Mobilitätsbereich vor sich geht“, betonte Bischoff.

Alexander Mönch von FreeNow als Vertreter der Plattformwirtschaft gab selbstkritisch zu Protokoll, dass das, was FreeNow vor zehn Jahren angestoßen habe, sich zu illegalen Strukturen entwickelt habe, die so nicht vorherzusehen waren. Er begrüßte die Initiative zum Datenaustausch zwischen Jobcenter und Finanzamt. „So können wir wenigstens versuchen, unsere Plattform sauber zu halten.“ Er sprach von einem „illegalen Gewerbezweig“, der sich hier entwickelt habe, und bekannte: „Ich kann hier ja nicht so tun, als wäre nichts gewesen.“ Er bekräftigte, dass FreeNow die Zukunft im Taxi sehe und der taxiähnliche Mietwagen in der jetzigen Form keine Zukunft habe.

Zum Abschluss dankte Leszek Nadolski, der Vorsitzende der Berliner Taxiinnung, für die rege und ehrliche Debatte und versprach, sich weiter für das Taxigewerbe in Berlin einzusetzen. Ein richtiger Schritt sei die Einführung von Festpreisen in Berlin. Diese sollen ab dem Frühsommer in Berlin möglich sein. roe

Demo von Taxigruppe Berlin ist das richtige Zeichen für die Politik

Der Taxi- und Mietwagenverband Deutschland e.V. rief zur Demo auf. Am 11. März sammelten sich über 200 Fahrer und Fahrerinnen vor dem Abgeordnetenhaus in Berlin.

„Wir haben als TMV gerne zur Demonstration für Mindestentgelte für Mietwagen der Taxigruppe Berlin über unsere sozialen Netzwerke aufgerufen. Es ist klasse, dass Taxi-Unternehmer für ihre Interessen auf die Straße gehen. Solche Zeichen braucht es für die Politik“, so Patrick Meinhardt, der Bundesgeschäftsführer des Taxi- und Mietwagenverbandes Deutschland (TMV), der selbst leider aufgrund seines Long-Covid-Reha-Aufenthaltes nicht dabei sein konnte.

Der TMV war mit seinem neuen Büroleiter Philip Schmidt bei der Taxi-Demonstration vor dem Berliner Abgeordnetenhaus vertreten. Zusammen mit Erkan Özmen, einem der Hauptorganisatoren der Taxigruppe Berlin, konnte Philip Schmidt vollkommene Übereinstimmung in der Forderung nach Mindestentgelten bei Mietwagen in Berlin feststellen.

„Wir demonstrieren und kämpfen dafür, dass das Mindestbeförderungsentgelt endlich kommt, damit wir auf gleicher Augenhöhe konkurrieren können. Wettbewerb muss Regeln und Pflichten haben. Wir haben als Taxi-Unternehmer keine Angst vor Konkurrenz, weil wir besser sind“, brachte es Erkan Özmen auf den Punkt.

95 Taxen standen unmittelbar in der Niederkirchener Straße, weitere 60 auf der Stresemannstrasse und mindestens 40 weiteren Taxifahrer hatten ihre Wagen in den umliegenden Straßen abgestellt – insgesamt haben über 200 Taxifahrer und -Fahrerinnen ein klares Zeichen an die Politik gesandt.

„An die 2000 illegale Mietwagen ohne Konzession auf Berlins Straßen und zugleich die offensichtliche Strategie von Uber sich mit dem Einsatz von horrenden Geldmengen durch Sponsoring- und Marketingmaßnahmen in der Hauptstadt einkaufen zu wollen, machen deutlich, welch dringender Handlungsbedarf notwendig ist“, erklärten Patrick Meinhardt und Philip Schmidt für den TMV. tk

Genehmigungsbehörde überprüft alle Mietwagen

Der gesamte Bestand der bei den Vermittlungsdiensten Uber, Bolt und FreeNow registrierten Berliner Mietwagen-Unternehmen und Fahrzeuge soll durch die Genehmigungsbehörde LABO (Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten) zügig bis Ende April überprüft werden.

Darauf hätten sich das LABO und die Vermittlungsdienste am 14. März verständigt, teilte die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung (SenMVKU) mit. Ergebe die Prüfung, dass keine Genehmigung vorliegt, werden die Vermittler die betreffenden Unternehmen und Fahrzeuge vom Geschäft mit ihnen ausschließen. Die Prüfung soll bis Ende April 2024 abgeschlossen sein. Vor einem halben Jahr hatten LABO und Vermittlungsdienste bereits vereinbart, alle neu bei den Diensten angemeldeten Unternehmen und Fahrzeuge durch das LABO dahingehend überprüfen zu lassen, ob eine gültige Genehmigung vorliegt.

Mit der jetzt geplanten Bestandsüberprüfung und bei Beibehaltung der Zugangskontrollen bestehe für Mietwagen-Unternehmen ohne Genehmigung keine Möglichkeit mehr, über die Vermittlungsplattformen Fahrtaufträge zu erhalten, hob die Senatsverwaltung hervor.

Das Fass zum Überlaufen gebracht hat möglicherweise ein Bericht von „Tagesspiegel Background“ vom 12. März, der über Wochen inkognito in einer WhatsApp-Gruppe von Mietwagen-Fahrern mitgelesen hat. Danach schleusen Fahrer unter anderem Einnahmen am Finanzamt vorbei, fahren mit nicht ausreichend versicherten Privat-Pkw oder beziehen gleichzeitig Bürgergeld, ohne ihre Tätigkeit aber dem Jobcenter zu melden. Ein besonderes Problem seien „18-Monats-GmbHs“: Wenn der Unternehmer nach zwei Jahren Einkommensteuer zahlen soll, ist die Firma längst pleite oder auf Verwandte überschrieben.

Das LABO war in den vergangenen Wochen immer stärker unter Druck geraten, weil es allem Anschein nach Mietwagen-Konzessionen erteilt hatte, ohne die Anträge und die Antragsteller sorgfältig zu prüfen. Die mitregierende SPD will deshalb den Senat auffordern, härter durchzugreifen. roe

Problem der Flughafen-Taxis am BER soll angegangen werden

Landkreis LDS und Berlin arbeiten an einer besseren Lösung für die Berliner Taxifahrer.

Wie die Berliner Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey auf ihrer Facebook-Seite mitteilte, verständigte sich der neue Landrat des Landkreises Dahme-Spreewald (LDS), Sven Herzberger, mit Giffey und Verkehrsenatorin Manja Schreiner bei einem Besuch in der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft darauf, zügig an einer besseren Lösung für die Berliner Taxifahrer am Berliner Hauptstadtflughafen zu arbeiten. Ziel solle es sein, die Leerfahrten zu reduzieren, ein besseres Serviceangebot für die Gäste zu erreichen und den steigenden Fluggastzahlen gerecht zu werden.

Derzeit haben nur jeweils 500 Taxis aus Berlin und LDS eine Genehmigung, am Flughafen auf Fahrgäste zu warten. Taxis, die keine Genehmigung haben und nur Fahrgäste zum Flughafen bringen, müssen leer zurückfahren. Vom Fahrgast zum Flughafen bestellte Taxis sind ausgenommen. roe

Illegale Mietwagenunternehmen in Berlin anscheinend unbelehrbar

Trotz angekündigter Überprüfung durch die Berliner Genehmigungsbehörde LABO haben illegale Mietwagenunternehmen in großem Umfang versucht, sich bei den großen Plattformen neu für die Vermittlung registrieren zu lassen.

Wie die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung (SenMVKU) auf Anfrage von Taxi heute mitteilte, haben die Plattformanbieter Uber, Bolt und FreeNow seit dem 1. August 2023 dem Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) insgesamt 484 neue Unternehmen zur Überprüfung gemeldet. Hiervon besaßen 165 (34,1 Prozent) keine gültige Genehmigung. Die 484 Unternehmen umfassten 5043 Fahrzeuge, wovon 2873 (57 Prozent) nicht genehmigt waren.

Die Senatsverwaltung hatte im vergangenen Sommer mit Uber, Bolt und FreeNow vereinbart, dass alle Unternehmen, die sich für die Vermittlung durch die Plattformen neu registrieren lassen wollen, vom LABO auf gültige Genehmigungen für Unternehmen und Fahrzeuge überprüft werden. Damit solle gewährleistet werden, dass tatsächlich nur noch an solche Unternehmen und Fahrzeuge Aufträge vermittelt werden, die über eine Genehmigung des LABO nach dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG) verfügen, hieß es damals. Die Vereinbarung sei ein weiterer wichtiger Schritt, um den Kontrolldruck gegen illegal agierende Unternehmen im Mietwagen-Gewerbe zu erhöhen.

Die ergänzende Überprüfung der Bestandsflotte, die Mitte März 2024 zwischen dem Land und den Plattform-Anbietern vereinbart worden war, wird erst Ende April abgeschlossen. Die Senatsverwaltung wollte auch noch keinen Zwischenstand mitteilen. Schätzungen zufolge gibt es in Berlin mehr als 1000 illegale Mietwagen, die für die großen Plattformen fahren. roe

SPD plädiert für Reformen bei Taxi- und Mietwagen

Die Berliner SPD will mit einem Entschließungsantrag den Senat zu Reformen im Taxi- und Mietwagenwesen drängen. Zudem sollen die Kontrollen durch die Behörden forciert werden.

Der Antrag, der am Abend des 4. März auf einer Veranstaltung der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus Branchenvertretern und anderen Interessierten vorgestellt wurde, sieht unter anderem eine Stärkung der Aufsicht durch die zuständigen Behörden vor. Tino Schopf, der für Verkehr zuständige Sprecher der Fraktion, berichtete von gravierenden Missständen speziell bei der Genehmigungsbehörde (Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten/LABO), die er bei einer Akteneinsicht habe feststellen müssen. Es fehle dort unter anderem jeglicher Überblick über die erteilten Mietwagenkonzessionen.

„Das war so katastrophal, wie ich es mir nicht vorstellen konnte“, sagte Schopf. Inhaltlich geprüft worden seien Anträge anscheinend auch nicht. Problem seien daher nicht nur die geschätzt 1.000 bis 2.000 Mietwagen ohne jegliche Konzession, sondern auch die mehr als 4.000 Mietwagen mit Konzession.

Im Antrag werden auch Verbundkontrollen von Polizei, Zoll und LABO gefordert, weil anscheinend Hinweise einer Behörde auf Missstände außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs, die bei Kontrollen festgestellt werden, von der jeweils zuständigen Behörde nicht weiterverfolgt werden.

Kontrovers diskutiert wurde das Vorgehen bei einem Mindestbeförderungsentgelt für Mietwagen. Schopf sprach sich dafür aus, nur eine wirklich rechtssichere Lösung umzusetzen – aktuell werden alle Mindestentgelt-Regelungen in anderen Städten von Mietwagen-basierten Plattformen angefochten. Hermann Waldner, Inhaber der Berliner Taxizentrale und Vizepräsident des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen (BVTM), und andere Branchenvertreter plädierten hingegen dafür, lieber schnell zu agieren, weil jeder Tag zähle, um das Taxigewerbe vor dem schrittweisen Aussterben zu schützen.

Die SPD-Fraktion bemüht sich jetzt um Zustimmung des Koalitionspartners CDU. roe

◂ Heft-Navigation ▸

Artikel Berliner Taxi-Revolution?
Seite 8 bis 11 | Rubrik Gewerbepolitik
Logobanner Liste (Views)