Kontroverse um mehr Tempo bei Tempo 30: Neue StVO

(dpa/fn) durch Änderungen der Straßenverkehrsordnung haben Kommunen mehr Möglichkeiten zur Einrichtung von Busspuren, Fahrradwege und Tempo-30-Zonen. Das beobachtet die Autolobby mit gemischten Gefühlen - und bringt das Argument der Ausweichverkehre ins Spiel. Der Städtetag fordert noch mehr eigenen Spielraum bei den Entscheidungen.

Mehr Tempo für weniger Tempo: Die Kommunen wünschen sich noch mehr eigenen Entscheidungsspielraum bei Einrichtung von Tempo-30-Zonen. (Foto: ADAC)
Mehr Tempo für weniger Tempo: Die Kommunen wünschen sich noch mehr eigenen Entscheidungsspielraum bei Einrichtung von Tempo-30-Zonen. (Foto: ADAC)
Franziska Neuner
(erschienen bei VISION mobility von Johannes Reichel)

Der Autofahrerverband ADAC warnt vor einer Zunahme von Tempo-30-Zonen in Rheinland-Pfalz. Ein Tempolimit in Wohngebieten habe sich bewährt. Der Verkehr werde dort beruhigt, Fußgänger und Radfahrer fühlten sich sicherer, teilt ein Sprecher des ADAC Mittelrhein der Deutschen Presse-Agentur mit. Auch die Anordnung von Tempo 30 vor Schulen oder Kindergärten an Hauptverkehrsstraßen könne sinnvoll sein. Ein generelles Tempolimit von 30 Kilometern pro Stunde gerade auf Hauptverkehrsstraßen habe dagegen einen negativen Effekt. 

Schleichwege durch Wohngebiete würden dadurch attraktiver, weil sie kürzere Fahrzeiten versprechen, erklärt ein Sprecher des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs. Bei Tempo 50 könnten Hauptverkehrsstraßen den Verkehr dagegen weiterhin bündeln. «Auf diesen Straßen sollte der Verkehr fließen, damit er nicht abwandert, denn das kann wirklich niemand wollen.» Außerdem erzeuge gleichmäßig fließender Verkehr weniger Lärm als häufig abbremsende und wieder anfahrende Fahrzeuge.

StVO-Änderung macht mehr Tempo-30-Zonen möglich

Aufgrund von Neuregelungen im Straßenverkehrsrecht haben Kommunen mehr Möglichkeiten, Busspuren, Fahrradwege und Tempo-30-Zonen zu schaffen. Das Tempolimit ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Tempo-30-Zonen können etwa im unmittelbaren Umfeld von Kitas, Schulen, Pflegeheimen oder Krankenhäusern eingerichtet werden. Die Möglichkeiten werden mit den Änderungen der Straßenverkehrsordnung ausgeweitet auf das Umfeld von Spielplätzen und Zebrastreifen und auf «hochfrequentierte Schulwege» - also nicht nur direkt vor Schulen, sondern auch auf dem Weg dahin darf der Verkehr gebremst werden. Zwei Tempo-30-Zonen sollen auch leichter verbunden werden dürfen. Bisher durften sie maximal 300 Meter auseinander liegen, nun können es bis zu 500 Meter sein. Diese Anordnungen müssten immer verhältnismäßig sein, mahnt der ADAC. Es dürfe dadurch nicht zu Beeinträchtigungen der Sicherheit sowie des Verkehrsflusses kommen, auch die Akzeptanz in der Bevölkerung müsse gegeben sein. Es könnten nicht einfach neue Schilder aufgestellt werden.

«Die Verkehrsteilnehmenden müssen verstehen, warum auf einer Straße nun Tempo 30 und nicht Tempo 50 ist.»

32 Anträge aus Kommunen für Tempo 30

Zum Schutz der Anwohner vor Lärm und Abgasen gibt es zahlreiche Anträge aus den rheinland-pfälzischen Kommunen für Tempo-30-Zonen. Beim Landesbetrieb Mobilität seien seit Beginn des vergangenen Jahres 32 entsprechende Anträge eingegangen, teilte Verkehrsministerin Daniela Schmitt (FDP) auf eine parlamentarische Anfrage der AfD-Fraktion in Mainz mit. In elf Fällen sei grünes Licht für eine Genehmigung gegeben worden, fünfmal sei eine Absage erfolgt.

16 Anträge befänden sich noch in der Bearbeitung. Der Landkreis Bad Dürkheim kann nach Angaben der Ministerin vier Tempo-30-Zonen einrichten, der Kreis Mainz-Bingen und der Rhein-Pfalz-Kreis je zwei. Dazu gab es Genehmigungen für die Kreise Ahrweiler, Bad Dürkheim und den Rhein-Lahn-Kreis. Von den 32 gestellten Anträgen hätten fünf zudem nur für die Nachtzeit eine Reduzierung der zulässigen Geschwindigkeit auf 30 Kilometer pro Stunde beinhaltet.

Der Landesbetrieb Mobilität als obere Straßenverkehrsbehörde im Land muss zustimmen, wenn Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm und Abgasen auf Grundlage der Straßenverkehrsordnung beantragt werden. Die an einem Straßenabschnitt konkret zu erwartenden Minderungseffekte werden nach Angaben der Ministerin mit dem für den Straßenverkehrslärm in Deutschland verbindlichen Prognosemodell abgeschätzt. Das Herabsetzen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 auf 30 führe in diesen Berechnungen durchschnittlich zu Minderungen des sogenannten Mittelungspegels zwischen einem und vier Dezibel.

Besondere Lage in ländlichen Regionen

Gerade in ländlichen Regionen, wo sich Orte an Hauptverkehrsachsen angesiedelt haben, würden die Hauptverkehrsströme durch Ortszentren geführt. Jegliche Reduzierung der Fahrgeschwindigkeit bedeute eine Verlängerung der Fahrzeit, betont der ADAC. «Auch dies sollte unserer Einschätzung nach neben dem Sicherheitsaspekt in die Betrachtung mit einfließen.» Ein längerer Weg zur Arbeitsstelle, Schule oder ähnlichem reduziere die Attraktivität eines Standorts für potenzielle Neubürger und Unternehmen.

 «Tempo 30 macht die Luft nicht sauberer, im Gegenteil: Studien zeigen, dass die Schadstoffbelastung bei Tempo 30 teils höher ist als bei Tempo 50», heißt es weiter vom ADAC. Wer Verkehrslärm verringern wolle, müsse an vielen Punkten ansetzen. «Dieses Ziel lässt sich nur durch eine Vielzahl aufeinander abgestimmter Einzelinstrumente von der Fahrzeugtechnik bis zur Verkehrsplanung erreichen.»

Unternehmer lenken Blick auf Leistungsfähigkeit von Hauptverkehrsstraßen 

«Grundsätzlich verstehen wir die Notwendigkeit von Tempolimits in bestimmten Bereichen, etwa vor Schulen oder Spielplätzen, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen», sagt auch der Hauptgeschäftsführer der Landesvereinigung Unternehmerverbände, Karsten Tacke. «Gleichzeitig ist es für Unternehmen, gerade auch in ländlichen Regionen, von größter Bedeutung, dass Hauptverkehrsstraßen leistungsfähig bleiben.» Außerdem dürften solche Tempolimits keinesfalls zu Problemen mit den gesetzlichen Lenk- und Ruhezeiten führen.  Die Auswirkungen von Tempolimits auf die Reduzierung von Emissionen, auf Lärm oder Luftverschmutzung seien zudem nicht eindeutig geklärt. «Insofern ist es entscheidend, dass solche Maßnahmen nicht pauschal umgesetzt werden, sondern nach fundierten Voruntersuchungen», betont Tacke. Auch sei wichtig, dass Ladezonen erhalten blieben, damit der Waren- und Güterverkehr vor Ort nicht behindert werde.

Kommunaler Spitzenverband wünscht sich noch mehr Entscheidungsfreiheit 

Der Städtetag stellte sich dagegen umfänglich hinter die Neuregelung im Straßenverkehrsrecht. Es sei sehr zu begrüßen, dass es für die Kommunen nun größere Spielräume gibt, mehr Tempo 30 anzuordnen, sagt die Geschäftsführende Direktorin, Lisa Diener der dpa. Der kommunale Spitzenverband wünschte sich sogar noch mehr Entscheidungsfreiheit für Städte, damit sie ihre verkehrs- und gesundheitspolitischen Ziele sowie die Stadtentwicklung umsetzen können.

Logobanner Liste (Views)