Thema des Monats: „Nicht die letzten Kühe auch noch melken“

Als die Region Stuttgart kürzlich einen Antrag auf eine drastische Tariferhöhung stellte, meldete sich darüber gleich das Taxigewerbe des ganzen „Ländles“ zu Wort. Einige Gemeinden zogen nach, andere halten Preiserhöhungen zum jetzigen Zeitpunkt für kontraproduktiv. Lesen Sie die Argumente der Befürworter und Gegner und stimmen Sie anschließend selbst bei unserer Frage des Monats ab.
Redaktion (allg.)

Den Stein ins Rollen brachte die Landeshauptstadt. Der dortige Verband der Taxiunternehmer Region Stuttgart e.V. stellte den Antrag, den Tarif um etwa 20% zu erhöhen und zwischen 22 und 4 Uhr einen Nachtzuschlag einzuführen. Begründet wurde die Erhöhung mit deutlich gestiegenen Betriebskosten. Dietmar Plag, Chef der Stuttgarter Taxizentrale, spricht von einer neunprozentigen Kostensteigerung, die eine Preiserhöhung aus betriebswirtschaftlicher Sicht schon lange nötig mache. Die letzte Preiserhöhung läge auch bereits mehrere Jahre zurück. In dieselbe Kerbe schlägt auch Peter Kristan, Chef des Landesverbandes: Das Taxi fahren sei im Verhältnis zu den Betriebs- und Lebenshaltungskosten um 50% billiger als in den siebziger Jahren. Während sich die Kosten fast verdoppelt hätten, seien die Taxitarife in den letzten fünf Jahren fast gleich geblieben. Dazu fahre ein Taxi heute nur mehr durchschnittlich zehn Touren pro Schicht, während es vor dreißig Jahren noch bis zu 40 gewesen seien. Schuld an dieser Entwicklung seien ein ständig ausgebautes und verbessertes Nahverkehrssystem, sowie die Tatsache, dass jeder Haushalt inzwischen über mindestens ein eigenes Auto verfüge. Im ländlichen Bereich macht darüber hinaus den dortigen Unternehmern der Wegfall eines Großteils der Krankenfahrten schwer zu schaffen. Deshalb haben in Südbaden auch die Kreise Emmendingen und Rastatt Tariferhöhungen um 15% beantragt. Sollte man damit durchkommen, dürften andere Gemeinden nachziehen. Bernd Klug vom Verband des Verkehrsgewerbes Südbaden erwartet dann eine regelrechte „Tarifwelle“. Erst mal die Betriebskosten senken Doch nicht alle Taxiverantwortlichen in Baden Württemberg glauben an eine wirtschaftliche Verbesserung durch Tariferhöhungen. Viele, wie beispielsweise Roland Koffler, Geschäftsführer der Taxizentrale Karlsruhe, befürchten einen weiteren Fahrgastrückgang. Andere halten Preiserhöhungen im Dienstleistungssektor zum jetzigen Zeitpunkt für nicht durchsetzbar. Alternativ dazu müsse man weiterhin an der Kostenschraube drehen. Preissteigerungen beim Diesel können beispielsweise durch die Anschaffung von Fahrzeugen mit geringeren Verbrauch kompensiert werden, rät ein Mannheimer Taxiunternehmer. Die Diskussion über Tariferhöhungen spaltet nicht nur die Taxibranche in Baden Württemberg, sondern ist auch bundesweit in vollem Gange. Besonders in Großstädten findet man ebenso viele Befürworter wie Gegner. In Berlin zum Beispiel wird man laut Aussage der dortigen Innungsvertreter auf Dauer nicht um eine Preiserhöhung herumkommen, was der Taxiverband Berlin entschieden zurückweist: „Unsere Fahrgäste sind nicht durchweg zwanghaft auf das Taxigewerbe angewiesen, als dass sie nach Preiserhöhungen nicht schmerzhafte Konsequenzen ziehen könnten“, wird Michael Gatowski in einem Beitrag der Berliner Zeitung zitiert. Darüber hinaus fragt Herr Gatowski, wie man den Berliner Fahrgästen eine Tariferhöhung erklären will, wenn gleichzeitig immer mehr überalterte Taxis durch die Straßen rollen und einige Fahrer nach langen Standzeiten aggressiv sind. Man solle daher nicht den Fehler machen, die letzten Kühe, die auf der Wiese grasen, auch noch zu melken.“ Fünf Euro Einstiegspreis Eine Tariferhöhung ohne Imageverlust der Öffentlichkeit verständlich zu machen, fällt oft schwer. Preissteigerungen haben meist eine negative Presse zur Folge. Egal, ob es nun 10 oder 25 Prozent sind. Erschwerend kommt hinzu, dass man sich am Preis der Kurzfahrt orientiert, der in den meisten Gemeinden am teuersten ist. Im Kreis Bernburg hat man bei der kürzlich durchgesetzten Erhöhung den Grundpreis inklusive der ersten drei Kilometer definiert. Wer dort also in ein Taxi steigt, beginnt die Fahrt mit fünf Euro. Erst nach dem dritten Kilometer erhöht sich der Fahrpreis um 1,30 Euro pro gefahrenen Kilometer. Vergleicht man das mit dem bisherigen Preis, kosten drei Kilometer gerade mal 10 Cent mehr als bisher. Nur die Grundgebühr lag bisher bei 2,10 Euro. Man darf gespannt sein, ob es den Bernsburger Taxigewerbe gelingt, dies der Presse und der Kundschaft zu erklären. Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang die Preise erhöht werden, trifft immer die für die Region zuständige Ordnungsgemeinde. Oftmals nicht in der vom Gewerbe geforderten Höhe. In Celle wurde schon im letzten Juni der Grundpreis von 2 Euro auf 2,20 Euro angehoben. Die Celler Taxiunternehmer hatten allerdings auf eine Erhöhung auf 2,50 Euro gehofft und sind jetzt dementsprechend unzufrieden. Noch barscher fiel die Reaktion in Hamburg auf eine genehmigte Tariferhöhung um knapp vier Prozent aus. Diese Erhöhung sei die Kosten für die Eichgebühren nicht wert, lamentierten viele Hamburger Unternehmer und protestierten mit einem großen Hupkonzert vor der zuständigen Hamburger Behörde. Auch in der Hansestadt argumentiert man mit den drastisch gestiegenen Betriebskosten und den skandalös niedrigen Stundenlöhnen, die derzeit nur noch bei 5-7 Euro lägen. Um das zu beweisen, startete man kürzlich sogar eine bisher einzigartige Untersuchung: 150 Taxiunternehmer und Taxifahrer lassen sich freiwillig einmal pro Woche alle Taxameter-Daten auslesen. Ausgewertet werden diese Daten von einer unabhängigen Marktforschungsgesellschaft. Mehr zu dieser Untersuchung können Sie in der nächsten Print-Ausgabe der taxi heute nachlesen, die am 20. April erscheint. In Kassel übrigens ist man bei der Tarifanpassung einen völlig gegensätzlichen Weg gegangen: Seit 1. Februar sind längere Strecken günstiger. Die nächsten Monate werden zeigen, ob man in Deutschlands Mitte damit die Nachfrage beleben konnte. Sollte das der Fall sein, dürfte die Diskussion über Sinn und Unsinn von Preiserhöhungen um ein schlagkräftiges Argument reicher geworden sein. Diskutieren Sie mit! Bei unserer Frage des Monats haben Sie den ganzen April über die Möglichkeit, uns ihren Standpunkt mitzuteilen: Halten Sie eine Tariferhöhung zum jetzigen Zeitpunkt für notwendig oder nicht?

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