Wer aufmerksam ist, sieht neue Chancen

Mit Liegend- und Rollstuhlfahrten hat Taxi Priwitzer die Corona-Zeit gut überstanden. Jetzt baut das Unternehmen seine
Dienstleistungen für andere Betriebe aus.

In einem ehemaligen Fernsehgeschäft gegenüber dem Betriebssitz ist die Disposition mit vier Arbeitsplätzen untergebracht, wo mit der Software von SuE-Software gearbeitet wird. Bild: Dietmar Fund
In einem ehemaligen Fernsehgeschäft gegenüber dem Betriebssitz ist die Disposition mit vier Arbeitsplätzen untergebracht, wo mit der Software von SuE-Software gearbeitet wird. Bild: Dietmar Fund
Dietmar Fund
Firmenstrategien

Im Weinstädtchen Bernkastel-Kues an der Mosel mit knapp 30.000 Einwohnern besteht seit 2020 die Priwitzer Dienstleistungs-GmbH mit ihren drei Sparten Disposition, Buchhaltung und Reifenhandel. Unter diesem Firmendach zusammengefasst sind die Taxi Priwitzer GmbH in Bernkastel, die Taxi Edring GmbH in Bernkastel, Traben-Trarbach, Kröv und Wittlich sowie die Medimobil GmbH in Bernkastel und Idar-Oberstein. Hinter dieser klaren Holding-Struktur würde man eher einen smarten Herrn im gesetzten Alter als einen 30 Jahre jungen Firmenchef vermuten. Er heißt Manuel Priwitzer und hatte das Glück, dass ihm nach abgelegter Unternehmerprüfung im Januar 2014 erste Verantwortung für das 1982 von seinem Vater Thomas Priwitzer gegründete Unternehmen übertragen wurde. Zuvor hatte sich der Junior dem Wunsch des Seniors widersetzt, Kfz-Schlosser zu werden und danach das Unternehmen fortzuführen. Stattdessen hatte er Betriebselektriker gelernt. „Mein Vater hat mich damals dazu bewegt, ein anderes Unternehmen mit drei Taxis zuzukaufen und mit denen durfte ich ‚spielen‘, weil eine Bruchlandung dort nicht so schlimm gewesen wäre wie mit seinen 14 Taxis im Hauptbetrieb Taxi Priwitzer“, erzählt der Juniorchef. Er selbst kaufte dann 2015 einen Betrieb in Traben-Trarbach, 2018 einen weiteren in Wittlich und 2023 einen in Kröv hinzu. Im Januar 2019 gründete er die Medimobil GmbH, um Tragestuhlfahrten und Liegendtransporte anzubieten. Da der Sohn auf seiner „Spielwiese“ Erfolg hatte, ist der Vater seit 2018 nicht mehr im operativen Geschäft, sondern allenfalls noch beratend tätig.

Dass er damals „alles auf ein Pferd gesetzt hat“, obwohl doch der Beruf Betriebselektriker „sein Leben ist“, hat Manuel Priwitzer seither nicht bereut, auch nicht in der schwierigen Corona-Zeit. „Wir haben früh die Notbremse gezogen und sind hinterher auch früh wieder gestartet“, sagt er rückblickend. „Die ersten Fahrzeuge habe ich schnell abgemeldet und statt je einen Nachtfahrer pro Standort nur noch einen für alle Standorte eingesetzt.

Mobile Corona-Tests brachten Umsatz

Die ersten Monate habe ich Tag- und Nachtschichten mitgefahren. Für die Mitarbeiter habe ich eine eigene Seite mit Corona-Infos so eingerichtet, dass man das Behördendeutsch auch verstehen kann.“ Das Stammpersonal, das größtenteils aus Ganztageskräften besteht, habe Kurzarbeitergeld bezogen und habe auch mit Teildiensten mitgezogen. Zum Teil seien Mitarbeiter vom Taxi auf die Liegendtransporte umgesetzt worden, bei denen der Bedarf gleichgeblieben sei.

Mit drei umgebauten Fahrzeugen der Medimobil GmbH konnte Priwitzer dann mobile Corona-Tests anbieten. Seine Fahrer und Fahrerinnen brachten Testpersonal und Equipment zu den Teststationen der Kommunen und halfen dort bei der Datenerfassung. „Mein Hauptziel war, so die Taxifahrer zu beschäftigen, aber das hat sich auch gelohnt“, bilanziert der Jungunternehmer. „Selbst Hoteliers fragten bei uns nach, um ihr Personal testen zu lassen. Das hat den Ruf des Taxigewerbes gefestigt.“ Die Touren im Moseltal und in den Hunsrück liefen, bis im März 2022 die kostenlosen Tests abgeschafft wurden. Wegen des danach hohen Verwaltungsaufwands wurde nur noch für Krankenhäuser und Altenheime gefahren und zwei der Liege-Mietwagen wurden mit Laufleistungen von rund 300.000 Kilometern gebraucht abgestoßen. Die Medimobil GmbH konzentriert sich jetzt mit je sechs Ford Transit Custom an ihren beiden Standorten wieder auf Krankenhäuser. „An diesen Service traut sich keiner ran, weil es schwierig ist, ihn gut zu machen“, bilanziert Manuel Priwitzer. „Dieser Betriebsbereich ist vom Umsatz her der größte, wobei man dort aber auch den Einsatz von jeweils zwei Leuten berücksichtigen muss. Auf jeden Fall sind diese Krankentransporte das stabilste Geschäft.“

Herkömmliche Krankentransporte spielen in der ländlichen Region natürlich auch eine große Rolle. Seit ein großes Rehazentrum vor Ort im Juni 2020 einen eigenen Fahrdienst einrichtete, sind dort nur noch Spitzen abzudecken. Manuel Priwitzer reagierte, indem er mit Rollstuhlfahrzeugen, die er früher nicht haben wollte, bei Seniorenheimen und Behinderteneinrichtungen einen neuen Markt aufgetan hat. Mittlerweile sind ein gutes Dutzend solcher Caddy Maxi mit Heckeinstieg täglich im Einsatz, die zum Teil auch als Taxi konzessioniert sind.

„Corona hat uns gelehrt, mit Personal-Einsatzzeiten bewusster umzugehen“, berichtet Priwitzer. „Heute plant meine ‚rechte Hand‘ Sebastian Jost als Leiter unserer Disposition immer zwei Wochen im Voraus, wer wann in welcher der beiden Schichten zwischen 6 und 18 und zwischen 18 und 6 Uhr arbeitet. Am Vorabend legt er fest, wer am nächsten Tag schon um 6 Uhr anfangen muss und wer erst um 7 oder 8 Uhr gebraucht wird.“ Den Online-Dienstplan wie auch einige andere Dinge hat Manuel Priwitzer selbst programmiert. Er ist im Aufenthaltsraum auf einem Bildschirm zu sehen. Die Fahrerinnen und Fahrer können sich aber am Vorabend auch von unterwegs auf ihrem Smartphone einloggen und dann sogar frühere Arbeitszeiten einsehen oder Wünsche nach freien Tagen oder Urlaubstagen äußern. In der Regel werden die 169 Beschäftigten, von denen drei Viertel ganztags arbeiten, so eingesetzt, dass sie immer wieder drei Tage am Stück frei haben, damit sie zum Beispiel für Behördengänge keine Urlaubstage opfern müssen.

Morgens sind die Fahrzeuge in der Regel gewaschen, weil ein Mitarbeiter abends die Fahrzeugwäsche übernimmt. Die Autos werden nicht fest zugewiesen, weil Manuel Priwitzer der Meinung ist, dass auftretende Defekte so früher wahrgenommen werden. Damit die Fahrzeuge dennoch sauber und gepflegt bei der Kundschaft ankommen, prüft eine Mitarbeiterin aus der Verwaltung regelmäßig bei den Standplätzen die Sauberkeit der Fahrzeuge.

Die Firmengruppe disponiert die Fahrzeuge all ihrer Betriebszweige mit einer Software von SuE-Software, die schon der Firmengründer in Teilen genutzt hat. Bestellungen werden heute hauptsächlich telefonisch, noch selten über die App Taxi Deutschland sowie über eine Buchungsplattform für Firmenkunden wie Hotels oder Krankenhäuser entgegengenommen. Über das Buchungsportal der Firma SuE-Software können die Kundinnen und Kunden ihre Bestellung noch bis zu einer Stunde vor dem Termin bearbeiten. Kommuniziert wird auch über das Portal. Hier bekommt der Kunde direkt eine Rückmeldung, wann das Fahrzeug bei ihm eintreffen wird.

Seit Jahresbeginn arbeitet Manuel Priwitzer daran, über die Priwitzer Dienstleistungs GmbH weiteren Kollegen und Kolleginnen die Fremdvermittlung anzubieten, mit der 2015 begonnen wurde. Sie müssen dann nur selbst die Software von SuE-Software beziehen und auf ihrem Server installieren. Alternativ bietet Priwitzer auch Mietserver in seinem Netzwerk an. Disponenten aus Bernkastel schauen sich dann vor Ort markante Punkte und Besonderheiten an und hinterlegen die wichtigsten Anlaufpunkte wie Kneipen im System. Über die Software wird das Gebiet in Zonen eingeteilt. Danach sieht die Disposition, ob in einer Zone ein Fahrzeug frei ist, ob dort bald eines frei wird und ob eines in einer Nachbarzone gerade frei ist.

Die Fremdvermittlung
ist sehr variabel

Ob ein Rollstuhlfahrzeug gebraucht wird, kann man über die Software ebenfalls eingeben. Die Fremdvermittlung kann man je nach Bedarf nur zur Abdeckung von Spitzen nutzen oder aber, um ohne eigenen Disponenten auszukommen.

„Wie hoch die Kosten pro Auto für die Fremdvermittlung sind, kommt ganz auf den Betrieb an“, erklärt Manuel Priwitzer. „Wir machen das eher individuell vom Betrieb und seinen Anforderungen abhängig.“ Einer seiner ersten Kunden nutze die Unterstützung nur an Wochenenden von Freitag bis Sonntag, sein kleinster habe vier Autos und fahre noch selbst mit. Sein größter Kunde habe mehrere Unternehmen mit über 30 Fahrzeugen. Prinzipiell bietet ihnen die Dienstleistungs-GmbH auch weitere Bausteine wie die Buchhaltung oder die Abrechnung von Krankenfahrten an, aber dieses Komplettpaket hat bisher nur ein Unternehmer genutzt. „Das Gefühl, hier alles abzugeben, ist offenbar ein Hemmschuh“, sagt Manuel Priwitzer. Erlebt hat er auch schon, dass sich fünf Taxiunternehmer untereinander zerstritten haben, weil sie befürchteten, dass es bei der Vergabe von Fahrten nicht gerecht zugehe. „Dieser Schoppenneid, wie wir hier sagen, ist mir fremd“, erklärt Manuel Priwitzer. „Mir sind weniger Fahrten mit mehr Gewinn im Zweifelsfall wichtiger. Ein externer Disponent ist hier neutral. Außerdem kann man über das System nachweisen, wer wie viele Fahrten bekommen hat.“ Anfang 2023 wurden drei Disponenten von SuE-Software besonders geschult und wickeln jetzt die technische Kunden-Hotline für den Software-Anbieter ab.

Um die Unternehmensgruppe erweitern zu können, hat Priwitzer für das bisher gemietete Gebäude, in dem seine Zentrale untergebracht ist, ein Vorkaufsrecht vereinbart. In einem Besprechungsraum könnte er zwei weitere Dispo-Arbeitsplätze einrichten. Einen angrenzenden Hof, auf dem Platz für die Errichtung einer größeren Werkstatt wäre, hat er bereits gekauft. df

Pfiffiger Radanhänger nach eigenen Ideen

Der Tandem-Achs-Anhänger, den Manuel Priwitzer mit einem örtlichen Metallbauer entwickelt hat, kann je sechs E-Bikes in zwei einander gegenüberliegenden Reihen aufnehmen. Er ist so konzipiert, dass man ihn vom Gewicht her noch mit dem aktuellen Pkw-Führerschein der Klasse B mit einem Transporter ziehen darf (siehe Seite 20).

Die beiden Tüftler verwendeten ein Fahrgestell des niederländischen Fahrzeugbauers Eduard. Der Aufbau besteht aus halbschalenförmigen Rohren, in die der Fahrer oder die Fahrerin das Vorderrad stellt, um dann das Rad einfach nach oben beziehungsweise nach vorne zu schieben. Damit die Streben, an denen die Räder gesichert werden, deren Lack nicht zerkratzen können, sind sie mit simplen Kunststoff-Isolierungen ummantelt, die sonst im Heizungsbau zur Dämmung eingesetzt werden.

Manuel Priwitzer setzt selbst drei solcher Radanhänger ein und bringt mit diesen zum Beispiel Gruppen, die per Schiff anlanden, samt ihren Rädern ins Städtchen Daun zum hoch gelegenen Ausgangspunkt des Maare-Mosel-Radwegs in der Eifel. Er wurde auf einer ehemaligen Bahnstrecke angelegt und endet in Bernkastel-Kues.

In dieser Richtung kann man es weitgehend „rollen lassen“. Manuel Priwitzer hat den Anhänger bewusst für zwölf E-Bikes konzipiert, weil er deren Besitzerinnen und Besitzer auf acht Fahrgastsitzen im Zugfahrzeug und in einem zusätzlichen Taxi befördern kann. Den Radanhänger hätten sie auch schon an einige Kollegen verkauft, berichtete er.

Große Zufriedenheit mit dem Werkstattpartner

Was die Fahrzeuge angeht, arbeitet die Firmengruppe hauptsächlich mit dem Autohaus der Scherer-Gruppe in Kastellaun zusammen. Dessen Hol- und Bringdienst überführt mehrmals die Woche Autos zur Inspektion. Sehr zufrieden ist Manuel Priwitzer mit dem Skoda Superb und seinem großen Platzangebot, obwohl er diesen Typ jedes Mal auf eigene Faust zur Umrüstung bei INTAX bringen muss. Außerdem setzt die Firmengruppe auf T6.1 sowie den Caddy Maxi von Volkswagen Nutzfahrzeuge. Als HALE-Partner konnte die Werkstatt der Priwitzer Dienstleistungs GmbH auch zwei Elektroautos vom Typ Skoda Enyaq mit allen nötigen Einbauten versehen, aber für die Konformitätserklärung musste sie den weiten Umweg über Femotax in Bremen nehmen, weil sich das Eichamt in Bad Kreuznach querstellt. Wäre das nicht so, könnte die Werkstatt sogar als Umrüster tätig werden.

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Seite 18 bis 20 | Rubrik Unternehmensführung
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