Gericht verbietet Konzessionsstopp bei Taxis
Thema des Monats Juli 2013
Ein aktuelles Urteil aus Köln beweist: Die jahrzehntelange Praxis des Konzessionsstopps hängt am seidenen Faden. Solange Genehmigungen zu hohen zweistelligen Beträgen gehandelt werden, könne man nicht von einer mangelnden Funktionsfähigkeit sprechen.
Seit etwa 20 Jahren ist in Köln die Anzahl der Taxikonzessionen auf knapp über 1.200 Taxis begrenzt. Da seit 1993 keine neuen Taxikonzessionen von der Stadt erteilt wurden, können Interessierte eine Konzession nur erhalten, wenn sie diese von einem Taxiunternehmer, der seinen Betrieb aufgeben will, abkaufen. In Köln kosten solche Genehmigungen rund 80.000 Euro. Eine solche Summe wollte eine Person „X“ nun aber nicht bezahlen und beantragte deshalb die Erteilung einer Taxikonzession bei der Stadt Köln. Die subjektiven Voraussetzungen, die laut § 13, Absatz 1 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) durch den Neubewerber erbracht werden müssen, wurden in diesem Fall ohne Beanstandungen erfüllt.
Trotzdem lehnte die Stadt Köln eine Konzessionserteilung ab, indem man sich auf den § 13, Absatz 4 des PBefG berief. Dort heißt es, dass Neukonzessionen an Taxis nur dann erteilt werden dürfen, wenn die Funktionsfähigkeit des Gewerbes dadurch nicht gefährdet sei. Man müsse nämlich Taxikonzessionen nach dem so genannten Prioritätsgrundsatz vergeben, also in der Reihenfolge der eingegangen Bewerbungen. Aufgrund der Tatsache, dass in Köln schon seit vielen Jahren keine Genehmigungen mehr erteilt werden, müsste die Stadt also zunächst einmal alle 795 Bewerber vor „Herrn X“ berücksichtigen. Bei einer solchen Anzahl an zusätzlichen Genehmigungen wäre die Funktionsfähigkeit gefährdet.
Was zunächst einmal logisch klingt, ist vor Gericht keineswegs rechtssicher. Die hier angesprochene „Warteliste“ hat nämlich immer das Problem, dass man nie genau sagen kann, wie viele der Altbewerber zum Zeitpunkt des Konzessionsantrags des Neubewerbers tatsächlich noch Interesse an der Erteilung einer solchen Konzession haben. Im besagten Urteil des VG Köln (AZ 18 K 6314/11) vom 3. Juni 2013 hatte die Stadt nur schätzen können, auf welchen Platz der Warteliste der klagende Neubewerber tatsächlich steht. Wie unübersichtlich das tatsächliche Ranking innerhalb der Warteliste ist, zeigt nachfolgender Absatz aus der Urteilsbegründung:
„Hinsichtlich der Anzahl der Listenbewerber hat die Beklagte (Anm. der Redaktion: die Stadt Köln) eine Schätzung vorgelegt, wonach der Kläger auf Platz 291 der Liste der Bewerber um eine erste Konzession steht, sofern man die 231 Anträge, bei denen innerhalb der gesetzten Frist nicht geklärt werden konnte, ob noch ein Interesse besteht, nicht berücksichtigt. Bei den Bewerbern um eine weitere Konzession gingen dem Kläger 112 Interessenten mit geklärtem Interesse vor. Außerdem seien noch 32 Bewerber um eine weitere Konzession zu berücksichtigen, bei denen nicht sicher habe festgestellt werden können, ob noch ein Interesse bestehe.“
Für Genehmigungsbehörden bedeuten Wartelisten also einen enormen Verwaltungsaufwand. Theoretisch wären sie gezwungen, bei jedem Neuantrag zunächst alle Altbewerber aufs Neue abzufragen, ob noch Interesse besteht bzw. die subjektiven Voraussetzungen gegeben sind. 2010 in Baden-Baden und 2012 in Stuttgart wurden bei ähnlichen Klagen auf Konzessionserteilung die Wartelisten nicht anerkannt.
Beim aktuellen Kölner Urteil stand allerdings nicht die Warteliste im Mittelpunkt, sondern die Begründung der Stadt, warum sie bei Erteilung weiterer Taxikonzessionen die Funktionsfähigkeit gefährdet sieht.
In einer Pressemitteilung des Kölner Verwaltungsgerichts zu diesem Urteil heißt es: „Die Stadt Köln habe nicht hinreichend belegt, dass die Funktionsfähigkeit des Taxigewerbes in Köln bedroht sei, wenn diese Konzession erteilt werde. Ein zu diesem Zweck von der Stadt Köln eingeholtes Gutachten enthalte keine hinreichend tragfähigen Feststellungen.“
Um das zu verstehen, muss man sich den §13, Absatz 4 des PBefG genau anschauen. Dort sind beispielhaft vier Kriterien für die Bewertung der Funktionsfähigkeit definiert:
1. die Nachfrage nach Beförderungsaufträgen im Taxiverkehr
2. die Taxidichte
3. die Entwicklung der Ertrags- und Kostenlage unter Einbeziehung der Einsatzzeit
4. die Anzahl und Ursachen der Geschäftsaufgaben.
Die Stadt Köln hatte diese Faktoren 2009 anhand eines Gutachtens der Firma Linne & Krause bewerten lassen und dabei die Empfehlung erhalten, die Anzahl der Taxikonzessionen bis Ende 2012 nicht zu erhöhen. Das Gericht bemerkte dazu, dass eine Ausdehnung dieser Prognose ins Jahr 2013 hinein keine Grundlage habe, weil das im Jahr 2009 erstellte Gutachten „vor allem die in den Jahren 2011 und 2012 erfolgte positive Konjunkturentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland und auch in Köln nicht erfassen konnte.“
Neben der Tatsache, dass das Gutachten zeitlich überholt sei, setzte sich das Verwaltungsgericht aber auch sehr kritisch mit der Bewertung der oben erwähnten Kriterien auseinander.
Die Taxidichte beispielsweise sei in Köln unterdurchschnittlich. Sie liege bei 1,22 pro eintausend Einwohner, während der bundesweite Durchschnittswert 1,54 betrage. „Dabei wird auch in den Blick genommen, dass Köln als Messestadt, Medienstadt, Kulturstadt, Tourismusstadt und Stadt des Karnevals jedenfalls keine Anhaltspunkte für einen unterdurchschnittlichen Bedarf an Taxidienstleistungen […] bietet.“
Die Anzahl der Betriebsaufgaben – von der Stadt Köln unter Berufung auf das Gutachten als Hauptargument für einen Konzessionsstopp genannt – betrachtete das Verwaltungsgericht hingegen als „nicht tragfähig“. Das Gutachten hätte in keiner Weise kritisch gewürdigt, dass es „in Köln in den vergangenen 20 Jahren in keinem Fall zu wirklichen Geschäftsaufgaben im Sinne von Marktaustritten gekommen ist, sondern dass die Konzessionen in jedem einzelnen Fall mit dem Betrieb verkauft wurden und es sich deshalb in der Sache um Betriebsübernahmen handelte.“ Das Gericht spielte damit auf die in Köln (und in nahezu allen anderen Gebieten) gängige Praxis des Konzessionshandels an.
In Köln wurden von 2005 bis 2009 insgesamt 521 Konzessionen für hohe zweistellige Eurobeträge veräußert. Dies sei laut Urteilsbegründung eine Geschäftsübernahme, die nicht als Geschäftsaufgabe im Sinne des §13, Absatz 4 PBefG und damit als Indikator für eine mangelnde Funktionsfähigkeit des Taxigewerbes verstanden werden könne. Umso mehr, weil für die Betriebsübernehmer weiterhin die Erwartung bestand, im Taxigewerbe Gewinne erwirtschaften zu können. „Ein rational handelnder Marktteilnehmer würde in einer Situation, in der realistischer weise keine Gewinnerwartungen zu hegen sind, keine derart hohen Beträge für eine Genehmigung investieren.“ Der Leitsatz des Gerichts, der letztendlich auch dazu führte, dass die Stadt Köln dem Neubewerber eine Konzession erteilen muss, lautete daher: „Übernahmen von Taxibetrieben, die in der Weise erfolgen, dass hohe fünfstellige Beträge für die Übernahme der Konzession gezahlt werden, stellen sich regelmäßig nicht als Betriebsaufgaben im Sinne des §13, Abs. 4 Nr. 4 PBefG dar. Dieser Betriebsübernahme kommt daher regelmäßig kein Aussagewert bei der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Taximarkts zu.“
Fazit: Die jahrzehntelange Praxis von Genehmigungsbehörden, Neubewerber unter Hinweis auf eine gestörte Funktionsfähigkeit eine Konzession zu verweigern und sie stattdessen auf eine Warteliste zu setzen, steht juristisch auf sehr wackeligen Beinen. Urteile wie in Köln könnten überall dort drohen, wo ein Bewerber gegen die Konzessionsverweigerung klagt. Die Argumente des Gerichts lassen sich problemlos auf viele andere Städte übertragen. Vor allem auf die Regionen, in denen Konzessionen ebenfalls zu hohen Summen veräußert werden.
Aktualisierung am 11.7.2013: Mittlerweile wurde bekannt, dass der siegreiche Kläger, also der Neubewerber, seine Klage zurückgezogen hat. Da auch die Stadt Köln auf eine Revision verzichtet, kann es sein, dass das Urteil für wirkungslos erklärt wird. Eine abschließende Stellungnahme durch das VG Köln steht dazu noch aus.
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