Im Landkreis Altötting stehen viele Räder still

Die Taxi- und Mietwagenbranche leidet unter dem Lockdown und großstädtische Ideen ziehen im ländlichen Raum nicht.

Einen VW-Bus, eine Limousine und ein Taxi setzt Dieter Hasenkopf noch ein. Drei Mercedes parken in der Garage. Bild: Dietmar Fund
Einen VW-Bus, eine Limousine und ein Taxi setzt Dieter Hasenkopf noch ein. Drei Mercedes parken in der Garage. Bild: Dietmar Fund
Dietmar Fund
Corona-Krise

Mit ländlichen Gemeinden, nur drei Städten mit Hotels und Nachtleben sowie den Industriebetrieben in Gendorf und Burghausen ist der Landkreis Altötting schon zu normalen Zeiten in manchen Ecken ein eher hartes Pflaster für hellelfenbeinfarbene Taxis und meist schwarz lackierte Mietwagen. Seit den Corona-bedingten Ausgangsbeschränkungen ist das „mobile Gewerbe“ kaum noch unterwegs und viele Unternehmer sind zu drastischen Einschränkungen gezwungen. Dieter Hasenkopf aus Kastl feiert im Juli sein 40-jähriges Firmenjubiläum. Der Unternehmer, der seit 2002 gemeinsame Aktivitäten des Gewerbes gegenüber Krankenkassen oder bei Tariferhöhungen koordiniert, setzt normalerweise ein Taxi, vier Mietwagen und einen Kastenwagen ein. Er, seine Frau Ruth als Festangestellte und sieben Aushilfen fuhren bisher hauptsächlich Besucher der Firmen im Industriepark Gendorf zu ihren Hotels, zu Restaurants, zum Bahnhof Mühldorf oder zum Flughafen, wohin auch Aufträge von Reisebüros führten. „Diese Geschäfte sind völlig zum Erliegen gekommen und der Flughafentransfer ist eingeschlafen“, berichtet Hasenkopf. „Übrig geblieben sind nur Dialysefahrten, eine Kurierfahrt am Tag und vereinzelte Privatfahrten zum Arzt oder zum Einkaufen, aber die sind nicht unser Kerngeschäft.“ Nun hält er noch drei Autos bereit, die anderen drei lässt er nach Absprache mit der Versicherung Kravag bis auf Widerruf in der Garage stehen. Sechs Aushilfen hat er abgemeldet, eine ist seine Reserve. Dass die beantragte Soforthilfe Anfang Mai noch nicht gekommen war, kann er dank seiner Rücklagen noch eine Weile aussitzen. „Die Geschäftsreisen werden nicht so schnell wieder anlaufen“, vermutet Hasenkopf. „Viele Firmen werden jetzt sparen müssen und auf Videokonferenzen setzen.“

In Richtung Flughafen ist alles weggebrochen

Noch stärker auf Flughafentransfers und Fahrdienste für Firmen in den Landkreisen Altötting und Mühldorf ist das Tüßlinger Mietwagenunternehmen Schwarzbrunn-Express GbR spezialisiert. „Uns ist eigentlich alles weggebrochen“, bilanziert Andreas Niedermeyer, einer der beiden Anteilseigner des Unternehmens. Die zehn schwarzen E-Klassen und Vitos des Unternehmens sind teilweise stillgelegt, aber sie hatten im Mai weniger als zehn Fahraufträge pro Woche. Von den 30 Mitarbeitern musste ein Großteil gehen. Acht Aushilfen sind noch an Bord. Niedermeyer berichtet, dass die beantragte Soforthilfe gekommen wäre und sie im Übrigen in den vergangenen Jahren Rücklagen gebildet hätten. „Erst im Herbst werden wir wieder auf ein adäquates Niveau kommen, aber nur, wenn keine zweite Infektionswelle folgt“, schätzt der Unternehmer. Er hofft auf ein „kleines Grundrauschen“ in den kommenden Monaten.

Nachts geht auch in der Stadt gar nichts mehr

„Wir haben ja schon viel mitgemacht, aber so etwas noch nicht“, dieser Stoßseufzer kommt von Regina Schäfer aus Burghausen. Sie und ihre Schwester Brigitte Moosbauer haben 1996 die 1976 gegründete Taxi Gaßner-Schäfer GmbH von ihrem Vater übernommen. Bei der Finanzkrise 2009 hätten sie auch einen starken Rückgang verkraften müssen, aber jetzt seien praktisch 99 Prozent des normalen Umsatzes weggebrochen. Ihr Hauptgeschäft sei neben dem Gelegenheitsverkehr die Beförderung von Besuchern des Wacker-Werkes und der OMV gewesen, die auch mal abends zum Essen und wieder ins Hotel zurückwollten. Neben Ausfällen bei der Jazzwoche, drei großen Festen und einer Konzertreihe müssten sie auch wegfallende Fahrten zur Außenstelle der Technischen Universität in Raitenhaslach verkraften. Besorgungsfahrten hätten nicht angezogen und es stünden nur wenige Bestrahlungsfahrten an. Nachts gehe gar nichts, weil ja nichts geöffnet sei. „Immerhin fahren jetzt langsam wieder Leute zum Arzt oder zum Einkaufen, die sich das wochenlang nicht getraut haben“, ergänzt Brigitte Moosbauer.

Zwei ihrer Taxis haben die Schwestern mit Trennfolien ausgestattet und deren Fahrer sind mit Maske und Reinigungsmitteln unterwegs. Ihre sieben Festangestellten sind in Kurzarbeit, die sechs 450-Euro-Kräfte kommen gar nicht zur Arbeit. Die Anregung ihrer R+V-Versicherung, Autos kurzfristig ohne amtliche Abmeldung abzustellen und sie bei Bedarf unbürokratisch per Anruf wieder zu aktivieren, haben die Unternehmerinnen gleich umgesetzt. Die Soforthilfe sei „sehr flott“ gekommen, aber auf das Kurzarbeitergeld warteten sie noch, berichtete Regina Schäfer Anfang Mai. Als Eigentümerinnen des Betriebssitzes könnten sie der GmbH die Miete auch nur in Grenzen kürzen, weil mit den Mieteinnahmen Kredite bedient werden müssten. „Wir können eigentlich nur abwarten, bis Hotels wieder öffnen dürfen und ihre Besucher wieder kommen“, sagen die beiden Schwestern.

Elisabeth Kreuz hält seit 1998 als „gute Seele“ und einzige Vollzeitkraft das Büro des 1989 gegründeten Garchinger Unternehmens Taxi-Bus Südbeck am Laufen. Es ist mit Taxis, Mietwagen und Bussen breit aufgestellt. Ihr Hoffnungsschimmer ist, dass mit der vorsichtigen Öffnung der Schulen auch der freigestellte Schülerverkehr mit Transporter und Bussen wieder anläuft. „Unser Taxigeschäft ist um 80 Prozent eingebrochen“, berichtet Kreuz. „Bei Kranken- und Rollstuhlfahrten wurden viele verschoben und nur noch die ganz dringenden durchgeführt.“

Südbeck hat gleich zu Beginn der Krise fünf seiner zehn Fahrzeuge bei der Versicherungskammer Bayern „stillgelegt“, die das aber nur bis zum 30. April erlaubte und zur amtlichen Abmeldung zwang. Das Unternehmen hat Soforthilfe beantragt und versucht nun, wenigstens seine einzige Teilzeitkraft durch die Krise zu bringen. „Meine Aushilfen sind glücklicherweise nicht zwingend auf das Geld angewiesen und unterstützen das kulant, wofür ich Ihnen sehr dankbar bin“, sagt Elisabeth Kreuz. Die Fahrer der insgesamt fünf Taxis und Rollstuhlfahrzeuge tragen seit dem 14. März einen Mundschutz und bekamen eine Woche später eine Trennfolie ins Auto. Handschuhe, eine Schutzbrille für Krankenfahrten sowie Desinfektionsmittel für Flächen und die Hände hat jeder als Paket im Fahrzeug. „Wir müssen warten und die Krise aussitzen“, resümiert Elisabeth Kreuz.

Sechs Leute mussten nicht in die Kurzarbeit

Kathrin Hennrich, seit sechs Jahren Inhaberin von Taxi Hansbauer mit den Betriebssitzen Altötting und Neuötting, versucht, der Krise etwas Positives abzugewinnen. Ihre Geschäfte seien bis zum Lockdown „bombig“ gelaufen, aber sie habe sich zum Jahreswechsel von einigen Mitarbeitern trennen müssen. Daher sei es jetzt eine gute Zeit, das Unternehmen neu aufzustellen, erzählt sie. Von ihren sechs Taxis stellte sie drei ab, für die die Allianz bis zum 31. Mai keine Beiträge erhob. Die anderen drei versah sie erst mit Folien und dann mit einer Plexiglas-Trennscheibe. Ihren Fahrern gab sie eine genähte Maske und Desinfektionsmittel für die Hände. Die Fahrgäste steigen jetzt nur hinten rechts ein. Kassiert wird mit Schälchen für das Geld, die bei den Kunden gut ankommen. Seit dem Shutdown arbeitet Taxi Hansbauer mit fünf festen Fahrern, drei Aushilfen und zwei Disponenten, die per Funk vermitteln. Die Chefin ist die Springerin. Ihre sechs sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten schickte sie nicht in Kurzarbeit und die Aushilfen blieben an Bord.

„In der Regel haben wir mehr Arbeit, als wir bewältigen können“, sagt Kathrin Hennrich. „Wir fahren ganz klassisch zu Ärzten und zum Einkaufen, zur Dialyse, zu Bestrahlungen und zur Chemotherapie. Besorgungsfahrten gehören schon lange zu unserem Repertoire, auch wenn es dabei weniger um Lebensmittel und mehr um Bier und Wein geht.“ Klassische Kneipen- und Disco-Fahrten fielen jetzt natürlich weg. Flughafenfahrten machten sie nur auf spontane Anfragen hin.

Der 24-Stunden-Dienst verblüfft die Fahrgäste

Wichtig sei ihr, dass die Fahrgäste ihr Taxi auch zur versprochenen Zeit bekämen. Daher führe sie auch jetzt den 24-Stunden-Dienst fort und bewerbe ihn neuerdings auf den Visitenkarten. Viele Fahrgäste im Landkreis verblüffe das, weil sie nicht erst seit Corona-Zeiten eingeschränkte Nachtdienste gewohnt seien. Konsequent sei deshalb trotz der geringen Nachfrage auch unter der Woche ein Taxifahrer im Einsatz, um beispielsweise spätabends noch zur Dialyse am Krankenhaus Altötting, zum letzten Zug an den Bahnhof oder frühmorgens zum Mühldorfer Knotenbahnhof zu fahren. Hennrichs Geschäfte ziehen seit einiger Zeit wieder an, weshalb sie nun auch das vierte Taxi wieder aktiviert und seit Mai neue Mitarbeiter sucht. df

Die dramatische Situation lässt sich meistern

„Die Taxibranche leidet nicht unter dem Shutdown. Wir sind betroffen wie viele andere Dienstleister auch, die ja oft sogar ihre Dienste komplett einstellen mussten und somit viel schlechter dastehen. Wir Taxiunternehmer sind hingegen systemrelevant, bei uns darf man auch in Kurzarbeit anrechnungsfrei hinzuverdienen“, sagt Kathrin Hennrich, Taxiunternehmerin in den Kleinstädten Alt- und Neuötting. „Wir sind Teil der Daseinsvorsorge, wir dürfen und sollen nach wie vor unserer Tätigkeit nachgehen und das ist doch unser Vorteil! Wir müssen die an uns gestellten Beförderungsaufträge bestmöglich erfüllen, das ist der Sinn und Zweck eines Taxis. Ich brauche keinen neuen Aufgaben. Unser Auftrag, täglich rund um die Uhr Mobilität für alle zu bieten, ist klar definiert!

Die Unternehmerin sieht im Landkreis Altötting dank hoher Kaufkraft, bis zur Corona-Krise niedriger Arbeitslosigkeit, großer Werke mit vielen auswärtigen Besuchern und ein wenig Tourismus gute Voraussetzungen 
für das Taxi-Gewerbe, zumal der Knotenbahnhof Mühldorf am Inn in Taxi-Nähe und im Pflichtfahrgebiet liege und der ÖPNV mangelhaft sei. Natürlich sei die Situation dramatisch, aber unter Zuhilfenahme der staatlichen Leistungen könnten die Taxi- und Mietwagenunternehmer diese Krise meistern.

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Seite 15 | Rubrik Unternehmensführung
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