Thema des Monats

Kandidaten ohne Inhalte

Thema des Monats November

Der Taxi-Bundesverband BZP braucht nach dem Rücktritt von Fred Buchholz einen neuen Präsidenten. Um das Amt bewerben sich zwei Kandidaten. Doch eine Woche vor der Wahl wissen viele nicht, wer für welchen Kurs steht.

Innerhalb des BZP rumort es. Das zeigt alleine schon die Tatsache, dass erstmals seit vielen Jahrzehnten zwei Kandidaten gegeneinander antreten. Sowohl Michael Müller aus Niedersachsen als auch Dietmar Schmidt aus Berlin sind seit vielen Jahren Vizepräsidenten des BZP und somit erste Stellvertreter des am 9. November ausscheidenden Präsidenten Fred Buchholz. Doch trotz ihrer Kampfkandidatur gehen beide Kandidaten kein allzu großes Risiko. Der Verlierer wird auf jeden Fall weiterhin Vizepräsident bleiben. Deshalb will man sich im Vorfeld der Wahl auch nicht allzu sehr gegenseitig weh tun. Das zeigt sich unter anderem darin, dass sich Müller und Schmidt im Vorfeld auf einen Presseboykott geeinigt haben. Keiner der beiden wollte gegenüber taxi heute oder anderen Taxipublikationen zu inhaltlichen Themen Stellung zu beziehen.

Schlimmer allerdings als die öffentliche Informationsverweigerung wiegt die interne Blockade. Müller und Schmidt präsentieren sich als Kandidaten ohne Inhalte, was bei denjenigen, die während der Versammlung am 10. November abstimmen sollen, gar nicht gut ankommt. Mehrere Delegierte mussten auf Nachfrage von taxi heute eingestehen, nur vage Informationen über die Ziele der einzelnen Kandidaten zu erhalten. Guido Bornig, der als stellvertretender Geschäftsführer des Verbands des Verkehrsgewerbes (VDV) Rheinland nicht nur mit dem Taxibundesverband, sondern auch mit den Omnibus- und Speditionsverbänden zu tun hat, zeigt sich überrascht vom Vorgehen der BZP-Führung. Andere Berufsverbände würden vor solchen Wahlen offener mit ihren Delegierten kommunizieren.

Er werde sich nun eben mit seinen Vorständen der Fachsparte Taxi- und Mietwagen beraten und sich auch noch mit dem benachbarten Verband aus der Pfalz absprechen, ehe eine Entscheidung getroffen wird, welcher Kandidat die Stimmen aus dem Rheinland bekommt.

Laut BZP-Satzung hat jedes ordentliche Mitglied für je angefangene 500 Euro, für den der fällige Beitrag entrichtet worden ist, eine Stimme.

Wer nun genau wie viele Stimmen hat, ist den Delegierten bisher auch nicht recht bewusst. Ein Vertreter aus Bayern schätzt rund 60 Stimmen für seinen Landesverband. Das werde sich auf der Versammlung in Berlin schon zeigen, gibt er sich zuversichtlich. Auch er äußert deutliche Kritik am Informationsdefizit aus der Frankfurter Geschäftsstelle, allerdings nur hinter vorgehaltener Hand, weshalb er auch namentlich nicht erwähnt werden möchte. Sollte die beiden Kandidaten nicht spätestens in Berlin Stellung beziehen, werde man seine Unzufriedenheit darüber klar zum Ausdruck bringen.

Doch wie könnten die inhaltlichen Schwerpunkte aussehen, mit denen sich der eine Kandidat vom anderen abgrenzen möchte? Dietmar Schmidt sitzt in Berlin und fungiert dort als Vorstandsmitglied der Taxizentrale WBT und in der „Innung“. Es heißt, seine Wahl wäre ein Symbol, dass der BZP  - immerhin durch seinen Präsidenten - in Berlin und damit im Zentrum der politischen Entscheidungen vertreten wäre. Doch genau diese Forderungen kommen auch seit Monaten aus Niedersachsen, dem Heimathafen von Michael Müller. Es war der Gesamtverband des Niedersächsischen Verkehrsgewerbes (GVN), in dem Müller seit Jahren Vorsitzender der Fachsparte Taxi- und Mietwagen ist, der letztes Jahr seine Delegiertenversammlung in Berlin abhielt und dort mit Politikern aus dem Verkehrsausschuss das Gespräch suchte. Ein Gespräch, in dem den Niedersächsischen Taxivertretern klargemacht wurde, dass man sich in Berliner Politikerkreisen doch sehr über die mangelnde Präsenz des Bundesverbandes wundere. Müller und der GVN machten dies in einer Pressemeldung öffentlich und stachelten somit die Diskussion um einen  Umzug des BZP nach Berlin an.

In diesem Punkt scheinen also erste Unterschiede aufzutauchen. Schmidt wäre die „kleine Berliner Lösung“, Müller stünde für den Umzug. Weshalb auch klar ist, warum Thomas Grätz, Geschäftsführer der BZP-Geschäftsstelle in Frankfurt, lieber Schmidt als seinen Präsidenten hätte. Grätz, der seit Jahren eine Politik des „Bewahrens ohne Veränderung“ verfolgt, ist unter den BZP-Delegierten längst nicht mehr unumstritten. Die Fehleinschätzung bei der Bedeutung von Taxi-Apps, die ungenügende Öffentlichkeitsarbeit und die damit zusammenhängenden spärlichen politischen Erfolge der letzten Jahre werden vor allem ihm angelastet.

„Bei der Wahl geht es um die künftige Marschrichtung des BZP. Schmidt steht für ein „weiter so“, Müller für Veränderungen“,  prophezeit ein weiterer Delegierter, der ebenfalls ungenannt bleiben möchte. Mit einem Schmidt als Präsidenten hätte es Grätz somit leichter.

Wie die Veränderungen aussehen könnten, wird beim Umgang mit dem Thema Fiskaltaxameter und Schwarzarbeit deutlich. Während vornehmlich südliche Zentralen und Landesverbände die Schwarzarbeit weiterhin mit dem Totschlag-Argument „Ehrlich wäre wirtschaftlich nicht möglich“ tabuisieren wollen, zeigen sich etliche Verbände, darunter auch der GVN, gegenüber Lösungsansätzen deutlich diskussionsbereiter.

Berlin ist bei dieser Frage gespalten und die Position von Schmidt lässt sich anhand eines anderen Beispiels erahnen: Ein Hamburger Feldversuch zur freiwilligen Umsatzkontrolle und Auswertung sollte eigentlich auch in Berlin gestartet werden. Dass dies in der Bundeshauptstadt nur sehr zögerlich passiert, hängt auch mit der zaghaften Forderungshaltung von Teilen des Berliner Taxigewerbes zusammen. Weder von der „Innung“ noch von der WBT ist bisher ein Signal zu vernehmen, dass man einen solchen Feldversuch unterstütze. Das unterstreicht die These, Schmidt stehe für ein „weiter so“.

Doch ein „weiter so“ darf es für eine Branche nicht geben, in der Fahrer und Unternehmer unter fünf Euro pro Stunde verdienen und für die schon der Wegfall des ermäßigten Mehrwertssteuersatzes zu einem wirtschaftlichen Bankrott führen könnte.

Diese Präsidentenwahl braucht deshalb ein Aufbruchsignal. Wer mit seinem Konzept für eine erfolgversprechende Gewerbepolitik glaubwürdig sein will, muss darin auch den Mut für Veränderungen präsentieren.

Wenn keiner der Kandidaten diese Aufbruchstimmung erzeugt, ist es eigentlich auch egal, wer von ihnen Präsident wird und wer Vize bleibt. Dann können sich die Delegierten wenigstens damit trösten, von Mercedes und Volkswagen zum Essen eingeladen worden zu sein.

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(jh)
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