Thema des Monats: Der Stern sinkt

Ausgerechnet der Stern brachte einen anderen Stern in arge Bedrängnis: Mit dem Ergebnis einer vom Nachrichtenmagazin Stern in Auftrag gegebenen Forsa-Umfrage wurde jetzt auch die breite Öffentlichkeit auf einen Zustand aufmerksam, der innerhalb des Taxigewerbes längst bekannt ist: Auf Mercedes sind immer mehr Unternehmer immer weniger gut zu sprechen.
Redaktion (allg.)

In der angesprochenen Forsa-Umfrage gaben 45 Prozent von 546 befragten Taxiunternehmern an, beim nächsten Taxikauf eine andere Marke als die mit dem Stern zu kaufen. Auch wenn die Zahl der befragten Unternehmer gerade mal 1,5% aller deutschen Taxiunternehmer (53.000 Fahrzeuge) ausmacht, ist diese Umfrage repräsentativ genug, um das Meinungsbild innerhalb des Gewerbes deutlich widerzuspiegeln. Darüber hinaus kam auch das TV-Magazin Auto Motor und Sport TV in einem kürzlich ausgestrahlten Beitrag zu einer ähnlichen Schlussfolgerung: Am Taxistand vollziehe sich im Moment die Mercedes-Revolution. In Zahlen ausgedrückt musste der Stuttgarter Konzern in den vergangenen Jahren einen Rückgang der Absatzzahlen im Taxigeschäft von über 15 % hinnehmen. Dies räumt DaimlerChrysler in einem der Redaktion der taxi heute vorliegenden internen Papier selbst ein. Innerhalb des Taxigewerbes hatte Mercedes einmal einen Marktanteil von über 70%. In dem uns vorliegenden internen Papier spricht der Konzern inzwischen aber nur noch von "mehr als der Hälfte der Taxikunden", die sich aktuell für einen Mercedes entscheiden. Nutznießer dieser Verschiebung sind in erster Linie VW, die laut eigener Aussage ihren Taxiabsatz vergangenes Jahr verfünffachten. Aber auch viele Importeure, allen voran Mazda, bekommen immer mehr den Fuß in die Türe. Die Gründe für die Unzufriedenheit Fragt man bei den Unternehmern nach den Gründen für ihre Unzufriedenheit, dann monieren die meisten das sich permanent verschlechternde Preis-Leistungs-Verhältnis. Freilich war ein Mercedes schon immer teurer als ein VW oder Importeure. Dafür hielt der Motor aber auch zwischen 400.000 und 500.000 Kilometern lang. Seit der Baureihe W 210 sind dagegen Motorschäden bei 200.000 Kilometern keine Seltenheit mehr. Die deutlich höhere Leistung bei den Common-Rail-Dieseln bezahlen die Taxiunternehmer mit erheblich geringerer Lebensdauer. Viele Unternehmer beklagen sich, dass sie ihren vor drei oder vier Jahren gekauften Mercedes jetzt austauschen müssen, obwohl aufgrund der wirtschaftlichen Lage ein Fahrzeugwechsel derzeit eigentlich nicht drin ist. Dies und die Enttäuschung über die unerwartet kurze Lebensdauer und die ungewohnten technischen Probleme führen bei vielen Taxiunternehmern zwangsläufig zum Umstieg auf in der Anschaffung günstigere Modelle und weg von Mercedes. Mercedes reagierte und gewann durch Sonderaktionen manchen wankenden Unternehmer zurück. Das Taxipaket ist derzeit kostenlos, der Finanzierungssatz wurde auf 3,9 Prozent gesenkt, die Finanzierungsdauer auf fünf Jahre erhöht. Über letzteres können manche Unternehmer allerdings nur den Kopf schütteln: "Ich kann doch kein Auto auf fünf Jahre finanzieren, das im Schichtbetrieb nur maximal 4 Jahre fährt", klagt beispielsweise ein Stuttgarter Unternehmer. Bei all dem Frust mag es manchen Außenstehenden wundern, dass trotzdem noch immer über 50% der deutschen Taxis einen Stern auf der Haube tragen. Trotz der oben angesprochenen Probleme bieten Mercedes Taxis immer noch viele branchenspezifische Besonderheiten, bei denen andere Hersteller allein schon aufgrund der geringen Stückzahl nicht mithalten können. Großstadtunternehmer schätzen beispielsweise die eigenen Taxi-Annahmestellen in der Werkstatt oder den 24-h-Notdienst. Das Getriebe, das ausgerechnet in der Sylvesternacht den Geist aufgab, war bereits am 2. Januar wieder ausgetauscht. Ebenfalls führend ist Mercedes weiterhin im Wiederverkaufswert. Laut aktuellen Studien von Eurotax/Schwacke und Auto Bild weisen Mercedes-Modelle die höchste Wertstabilität auf dem Gebrauchtwagenmarkt auf. Dies bestätigt in der aktuellen Print-Ausgabe der taxi heute auch ein Taxiunternehmer vom Bodensee, der Taximodelle verschiedener Hersteller in seiner Flotte hat. Beim Thema Ersatztaxi klaffen Daimler-Anspruch und Wirklichkeit allerdings auseinander. Hier beklagen vor allem ländliche Unternehmer, dass deren örtliche Niederlassung oft nur mit einem "Zivil"-Ersatzfahrzeug dienen kann. Andere Hersteller haben da längst aufgeholt. VW und Ford beispielsweise stellen dem Taxi-Unternehmer in Zusammenarbeit mit einem bundesweitem Taxi-Verleiher innerhalb von 24 Stunden ein Ersatztaxi zur Verfügung. Ein weiterer Aspekt, der bisher eindeutig für Mercedes gesprochen hat, verliert allmählich immer mehr an Wert. In ganz Deutschland haben sich im Laufe der Jahrzehnte professionelle Taxi-Werkstätten etabliert, deren Stundensätze natürlich deutlich geringer waren als die der Vertragswerkstätten. Viele Mehrwagenunternehmer haben jahrelang ihre Mercedes-Taxis in einer eigenen Werkstatt gewartet. Mit der zunehmenden Elektronik im Auto sind viele der Arbeiten aber nur noch in der Vertragswerkstatt möglich. Und über deren Preise herrscht im Gewerbe allgemeines Unverständnis. Ein Konstanzer Unternehmer beispielsweise musste für den Austausch der Bremsklötze vorne und hinten sage und schreibe über 300 Euro brutto bezahlen. Die Taxivereinigung Frankfurt setzt dem sogar noch die Krone auf, indem dieser Preis den Mitgliedern als ausgehandelter Festpreis "verkauft" und zum Vergleich aufgerufen wird. Mercedes steht unter Druck. Die Unzufriedenheit im Gewerbe bekommt auch die Öffentlichkeit mit. Nicht nur durch Forsa-Umfragen oder TV-Beiträge. Auch auf der Straße klagt der Taxiunternehmer dem Fahrgast sein Leid, wenn die Sprache auf Mercedes kommt. Der Konzern wird reagieren müssen, will er nicht noch mehr Marktanteil verlieren. Die bisherigen Maßnahmen werden nicht ausreichen. Auch nicht die Tatsache, dass Mercedes mit 39 Varianten laut eigener Aussage das "umfangreichste Taxi-Programm der Welt" anbietet. Der einzelne Unternehmer kann sich dabei doch bloß für eine Variante entscheiden. Und diese kann nach Meinung vieler Kollegen im Gewerbe gerne auch eine Einheitslösung sein: Eine E-Klasse 200 CDI mit möglichst wenig Schnickschnack zu einem niedrigen Preis. Klingt vernünftig, würde aber nach Aussage des Konzerns einen eigenen Produktionsablauf nötig machen. Dafür seien die Absatzzahlen zu gering, selbst wenn der Marktanteil bei 100% liegen würde.

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