Fahrbericht Nissan Ariya: Big in Japan reloaded

Nissan kehrt zurück: Bereits 2020 konnte VISION mobility im Elektroauto Ariya probesitzen, am 1.4.2022 öffnen die Japaner endlich die Bestellbücher für den Ariya.

Elegant und eigenständig: Der neue Nissan Ariya
Elegant und eigenständig: Der neue Nissan Ariya
Redaktion (allg.)
(erschienen bei VISION mobility von Gregor Soller)

Bereits vor zwei Jahren zeigte Nissan sein neues Elektromodell Ariya, das vor allem mit toller Raumausnutzung und individueller Optik punktet. Gestaltet in der Hauptsache von Takashi Utsunomiya und Kazuki Aoyama und produziert in Kaminokawa in der Präfektur Tochigi bringt der Ariya eine ganze Portion „Big in Japan“ mit, was er mit inneren Werten unterstreicht.

Zwar sind mittlerweile sind zahlreiche Fließheck-SUV mit elektrischen Antrieben erschienen, vom Audi Q4 e-tron über den Ford Mustang Mach-E, den Ioniq 5 und Kia EV6 samt dem Genesis GV 60 bis hin zum Skoda Enyaq Coupé, dem Subaru Solterra und dem baugleichen Toyota bZ4X bis hin zum VW ID.5 – die teils wegen Chip- und Kabelbaummangel auch nicht so schnell zu den Kunden finden wie gedacht.

Kommt der Nissan also zu spät? Nein, wegen der Lieferprobleme der anderen nicht und weil er genug eigene Akzente setzen kann. Die japanisch geprägt sind und ein bisschen an ein japanisches Haus erinnern sollen, das reduziert, aber gemütlich eingerichtet ist. Dafür bemühte Nissan ruhige und partiell holzartig gemaserte Oberflächen, in die man responsive Touch-Elemente für die Klimatisierung einließ, die man tatsächlich auch blind bedienen kann. Noch keine weiteren Erfahrungen konnten wir dem 12,3 Zoll großen zentralen Touchscreen sammeln, da bei den Vorserienmodellen noch nicht alle Funktionalitäten voll freigeschaltet waren. Vieles kann man zudem über logisch angeordnete Lenkradtasten bedienen und auch die Sprachauffassung soll besser sein als je zuvor. Die Google-Integration ist aber noch nicht so weit wie bei Renault, hier ließ man den Franzosen den Vortritt, dazu kommt Amazons Alexa, die auch bei Qashqai und dem neuen X-Trail Einzug hält.

Unter die gelungene Armaturentafel stellte Nissan dann mittig noch das Zitat einer japanischen Papierlampe und legt optional dicke Teppiche dazu. Einziger Nachteil: Jetzt müsste man eigentlich die Gestaltung von Fahr- und Bremspedal nachziehen, die in ihrer Banalität optisch fast etwas abfallen. Das feine Muster der „Lampe“ wiederholt sich in den Türtafeln.

Die Sitze selbst bieten üppig gepolstert mit ordentlicher Lendenwirbelstütze feinen Langstreckenkomfort und auch im Fond bleibt immer genug Platz, selbst wenn vier 1,9-Meter-Reisende den Ariya entern. Nur wenn die vorn Sitzenden ihre Sitze ganz nach unten stellen, wird es für die Füße der im Fond Sitzenden etwas knapp.

Die Antriebe sind zumindest nach WLTP einigermaßen sparsam

Doch jetzt endlich den Startknopf gedrückt und losgeströmt. Sehr leise. Seltsamerweise startet Nissan mit der Produktion des Fronttrieblers samt kleinem 63-kWh-Akku, der nach WLTP aber bis zu 405 Kilometer Reichweite bieten soll, was gut 15,5 kWh/100 km und damit einen verhaltenen Stromverbrauch hindeutet. Interessant: Die Akkuzellen liefert CATL zu, den E-Motor hat Nissan aber selbst entwickelt.

Für sein Segment ist der Ariya kompakt und leicht

Da erste Testfahrten auf dem Rundkurs von Jarama stattfanden, bewegten wir den 160 kW/218 PS starken „Basis-Ariya“, der 300 Newtonmeter Kraft bietet, aber eher freudig mit Ausflügen in den Grenzbereich, wo er Fahrpedallupfen mit freudigem Eindrehen beantwortet – übertreibt man es, schiebt er irgendwann frontantriebstypisch geradeaus und die elektronischen Helfer bremsen die Fuhre stark ein. Nicht ganz verleugnen kann der Ariya hier sein Gewicht– er zählt zwar grundsätzlich zu den „kompakten“ (unter 4,6 Meter Länge) und leichten Vertretern seiner Gattung, doch gut zwei Tonnen bleiben gut zwei Tonnen.

Wirklich sportliche Ambitionen sind ihm aber fremd: Zwar ist das für die EU-Versionen auch in Europa abgestimmte Fahrwerk sauber ausgelegt und lässt in den Kurven sogar etwas Eindrehspass zu, trotzdem stand Komfort an erster Stelle. Die Federung bügelt fast alle Unebenheiten souverän weg, wozu auch die Lenkung passt. Doch sportliche Naturen würden sich hier sicher eine etwas direktere und straffere Auslegung wünschen.

DC-Laden: Lange mit hoher statt kurz mit Höchstleistung

Geladen werden kann DC mit maximal 130 kW, wobei Nissan hier auf eine flache und lang anhaltende Ladekurve geachtet haben will. Dann soll der Hub von zehn auf achtzig Prozent binnen 35 Minuten beim 63-kWh-Akku und in 40 Minuten beim 87-kWh-Akku erledigt sein. Etwas geizig gibt man sich beim AC-Laden: Beim 63-kWh-Akku ist in Serie nur einphasiges Laden an Bord und bei den großen Akkus müssen die 22-kW-Lader ebenfalls extra geordert werden. Von zehn auf achtzig Prozent nennt Nissan im besten Fall 3,5 Stunden für die 63-kW-Version und vier Stunden für die 87-kWh-Version. Interessant: Erste Praxisversuche ergaben bei der 63-kWh-Version laut verantwortlicher Tester einen Ladestand von 98 Prozent nach zwei Stunden und 45 Minuten. Weitere 45 Minuten waren dann für die restlichen zwei Prozent nötig!

In Summe trifft Nissan mit dem Ariya exakt ins Zentrum des weltweiten Marktes und hat ein stimmiges Gesamtpaket komponiert. Und da dieses gekonnt und optisch elegant akzentuiert wurde, dürfte es seine Kunden finden. Denn wirkliche Schwächen erlaubt sich die japanisch-gründliche Grundkonstruktion keine und die Preise bleiben im Rahmen. Zwar gab Nissan sie noch nicht bekannt, aber in den Niederlanden kann man den Zenmeister als All-in-Leasing mit 63 kWh Akku in der Ausstattung Advance ab 539 Euro bekommen, als 87-kWh Evolve ab 599 Euro, der e-4ORCE kostet 649 Euro und der Evolve als e-4ORCE Performance startet ab 699 Euro. Ähnliche Tarife dürften in Deutschland aufgerufen werden.

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