KI-Projekt soll Taxi-Einsatz effizienter machen

Rhein-Taxi und Merantix Momentum möchten über das Projekt KITS Leerfahrten verringern, die Schichten der Fahrer und Fahrerinnen bedarfsgerecht planen und neue Erlöse mit Daten generieren.

Sie stellten das KI-Projekt vor (v.l.): Christian Mikosch (Technischer Leiter), Michael Mühlin (Inhaber), Niklas Mayer und Maik Schmidt (beide Merantix Momentum). Bild: Dietmar Fund
Sie stellten das KI-Projekt vor (v.l.): Christian Mikosch (Technischer Leiter), Michael Mühlin (Inhaber), Niklas Mayer und Maik Schmidt (beide Merantix Momentum). Bild: Dietmar Fund
Dietmar Fund
Künstliche Intelligenz

Ohne eine Verbesserung ihrer Wirtschaftlichkeit können Taxiunternehmen und Taxizentralen nicht mehr lange überleben: Davon ist Michael Mühlin überzeugt, Inhaber und zusammen mit Stefanie Biewald Geschäftsführer der Düsseldorfer Taxizentrale Rhein-Taxi Datenfunkzentrale 21 21 21 GmbH. Mit seinem Konsortialpartner Merantix Momentum und mit Fördergeldern des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) hat Mühlin im September 2021 ein Vorprojekt gestartet und am 8. Dezember 2022 im Schulungsraum der Taxizentrale mit rund 20 Teilnehmenden das Auftakttreffen zum Forschungsprojekt „KITS“ veranstaltet. Das Kürzel steht für „KI-basierte Optimierung von Taxi Services“.

Aus Daten werden Muster und Vorhersagen

Niklas Mayer, KI-Projektmanager des „KI-Solutions-Providers“ Merantix, brachte auf einen kurzen Nenner, worum es dabei geht: Mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) sollen aus Daten Muster generiert werden, die es erlauben, Vorhersagen zu treffen. Genutzt werden dabei Daten von Taxi-Vermittlungen in der Vergangenheit und in der Gegenwart. Hinzu kommen Daten aus externen Quellen, die Einfluss auf die Taxi-Nachfrage haben, die bekanntlich über den Tag hinweg und jahreszeitlich schwankt. Es geht dabei zum Beispiel um Daten zum Wetter, zu Veranstaltungen oder zu Ferienterminen.

Übersetzt auf den Taxi-Einsatz bedeutet dies laut Michael Mühlin zunächst, den Fahrern und Fahrerinnen am Ende ihrer Besetztfahrt aufs Display ihrer Tablets zu spielen, in welchem Sektor sie voraussichtlich binnen weniger Minuten eine Anschlussfahrt bekommen. Diese Empfehlungen sollen Leerfahrten verringern, die entstehen, weil Taxifahrer und -fahrerinnen gerne in ihre vertrauten Reviere zurückkehren. Das spart nicht nur den Betreibern viel Kraftstoff, sondern senkt auch den Kohlendioxid- und den Schadstoffausstoß in der Stadt und verringert den Verkehr. Kürzere Wartezeiten würden auch die Zufriedenheit der Fahrgäste mit der Taxizentrale und sogar die Konkurrenzfähigkeit und die Attraktivität des Taxigewerbes insgesamt erhöhen, schätzt der Unternehmer. Er hat Rhein-Taxi erst Anfang 2021 gekauft und hatte zuvor mehrere Unternehmen in ganz anderen Branchen geführt.

Ein zweites Ziel des KI-Einsatzes ist für Mühlin, die Schichten bedarfsgerechter mit längerem Vorlauf zu planen und immer nur so viele Taxis auf die Straßen zu bringen wie gerade benötigt werden. Den rund 470 Fahrerinnen und Fahrern soll das eine flexiblere Schichtplanung per Fahrer-App bieten. „So könnte zum Beispiel ein Fahrer seine kleine Tochter regelmäßig zum Kindergarten bringen, was er im bisherigen starren System nicht kann“, sagte der Zentralen-Geschäftsführer. „Mit einer verbesserten Work-Life-Balance könnten wir in unserem Niedriglohnsektor mehr Fahrer und Fahrerinnen gewinnen. Schließlich liegt das Durchschnittsalter der Taxifahrer weit über 50 Jahre.“ Zwei Wochen im Voraus möchte Mühlin künftig alle relevanten Daten in die Kapazitäts- und die Schichtplanung einfließen lassen. „Das ist eine Möglichkeit, unsere Kosten zu verringern, obwohl wir immer genügend Fahrzeuge bereitstellen müssen.“ KI-Provider Meyer nennt diesen Kernbaustein des Projekts „Demand Forecast“.

Der nächste Schritt gilt der Elektrifizierung

Zu guter Letzt soll die KI angesichts der bis zu 14.000 Liter Dieselkraftstoff, die seine eigenen zwölf Fahrzeuge monatlich verbrauchen, auch den Übergang zur Elektromobilität erleichtern. Die KI soll den Ladezustand, die Reichweite und die Ladezeiten optimieren helfen. Mühlin will hier gar nicht erst abwarten, ob die Stadt eigene Ladeinfrastruktur für Taxis schafft. Ihm schwebt ein eigener Ladepark vor, in dem dann geladen wird, wenn die Strompreise gerade günstig sind. Langfristig will er durch die Elektrifizierung bis zu 41 Prozent seiner Kosten für die Antriebsenergie einsparen.

Wie Mühlin und sein Konsortialpartner Niklas Mayer betonten, ist die erarbeitete KI-Lösung unabhängig von der Vermittlungssoftware, die bei Rhein-Taxi von fms/Austrosoft stammt. Sie werde auf die Vermittlungssoftware aufgesetzt. Mayer sagte auf Anfrage von taxi heute, dass sich nur eine Person anfangs um die Bereitstellung der internen Daten der Taxizentrale bemühen müsse. Sobald ihr System implementiert sei, laufe es ohne Zutun einer speziell dafür geschulten Person, weil es ja selbst lernen und mit zunehmender Nutzungsdauer immer besser werden soll.

„Offen ist noch die Frage, ob die Taxiunternehmer sowie ihre Fahrer und Fahrerinnen die Kapazitäts- und Schichtplanung sowie Vorschläge für eine Anschlussfahrt annehmen“, sagte Niklas Mayer abschließend. Auf die Frage von taxi heute, ob das System in der Lage sei, dem Fahrer nicht nur irgendeine Fahrt vorherzusagen, sondern auch deren Qualität beziehungsweise Länge, antwortete Michael Mühlin, technisch sei dies zwar möglich, aber Rhein-Taxi wolle das nicht nutzen, um ein „Rosinenpicken“ zu vermeiden. Noch geklärt werden muss auch, welche Größen die Sektoren haben sollen, in die das Stadtgebiet zur schnellen Zuweisung von Anschlussfahrten aufgeteilt werden muss. Wo nur wenige Fahrten pro Stunde anfielen, sei die Vorhersage schwieriger als im Stadtzentrum, wo viele Fahrten nachgefragt werden, sagte Mühlin. Es solle dort aber auch nicht zu einer Ballung von Taxis kommen. Daher würden die Sektoren wohl immer kleiner, je näher man dem Zentrum komme.

Den nächsten Ausbauschritt sieht der innovative Zentralen-Chef darin, mit seinen 150 Taxis Daten zu sammeln und sie interessierten Behörden oder Firmen zu verkaufen, zum Beispiel Stadtplanern. Dafür sind bereits fast 40 Taxis mit einer Kamera von Mobileye ausgestattet, die hinter dem Innenspiegel montiert wird und keine Bilder, sondern „Heat Maps“ liefert. Auf Karten der Stadt hält das System unter anderem Verkehrszeichen, gefahrene Geschwindigkeiten oder Beinahe-Unfälle mit Pkw, Radfahrern und Fußgängern fest. Wo die sich häufen, ist auf Kartenausschnitten leicht ersichtlich, die im Schulungsraum aufgehängt waren und von den ersten 15 Taxis „gezeichnet wurden“. Ein angenehmer Nebeneffekt der Datensammlung ist laut Christian Mikosch, dem Technischen Leiter von Rhein-Taxi, dass der Fahrer mit einem kleinen Display an der A-Säule bei kritischen Situationen optisch und akustisch gewarnt wird. „Ich hätte nicht gedacht, wie viele Daten wir haben und was man damit alles machen kann“, fasste Mühlin zusammen.

Die Bundes-Förderung ist nicht kostendeckend

Rhein-Taxi und Merantix Momentum bekommen für ihr Projekt, das über 15 Monate laufen soll, 196.000 Euro Förderung vom BMDV. Dessen Vertreter Tim Rittmann hätte an der Auftaktveranstaltung digital teilnehmen sollen, schaltete sich aber nicht zu. Das Düsseldorfer Taxi-Projekt ist eines von 91 Projekten, die das Ministerium fördert. Unter ihnen ist offenbar kein vergleichbares Taxi-Förderprojekt. „Die Förderung deckt bei Weitem nicht die tatsächlichen Kosten“, erklärte Gastgeber Mühlin abschließend. „Wir bräuchten eigentlich zusätzlich zur Fördersumme noch rund 300.000 Euro. Allein 50.000 bis 60.000 Euro für eine Fahrer-App zur Vergabe von Arbeitsschichten kommen auf jeden Fall noch auf uns zu.“ df

Der Daten-Verkauf ist nicht so einfach

Michael Mühlin steht bereits im Austausch mit der Stadtverwaltung über eine Nutzung der vielen von Taxis generierten Daten. Nun hofft er, dass über die Öffentlichkeitsarbeit auch das politische Interesse geweckt wird. Einen leichten Dämpfer erhielt er bei der Auftaktveranstaltung von Dieter Schwedland vom Amt für Verkehrsmanagement und strategische Verkehrsplanung. Er sagte, die Stadt könne nicht einfach ein Tool von Rhein-Taxi und Merantix Momentum kaufen. Kommunen müssten das Vergaberecht beachten und solche Aufträge ausschreiben.

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Seite 16 bis 0 | Rubrik Unternehmensführung
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