Die heile Taxi-Welt ist schnell bedroht

In Neumarkt in der Oberpfalz besteht eine Taxi-Gemeinschaft, die für auskömmliche Taxi- und Krankenfahrten-Tarife gesorgt hat und sich nun von zwei Newcomern bedroht sieht.

Ronald Wendt (v.l.) tauscht sich mit Manuel und Roland Grasenhiller gelegentlich auch über die Taxis aus, die der Taxi-Ruf in der eigenen Werkstatt betreut. Bild: Dietmar Fund
Ronald Wendt (v.l.) tauscht sich mit Manuel und Roland Grasenhiller gelegentlich auch über die Taxis aus, die der Taxi-Ruf in der eigenen Werkstatt betreut. Bild: Dietmar Fund
Dietmar Fund
Krankenfahrten

Roland Grasenhiller ist seit 1987 Taxiunternehmer in der Großen Kreisstadt Neumarkt in der Oberpfalz. Mit Unterstützung seiner Frau Petra und seines Sohnes Manuel als Geschäftsführer betreibt er das Familienunternehmen Taxi-Ruf Grasenhiller, das aktuell 13 Taxis einsetzt und insgesamt knapp 
40 Mitarbeiter hat. In der Kleinstadt mit rund 40.000 und dem Landkreis mit etwa 134.000 Einwohnern gibt es laut dem Landratsamt 16 Taxi- und 15 Mietwagenunternehmen und laut Grasenhiller 55 Taxis. Neben größeren Firmen wie dem Holzverarbeiter Pfleiderer, dem Bauunternehmen Max Bögl und dem Klinikum Neumarkt sind für sie – wie in vielen ländlichen Regionen – Krankenfahrten das wichtigste Fundament und das nicht erst seit „Corona“.

Schon vor zehn Jahren hat Roland Grasenhiller damit begonnen, alle zehn Taxiunternehmer an einen Tisch zu holen, um ihre Verhandlungsposition gegenüber der AOK Bayern zu stärken. Dieses gemeinsame Interesse schweißte die Wettbewerber schnell zusammen. Es bildete sich die lose Taxi-Gemeinschaft Neumarkt in der Oberpfalz, die seither jährlich oder zweijährlich Verträge mit der AOK aushandelt. Mit ihr sei man auf diesem Wege bis 2020 gut ausgekommen, berichtet der Unternehmer.

Vieles bewältigt man
gemeinsam besser

Außerdem führe die Taxi-Gemeinschaft regelmäßig Verhandlungen über den Taxi-Tarif für die Stadt und den kompletten Landkreis, den die Unternehmer als Pflichtfahrgebiet oft mit langen Anfahrtswegen mit bedienen. Organisiert von Grasenhiller, trafen sich alle Unternehmer der Stadt bis zur Corona-Pandemie alle zwei bis drei Monate, um Themen zu besprechen, „die man in der Gemeinschaft besser bewältigen kann“. So formuliert es Ronald Wendt, der seit 2004 mit seinem Betrieb City Taxi Neumarkt mit von der Partie ist. Er hat acht Fahrzeuge und zehn Mitarbeiter. Außer ihnen gehören ein selbstfahrender Taxiunternehmer, ein Kollege mit sieben Fahrzeugen und mehrere mit drei bis vier Autos zur Taxi-Gemeinschaft.

„Wir sind ein freier Zusammenschluss, keiner ist an den anderen gebunden“, erklärt Roland Grasenhiller. „Wir arbeiten zusammen, damit die Gemeinschaft nicht auseinanderbricht.“ Konkret äußert sich das zum Beispiel in dem Umstand, dass Aufträge des Klinikums, das die Unternehmer als „großen, fairen Auftraggeber“ bezeichnen, im monatlichen Wechsel reihum vergeben werden. Außerdem geben die zehn Taxibetriebe bei Aufträgen, die sie in Spitzenzeiten gerade nicht bewältigen können, Telefonnummern von Kollegen der Taxi-Gemeinschaft weiter. „Eine gemeinsame Vermittlung hat sich noch nicht ergeben“, erklärt Roland Grasenhiller, der seine Taxis per Funk disponiert, während Ronald Wendt mit der Anrufweiterleitung auf Handys im Fahrzeug arbeitet.

Im Jahr 2020 wurde der Austausch der Unternehmer, der sich Pandemie-bedingt nun vorwiegend per Telefon, E-Mail und Videokonferenzen abspielt, notgedrungen intensiver. Dafür waren nicht nur Corona-Themen maßgeblich. Vielmehr klagt die Taxi-Gemeinschaft darüber, dass ein Taxiunternehmer mit zwei Konzessionen sowie ein Unternehmer mit je einer Taxi- und Mietwagenkonzession neu hinzugekommen sind und jetzt das Gefüge bei Krankenfahrten und bei Privatkunden durcheinanderbrächten.

Die beiden Neuen
wollten nicht kommen

„Ich habe die beiden neuen Kollegen am Taxistand angesprochen und sie zweimal zum nächsten Treffen eingeladen, aber sie wollten nicht kommen“, berichtet Roland Grasenhiller. „Wir verstehen das nicht, denn bei uns läuft es fair und sauber untereinander. Schließlich wollen wir nur ein stabiles, funktionierendes Taxigewerbe. Wir haben doch eine Verantwortung für unsere Mitarbeiter und deren Familien.“

Nachdem die Taxi-Gemeinschaft den 2020 von der AOK angebotenen, aus ihrer Sicht unzureichenden Vertrag nicht unterzeichnen wollte, versuche die Kasse nun, Fahrten auszuschreiben und die Unternehmer gegeneinander auszuspielen, berichtet Ronald Wendt. Vor allem gehe es dabei um lukrative Fahrten, die ihnen dann für einen auskömmlichen Gesamtmix fehlten. Normalerweise ließen sich gute mit weniger attraktiven Fahrten so koordinieren, dass auch sie einen Ergebnisbeitrag liefern. Noch dazu habe die AOK ihnen vorgehalten, dass Mietwagenunternehmer aus dem nahen Nürnberg Dialysefahrten billiger erledigen würden. Die wüssten offenbar nicht, dass Umsatz nicht mit dem Erlös gleichzusetzen sei. Grasenhiller und Wendt bestreiten vehement, dass Unternehmer aus ihrer Taxi-Gemeinschaft ihren Kollegen in den Rücken fallen würden. Ihr verärgertes Fazit: „Nur eine Handvoll Autos bringen das ganze Gefüge durcheinander.“df

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Seite 12 bis 13 | Rubrik Gewerbepolitik
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