Taxi-Bundesverband ließ Funken überspringen

Mit vier Webinaren haben der Bundesverband Taxi und Mietwagen und die Telekom gut umrissen, worauf es beim Nachdenken über die Elektromobilität in Taxibetrieben ankommt.

Ein solches Bildschirmbild hatten die Teilnehmer der kostenlosen Webinare vor sich. Hier sind die Referenten der Auftaktveranstaltung zu sehen. Bild: HUSS
Ein solches Bildschirmbild hatten die Teilnehmer der kostenlosen Webinare vor sich. Hier sind die Referenten der Auftaktveranstaltung zu sehen. Bild: HUSS
Dietmar Fund
Elektrotaxis

Unter dem Motto „Let´s Talk Electric“ haben der Bundesverband Taxi und Mietwagen e.V. und sein Sponsor 
Telekom vom 6. bis zum 27. Juli eine vierteilige Webinar-Reihe gestartet. Sie bot interessierten Taxi- und Mietwagenunternehmern an vier Montagen in rund einstündigen Sessions einen guten ersten Überblick über Einsatzmöglichkeiten von Elektrotaxis, die Ladeinfrastruktur und über Fördermöglichkeiten. Zusammengestellt hatten das kostenlose Programm Dominik Eggers, PR-Referent beim Taxi-Bundesverband, und Christian Meyer als Taxi-Spezialist der Telekom Deutschland GmbH. Die Moderation übernahm Katja Diehl.

Bei der Auftaktveranstaltung schilderte Michael Oppermann, Geschäftsführer des Bundesverbandes, die Elektrifizierung beim Einstieg als zusätzliche Herausforderung in einer schweren Zeit. Die Reichweite von Elektrotaxis und deren Wirtschaftlichkeit sah er als Hürden für einen schnellen Start an. Allerdings könnten die Kommunen bald Anforderungen an die Emissionen von Taxis und Mietwagen stellen. Das bekräftigte Dirk Ritter, der seit 
15 Jahren in der Gewerbeaufsicht der Freien und Hansestadt Hamburg intensiv mit der Taxibranche zusammenarbeitet – seit Neuestem in der Behörde Verkehr und Mobilitätswende unter Führung eines Senators der Grünen. Er sagte, neue Anforderungen kämen auf alle Mobilitätsanbieter zu, das Taxigewerbe werde da nicht ausgenommen. Daher gebe es bereits eine Arbeitsgruppe, die sich mit Elektrotaxis beschäftige und für die der Strompreis derzeit der größte Abschreckungsfaktor sei. In dieser Hamburger Arbeitsgruppe zu Elektrotaxis arbeitet auch die Telekom mit, wie ihr Taxi-Kontakter Christian Meyer berichtete. Er sagte, Themen der Telekom seien vor allem die Ladeinfrastruktur sowie die Vermittlung und Reservierung von Ladeplätzen. In Hamburg sollten flächendeckend Gleichstrom-Schnellladestationen an Vermittlungsstationen mit Parkplätzen in der Nähe von Taxi-Brennpunkten eingerichtet und speziell für Taxis reserviert werden. Bundesweit betreibe die Telekom schon 
130 Schnellladestationen, deren Zahl bis zum Jahresende auf 160 steigen solle. Für Taxiunternehmer wolle das Unternehmen auch Wallboxen für das Laden zu Hause oder am Betriebssitz anbieten.

Dennis Klusmeier, Vorstandsmitglied des Taxi-Bundesverbandes, Düsseldorfer Zentralen-Chef und Taxiunternehmer mit einer Konzession, ging es wie vielen seiner Kollegen zunächst um die fahrende „Hardware“. So zeigte er sich bezüglich der Batterielebensdauer sehr skeptisch. Er sagte, es sehe zwar so aus, als seien Elektrotaxis wirtschaftlich zu betreiben, aber bewiesen sei das noch nicht. Er forderte seine Kollegen dazu auf, das Webinar kritisch zu begleiten und auch Ängste und Vorbehalte zu formulieren.

Rund 100 Teilnehmer wurden viele Fragen los

Das taten auch viele der jeweils rund 100 Teilnehmer, die über ein Werkzeugfeld am Rande ihres Bildschirms Fragen eintippen konnten. Sie wurden an den nächsten drei Montagen aufgegriffen, an denen es jeweils morgens ab 9 Uhr um Elektrotaxis, um die Ladeinfrastruktur und um die Förderung von beidem ging. Beim zweiten Webinar stellten Jaguar Land Rover und Polestar ihre Elektrotaxi-Strategien vor. Der I-PACE von Jaguar Land Rover Deutschland und der Polestar 2 sind zwei Elektrotaxis, die mit dem Raumangebot der E-Klasse vergleichbar sind und mit Normreichweiten von 470 Kilometern einen weitgehend von Reichweiten-Sorgen freien Taxibetrieb ermöglichen könnten. Schnellladefähig sind sie auch. Die Hersteller möchten ihre Fahrzeuge gerne über den Taxieinsatz bekannter machen, aber sie werden nicht mit Rabatten in den Markt gehen. Das machten die Vertreter beider Unternehmen deutlich.

Christoph Engler, Key Account Manager Mobility Services von Jaguar Land Rover, konnte nach zwei Jahren Erfahrung mit den I-PACE im mtz münchner taxi zentrum Erfahrungswerte einbringen. Er stellte das Modelljahr 2021 vor, das jetzt auch das schonende dreiphasige Wechselstrom-Laden mit 11 kW erlaubt und mit einer im Verhältnis 40:20:40 statt wie bisher 40:60 geteilten Rücksitzbank eine flexiblere Raumaufteilung ermöglicht. Seit August 2020 ist der I-PACE mit einem Taxi-Paket von INTAX zum subventionierten Preis von 990 Euro samt Folierung und 590 Euro ohne sie bestellbar. Da die Händler in ihrer Preisgestaltung frei seien, könnten sie ein paar Prozent ihrer Marge abgeben, aber üppig werde der Nachlass nicht sein, sagte Engler. Zu haben ist das Grundmodell des Allradlers ab 75.351 Euro (brutto).

Alexander Lutz, Managing Direktor von Polestar, einem Unternehmen, das wie Volvo zum chinesischen Geely-Konzern gehört, sagte klar, bedingt durch die Marke und die hohe Nachfrage gebe Polestar keine Rabatte, vor allem nicht bei kleinen Flotten. Der Preis des nur online und nicht bei Händlern bestellbaren Polestar 2 mit Allradantrieb sei für alle Kunden gleich. Vorstellbar sei aber, sich zu anderweitigen Kooperationen zusammenzutun. Das Elektrofahrzeug werde wie die Volvo-Taxis von ADLER Taxameter und Funktechnik in München umgerüstet, wo das Taxi-Paket samt Taxameter und Folierung 2.999 Euro koste. Lutz berichtete, dass man den Polestar mit 150 kW schnell laden könne. Das als Viersitzer gedachte und als Fünfsitzer zugelassene Modell sei mit fünf Sitzen nicht so komfortabel, weil die Batterien auch im Kardantunnel untergebracht seien, sagte Lutz ganz offen. Ab 53.540 Euro (brutto) gebe es die fast vollständig ausgestattete „Launch Edition“.

Im Hinblick auf die langen Lieferzeiten deutscher Hersteller fragte Moderatorin Katja Diehl die beiden, wann sie liefern könnten. Alexander Lutz von Polestar antwortete „Ende Oktober“ mit dem Zusatz, dass sich wegen der hohen privaten Nachfrage der Auslieferungsbeginn von Taxis nach hinten verschieben könne. Christoph Engler von Jaguar sprach etwas vorsichtiger von einer Lieferung im vierten Quartal zuzüglich vier Wochen für den Taxiumbau, was Anfang 2021 bedeuten könne. Beide Marken wollen ab dem Herbst Testfahrten anbieten, Jaguar vielleicht sogar mit dem elften der mtz-Taxis aus München, das der Hersteller als Reservefahrzeug finanziert hat.

Dennis Klusmeier, Vorstandsmitglied des Taxi-Bundesverbandes, fragte beide Hersteller-Vertreter nach den Garantien für Fahrzeug und Batterien. Bei beiden ist nach 160.000 Kilometern Schluss mit der Batterie-Gewährleistung – eine Grenze, die laut Jaguar sehr konservativ berechnet worden sei. Auch bei täglicher völliger Entleerung der Batterie und anschließender Schnellladung würden nach dieser Laufzeit noch 
80 Prozent der Batteriekapazität garantiert (bei Polestar sind es 
70 Prozent). Jaguar spreche derzeit mit Versicherungspartnern darüber, die ab Herbst für das Fahrzeug abschließbare Anschlussgarantie über drei Jahre oder 300.000 Kilometer auch auf die Batterie auszudehnen.

Das schnelle Laden ist ein Muss für fast jeden

Nach dem Elektrofahrzeug als erstem Baustein für die Elektromobilität kam als zweiter Baustein die Ladeinfrastruktur „dran“. Taxi- und Mietwagenunternehmer, die ihr Elektrofahrzeug nicht nur in einer Schicht fahren möchten und nachts stundenlang laden können, brauchen in erster Linie eine eigene Ladeinfrastruktur und zum Schnellladen fähige Fahrzeuge. Sie können bald auch Schnellladesäulen kurzfristig reservieren, dürfen auf Fördermittel für private Ladeinfrastruktur hoffen und müssen sich kaum mehr mit unterschiedlichen Karten fürs Bezahlen herumschlagen. Dafür bleiben Fragen nach der langfristigen Entwicklung des Strompreises und der Langzeit-Haltbarkeit der teuren Batterien noch offen. Laut Amelie Thürmer, Fachgebietsleiterin des Bundesverbandes der Energie-und Wasserwirtschaft (BDEW) für öffentliche und private Ladeinfrastruktur, kommen für die Taxi- und Mietwagenbranche in erster Linie Firmenparkplätze in Verbindung mit öffentlichen Lade-Hubs innerorts in Frage. Der Trend beim Aufbau öffentlicher Ladestationen gehe mehr in Richtung der Schnellladung mit Gleichstrom, weil man so mit derselben Anzahl an Ladepunkten mehr Elektrofahrzeuge versorgen könne. Ab Herbst werde ein erstes Programm auch Fördergelder für private Ladeinfrastruktur bei Gewerbe- und Flottenkunden bereitstellen. Auch das Konjunkturpaket der Bundesregierung sehe eine solche Förderung vor.

Robert J. Buch von der Telekom-Tochter Comfort Charge berichtete, dass sein Unternehmen Schnellladestationen „aus einer Hand“ zunächst in Liegenschaften der Telekom in Hamburg speziell für Taxibetriebe einrichten wolle. Die dort gemachten Erfahrungen sollten auf ländliche Räume übertragen werden, wo auch Wechselstrom-Wallboxen geeignet sein könnten. In der Regel könnten auf den Grundstücken der Telekom 150 kW-Schnellladestationen mit relativ geringem Aufwand eingerichtet werden. Für das Schnellladen mit Gleichstrom etablierten sich 100 bis 150 kW als Standard. Nicht Comfort Charge, wohl aber Provider könnten demnächst Ladepunkte kurzfristig reservieren, damit sie auch frei sind, wenn ein Elektrotaxi sie ansteuert.

In der anschließenden Fragerunde erklärte Buch zur Frage der Batteriebelastung bei dauerndem Schnellladen, es stresse die Batterie zwar mehr, doch bis etwa 200.000 Kilometer Laufleistung sei da bisher „kein signifikanter Nachteil zu erkennen“. Das überzeugte Dennis Klusmeier nicht. Das Vorstandsmitglied des Taxi-Bundesverbandes sagte, die Kollegen wollten wissen, wie die Batterie nach 500.000 Kilometer aussehe, wenn man sie zu 90 Prozent schnelllade. Das sei deshalb so wichtig, weil die in der Anschaffung sehr teuren Elektrotaxis sich ja über die Gesamtbetriebskosten (TCO/Total Cost of Ownership) als günstiger erweisen müssten.

Die Wirtschaftlichkeit beeinflusst der Strompreis sehr stark. Robert J. Buch sagte dazu, seiner Erfahrung nach bezahle derzeit niemand mehr als 30 Cent pro Kilowattstunde beim Schnellladen mit Gleichstrom und seines Erachtens werde dieser Preis bis Ende 2021 nicht über 40 Cent pro Kilowattstunde steigen. Ein Preisunterschied zwischen Wechselstrom- und schnellerem Gleichstrom-Laden liege in der viel teureren Infrastruktur fürs Schnellladen begründet.

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Ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor beim Einstieg ins Elektrotaxi oder den batterieelektrisch angetriebenen Mietwagen dürften auch die Fördergelder für Fahrzeuge und insbesondere die Ladeinfrastruktur sein. Flankierend zur Förderung von Elektrotaxis und -Mietwagen durch das Bundeswirtschaftsministerium fördert das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) neben Fahrzeugen mit Brennstoffzellen auch Ladeinfrastruktur für das Normalladen mit Wechselstrom und das Schnellladen mit Gleichstrom. Bislang war sie nur förderfähig, wenn die Ladepunkte 24 Stunden pro Tag öffentlich zugänglich waren, doch im Herbst soll ein Förderprogramm für private und gewerbliche Ladeinfrastruktur zum Beispiel an Betriebshöfen folgen. Das kündigte Jürgen Papajewski beim letzten Webinar an.

Papajewski, der das Referat Elektromobilität, Lade- und Wasserstoff-Infrastruktur im BMVI leitet, schärfte den Teilnehmern ein, dass sie zuerst einen Förderantrag stellen müssen und erst nach dessen Bewilligung mit der Umsetzung starten dürfen. Sonst gehe das Ministerium davon aus, dass sie ihr Projekt auch ohne Fördergelder stemmen könnten. Außerdem empfahl der Fachmann des BMVI, den Newsletter der vom Ministerium mit der Umsetzung beauftragten Berliner Programmgesellschaft NOW GmbH zu abonnieren. Er informiere über die neuesten Förderaufrufe. Empfehlenswert seien auch Informationen auf der Homepage des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA).

Auch Soloselbständige könnten die Innovationsprämie beantragen, erklärte Papajewski auf Nachfrage. Für die nächsten Jahre stünden vier Milliarden Euro für den Aufbau von Ladeinfrastruktur zur Verfügung, wobei der Trend immer mehr in Richtung Schnellladung gehe. Inzwischen seien öffentlich zugängliche Ladepunkte auch förderfähig, wenn sie nicht den ganzen Tag zur Verfügung stünden.

Reservierung für die Schnellladestationen

Das Gleichstrom-Schnellladen stellte auch Christian Meyer vom Sponsor Telekom heraus. Er berichtete, dass die im Hamburger Projekt geplanten Schnelllader reservierbar werden sollen. Parallel dazu werde es nun aufbauend auf den Erkenntnissen der Webinare einen Workshop mit Taxiunternehmern zum Thema Wallboxen geben. Anschließend sei geplant, über Servicetechniker einen Vor-Ort-Check samt Auswahl einer Wallbox und der Beratung über Fördermöglichkeiten anzubieten und den Taxiunternehmern damit Entscheidungsgrundlagen zu liefern. „Sobald wir das für Hamburg haben, wollen wir es auf das Bundesgebiet ausdehnen“, kündigte Meyer an. Von Zuschüssen für den Strom sei ihm nichts bekannt, sagte Meyer abschließend auf eine Frage eines Teilnehmers.

Gregor Beiner, Geschäftsführer des Elektrotaxi-Pioniers mtz münchner taxi zentrum, ergänzte die Förder-Infos um die Gelder, mit denen die Stadt München Elektrotaxis fördert. Da sie dies über einen bestimmten Cent-Betrag pro Besetztkilometer über drei Jahre hinweg tut, wollte ein Teilnehmer wissen, wie man diese Förderung in Corona-Zeiten überhaupt kalkulieren könne. Beiner berichtete dazu, dass die Stadt München nach Gesprächen ihren Förderzeitraum wegen der Corona-Pandemie von drei auf vier Jahre ausgedehnt habe.

Zu etwaigen Förderprogrammen auf Landesebene war beim Webinar nichts zu erfahren. Über sie werden sich interessierte Taxi- und Mietwagenunternehmer ebenso regional informieren müssen wie über Fördermöglichkeiten seitens der Energieversorger. df

Ergänzende Randnotizen

■ Justyna Wladarz vom Umweltverband NABU bezeichnete das Elektroauto als die ökologischste Variante für Taxis, weil sie solch hohe Fahrleistungen hätten. Schon nach 60.000 Kilometern sei ein Elektroauto gemessen am Kohlendioxidausstoß samt der Fertigung ökologischer als eines mit Dieselantrieb.

■ Die Vielfalt an Ladekarten ist heute nicht mehr so problematisch. Mit ein, zwei Ladekarten kann man über das Roaming gut zurechtkommen. Das sagte Amelie Thürmer vom BDEW.

■ Gregor Beiner, Geschäftsführer des mtz münchner taxi zentrum, riet dazu, speziell beim Schnellladen an Autobahnen vor dem Laden die Preise zu vergleichen. Wenn ein Taxifahrer sein Elektrotaxi während der Schicht langsam mit Wechselstrom lade, müsse der Unternehmer auch die dabei anfallenden Personalkosten berücksichtigen. Schnelles Laden mit Gleichstrom lohne sich im Mehrschichtbetrieb oder wenn man seine Ladepunkte mit anderen teile.

■Christian Meyer kündigte für Mitte September ein Seminar mit Hamburger Taxiunternehmern an, das Klarheit über deren Anforderungen an Wallboxen schaffen soll. Außer an reservierbarer Ladetechnik arbeite sein Unternehmen auch an einem Vorab-Check durch einen Servicetechniker, der Unternehmern Entscheidungsgrundlagen und eine Hilfestellung sogar bei Förderanträgen geben solle. Dies solle zunächst in Hamburg angeboten und dann im ganzen Bundesgebiet ausgerollt werden.

■ Sowohl Dennis Klusmeier, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen, als auch Christoph Engler von Jaguar Land Rover empfahlen die Broschüre „Das E-Taxi“, die mtz-Geschäftsführer Gregor Beiner für den HUSS-VERLAG geschrieben hat, als gute Basislektüre über den praktischen Einsatz von Elektrotaxis.

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Seite 8 bis 11 | Rubrik Gewerbepolitik
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