Thema des Monats

Gesetz schützt nicht vor Ruin

Thema des Monats März 2008

63 Cent, 58 Cent, 55 Cent? Wer bietet weniger? Dumpingtarife für Krankenfahrten können nur dann wirksam werden, wenn das Gewerbe mitspielt. Und wenn die Genehmigungsbehörde diesen Tarif trotz Tarifpflicht genehmigt. Ein Taxiunternehmen hat seine Genehmigungsbehörde deshalb verklagt.
Generell unterliegt der Taxiunternehmer innerhalb seines definierten Pflichtfahrgebiets der Tarifpflicht. Abgerechnet wird nach Taxameter. Nun gibt es aber Großkunden, die für bestimmte meist regelmäßige Fahrten einen festen Tarif vereinbaren wollen. Soll dieser Tarif auch innerhalb des Pflichtfahrgebiets gelten, muss er vorher allerdings von der zuständigen Genehmigungsbehörde anerkannt werden.

Dieses Sondergenehmigungsrecht regelt der Paragraph 51, Absatz 2 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG), definiert aber genau, welche Kriterien eine Sondervereinbarung erfüllen muss, um überhaupt genehmigt werden zu dürfen.

Wörtlich heißt es im Gesetz im § 51,2: Sondervereinbarungen für den Pflichtfahrbereich sind nur zulässig, wenn

1. ein bestimmter Zeitraum, eine Mindestfahrtenzahl oder ein Mindestumsatz im Monat festgelegt wird,

2. eine Ordnung des Verkehrsmarktes nicht gestört wird,

3. die Beförderungsentgelte und -bedingungen schriftlich vereinbart sind und

4. in der Rechtsverordnung eine Pflicht zur Genehmigung oder Anzeige vorgesehen ist.

Nun einigten sich im Jahr 2005 in Schleswig-Holstein die dortigen Krankenkassenverbände mit dem Landesverband für das Taxi- und Mietwagengewerbe Schleswig-Holstein e.V. auf einen Rahmenvertrag zur Krankenbeförderung der Kassenpatienten. Da die Vergütungsvereinbarungen von den bestehenden Tarifvergütungen abwichen, wurde die Genehmigung des Sondertarifes nach § 51,2 PBefG bei den Behörden beantragt und von diesen auch erteilt.

Der Landrat des Kreises Stormarn stieß damit allerdings auf Widerstände unter den Taxiunternehmern, die aufgrund ihrer Nicht-Mitgliedschaft im Landesverband bei der Vergabe der Krankenfahrten nicht mehr berücksichtigt wurden bzw. nur zu noch geringeren Tarifen hätten fahren dürfen. Einer von ihnen legte deshalb beim Landrat Stormarn Widerspruch gegen die Genehmigung ein. Da dieser abgelehnt wurde, musste nun das schleswig-holsteinische Verwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Genehmigung entscheiden.

Dieses Urteil wurde mit Spannung erwartet, da vor allem die Punkte 1 und 2 des § 51,2 PBefG juristisch bewertet werden mussten. Erfüllt ein Rahmenvertrag, der zwar eine Mindestlaufzeit hat, danach aber nur durch Kündigung einer der Vertragsparteien unwirksam wird, noch das Merkmal des in Nummer 1 definierten „bestimmten Zeitraums?“ Und ist die Ordnung des Verkehrsmarktes nicht doch gestört, wenn der genehmigte Tarif zu Umsatzeinbußen und Unrentabilität führt?

Das waren nämlich die Hauptargumente des Taxiunternehmers (nachfolgend Klägerin genannt) gegen den Kreis Stormarn. Laut seiner Ansicht hätten die Nummern 1 und 2 einen so genannten drittschützenden Charakter. Das Gesetz definiere ja gerade deswegen eine Gültigkeit nur für einen bestimmten Zeitraum, damit eine Sondervereinbarung nicht zu einer das Taxigewerbe bedrohenden oder gar vernichtenden Dauereinrichtung werden sollte. Darüber hinaus seien die in der Sondervereinbarung enthaltenen Tarife nicht geeignet, eine kostendeckende Arbeitsweise zu ermöglichen, weswegen die Existenz zahlreicher Unternehmen gefährdet sei.

Zum Verdruss der Klägerin und zur Freude der Krankenkassenverbände und des Landesverbandes für das Taxi- und Mietwagengewerbe Schleswig-Holstein e.V. wies das schleswig-holsteinische Verwaltungsgericht in einer mündlichen Verhandlung am 19. Februar 2008 (Az: 3 A 74/07) die Klage zurück.

Die wichtigsten Passagen wollen wir an dieser Stelle kurz zusammenfassen (das Urteil im Originalwortlaut können Sie unter redaktion@taxi-heute.de im PDF-Format anfordern). So argumentierten die Richter beispielsweise zur Frage, ob der Vertrag nun für einen bestimmten Zeitraum abgeschlossen wurde: „Ein Verstoß gegen Nummer 1 der Regelung ist nicht ersichtlich. Der Zweck dieser Regelung bestehe nicht darin, eine das Taxigewerbe bedrohende oder gar vernichtende dauerhaft geltende Sondervereinbarung zu verhindern.“ Es reiche aus, so das Gericht weiter, dass eines der genannten Merkmale „Mindestumsatz“, „Mindestfahrtenzahl“ oder „bestimmter Zeitraum“ erfüllt werde. Mindestumsatz und Mindestfahrtenzahl sehen dabei keine zeitliche Einschränkung vor. „Dem Merkmal des `bestimmten Zeitraums´ kann daher eine Bedeutung, wie die Klägerin darin erkennt, nicht beigemessen werden, wenn die beiden anderen alternativen Merkmale der Voraussetzung diese schon aufgrund ihres Wortlauts nicht fordern können.“

Das Gericht betont hier noch einmal ausdrücklich, dass „insbesondere aus der Forderung eines Mindestmaßes an Fahrten oder Umsätzen und nicht einer Maximalbegrenzung zu ersehen ist, dass die Regelung nicht darauf abzielt, die von der Vereinbarung nicht erfassten Unternehmer vor etwaigen Umsatzeinbußen oder nachlassender Beförderungsnachfrage zu schützen.“

Folgt man der Argumentation der Richter an diesem Punkt, stellt sich allerdings die Frage, ob man sich die Definition des „bestimmten Zeitraums“ im Gesetzestext dann nicht gleich sparen kann, da das Gericht leider offen lässt, wann überhaupt ein „bestimmter Zeitraum“ vorliegen muss.

Auf einen Verstoß gegen § 51,2 Nummer 2 PBefG kann sich die Klägerin ebenfalls nicht berufen. Laut Gericht schütze diese Vorschrift (Ordnung des Verkehrsmarktes darf nicht gestört sein) den einzelnen Taxiunternehmer nicht in seinen eigenen subjektiven Rechten. „Der Zweck besteht nicht darin, die bereits in diesem Beruf Tätigen vor wirtschaftlich spürbarer Konkurrenz und vor den wirtschaftlichen – bis zum möglichen finanziellen Ruin reichenden – Risiken dieses Berufs zu schützen.“

Der Begriff „Ordnung des Verkehrsmarktes“ sei im Gesetz nicht definiert. Er unterscheide sich von dem ansonsten im PBefG gebrauchten Begriff des öffentlichen Verkehrsinteresses insoweit, als dort der Verkehrsnutzer im Vordergrund steht. Nummer 2 soll aber die Verkehrsanbieter in ihrer Gesamtheit schützen und ist daher nicht im Sinne eines Konkurrenzschutzes zu verstehen.

Der Anwalt der Klägerin kommentiert diese gerichtliche Argumentation mit der Gegenfrage, wen denn sonst als die einzelnen Taxiunternehmen die Ordnung des Verkehrsmarktes schützen solle und bezeichnete das Urteil an dieser Stelle als „höchst unbefriedigend“.

Unabhängig von der Frage der drittschützenden Wirkung sah das Gericht die Ordnung des Verkehrsmarktes aber auch in anderen Punkten als nicht gestört an. Für eine Störung des tarifgebundenen Marktes durch den Entzug bestimmter Krankenfahrten lägen keinerlei Anhaltspunkte vor. Die Klägerin hätte zumindest darlegen müssen, welchen Anteil die Krankenfahrten zum gesamten Beförderungsdienst ausmachen. Auch das angebliche Unternehmersterben hätte man anhand konkreter Beispiele belegen müssen.

Fazit: Das Einzelschicksal bleibt bei der Bewertung der Genehmigungskriterien zur Erlaubnis von Sondertarifen völlig außen vor. Es geht hier um die Bewertung, ob die Gesamtheit des Taxigewerbes in einer Region mit einem dort genehmigten Sondertarif leben kann. Tarife unter der wirtschaftlichen Rentabilität können daher nur durch gemeinsame Ablehnung des gesamten Taxigewerbes einer Region verhindert werden. Solange sich Taxi- und Mietwagenunternehmer und deren Verbände weiterhin von den Kassen so unter Druck setzen lassen und schlechte Abschlüsse die Folge daraus sind, ist es für den einzelnen Betroffenen hinterher schwierig, gegen die Genehmigung nach § 51,2 PBefG zu klagen.

Bisher zumindest, denn das Gericht in Schleswig-Holstein hat die Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht zugelassen.
 

(jh)
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