Thema des Monats

Kiel als Vorbild für Konzessionsfreigabe?

Thema des Monats Juni 2010

Weit im hohen Norden Deutschlands hat eine Stadt in den Neunziger Jahren die Konzessionsfreigabe eingeführt und damit die Problematik mit dem Mietwagenverkehr gelöst. Ist das ein Modell für andere Städte?
Darüber denkt man aktuell gerade in der 70 Kilometer entfernten Stadt Lübeck nach. Dort gibt es derzeit 93 Taxiunternehmen, die 166 Taxis betreiben. Wer eine weitere Konzession beantragt, landet auf einer Warteliste – oder beantragt eine Mietwagenkonzession, um damit taxiähnlichen Verkehr durchzuführen. Anträge auf Mietwagenverkehr können von den Genehmigungsbehörden nicht unter Berufung auf den § 13,4 des Personenbeförderungsgesetzes abgelehnt werden, da beim Mietwagenverkehr eine Genehmigungsverweigerung mit § 12, Absatz 1 des Grundgesetzes NICHT vereinbar ist (siehe dazu auch unsere Weiterführung zum Beitrag in taxi heute über ein Urteil zu Wartelisten in Baden-Baden).

In Lübeck hat dies zur Folge, dass neben den 166 Taxis mittlerweile auch 100 Mietwagen zugelassen sind, von denen die meisten taxiähnlichen Verkehr durchführen. Sehr zulasten und zum Ärger der Lübecker Taxiunternehmer und deren Fahrer, die deshalb genau hinschauen, ob die Mietwagenfahrer ihre rechtlichen Verpflichtungen auch einhalten.
Ist das nicht der Fall, kommt es zu Anzeigen, meistens wegen Verstoßes gegen die Rückkehrpflicht. Einige Verfahren sind diesbezüglich derzeit in der Schwebe, es drohen Bußgelder und Gerichtskosten. Dazu kommt, dass die Atmosphäre untereinander vergiftet ist und der Konflikt teilweise sehr imageschädigend auf offener Straße vor den Augen der fahrenden Kundschaft ausgetragen wird.

„Alles schon mal dagewesen“, mag sich manch ein Kollege aus dem wenige Kilometer entfernten Kiel denken. Dort gab es zu Beginn der Neunziger Jahre etwa 170 zugelassene Taxis und ebenso viele Mietwagen. Auch in Kiel gab es eine Warteliste und auch dort flüchteten Bewerber damals zu einer Mietwagenkonzession. Nicht zuletzt aufgrund des Lübecker Urteils von 1991, wonach Wartelisten ohne Überprüfung der allgemeinen Leistungsfähigkeit nicht zulässig seien, suchte man in Kiel nach einer Lösung und entschied sich damals, die Konzessionen schrittweise freizugeben. Man erteilte zunächst 30 weitere Genehmigungen und kündigte an, in den Folgejahren nach und nach die Warteliste abzuarbeiten.

Dabei stellte sich heraus, dass viele der Altbewerber gar kein Interesse mehr an einer Konzession hatten, weil man aufgrund der Marktöffnung nun keine wirtschaftliche Basis mehr sah oder weil der geplante Weiterverkauf nach zwei Jahren kein Geld mehr einbringen würde.
Also kamen hauptsächlich diejenigen Unternehmen an die Reihe, die zwischenzeitlich Mietwagenkonzessionen erworben hatten und sich damit auch längst einen eigenen Kundenstamm aufgebaut hatten. Kunden, die den Taxlern wie in Lübeck fehlten.

Jürgen Ubben, damaliger Mietwagenunternehmer, erinnert sich: „Unsere Mietwagen waren damals gut ausgelastet und unsere Fahrer wurden von uns genauestens auf die Rückkehrpflicht hingewiesen. Trotzdem ließ es sich nicht vermeiden, dass vereinzelt dagegen verstoßen wurde“. Diese Vorstöße wurden von den wachsamen Kieler Taxikollegen dokumentiert und führten wie aktuell in Lübeck zu Anzeigen und teuren Unterlassungsklagen. „Das wäre immer so weitergegangen und immer teurer geworden“, berichtet Jürgen Ubben. Deshalb haben wir unsere Mietwagenkonzessionen auf die neu erworbenen Taxikonzessionen übertragen und unsere Kunden mit Taxis bedient.“

Auf diese Weise stieg zwar die Anzahl der Taxigenehmigungen auf heute 322, gleichzeitig aber sank die Zahl der Mietwagen. Heute sind gerade mal noch 13 Mietwagen in Kiel konzessioniert. „Insgesamt haben wir weniger Taxis und Mietwagen in Kiel als noch vor der Konzessionsfreigabe“, bestätigt Thomas Krotz, Vorstand der Kieler Taxizentrale.
Tatsächlich ist in Kiel das eingetreten, was keiner vorher so richtig glauben wollte: Der Markt hatte sich selbst reguliert und die Umsätze pro Taxi sind gestiegen. Der Kampf um die Kundschaft unter den Taxiunternehmen wurde nun nicht mehr über den Preis ausgetragen, sondern über die Qualität der Beförderungsdienstleistung. Dies brachte auch manchen Kunden zurück, den man gänzlich verloren hatte.

Weniger Streit, mehr Umsätze. Das erhofft man sich auch in Lübeck. Die dortige Genehmigungsbehörde will die Konzessionen freigeben. Eine politische Entscheidung hätte bereits für den Juni fallen sollen, wurde nun aber vertagt. Auch, weil sich zwischenzeitlich eine Interessengemeinschaft Taxi Lübeck gegründet hat, die sich vehement gegen eine Freigabe ausspricht. „Das Vorhaben, die Vergabe der Taxikonzessionen zu deregulieren“, schreibt die IG in einem Brief an die Stadtverwaltung, „wird alle in Lübeck ansässigen Taxiunternehmen in wirtschaftliche Not bringen! Es werden Familienexistenzen vernichtet, Taxifahrer arbeitslos und bei den Neubewerbern Hoffnungen geweckt werden, die schon jetzt absehbar im finanziellen Ruin mit dem Absturz in die Armut enden werden. Letztendlich wird sich der Markt dann am untersten Ende eines jetzt schon ruinösen Wettbewerbs einpendeln!“

Die IHK und der Landesverband Taxi und Mietwagen Schleswig-Holstein, beide als Anhörstellen befragt, sehen das anders. Olaf Völker, Vorstand des Landesverbands, berichtet gegenüber taxi heute von gemeinsamen Gesprächen zwischen der Lübecker Taxizentrale und den Mietwagenzentralen, bei denen man sich darauf geeinigt habe, dass im Falle einer Freigabe die Mietwagen- in Taxikonzessionen umgewandelt werden würden. Dann müsste wie in Kiel der Wettbewerb nicht mehr über den Preis, sondern über die Qualität ausgetragen werden.

Gleichzeitig müsste die Lübecker Genehmigungsbehörde die betriebswirtschaftlichen Daten der Taxiunternehmen auf Relevanz untersuchen. Denn nur so wäre gewährleistet, dass keine Wettbewerbsverzerrungen auf Kosten der Ehrlichen entstehen können. „Mit dieser klaren Forderung sind wir an die Lübecker Stadtverwaltung herangetreten“, sagt Olaf Völker.

„Die Freigabe in Lübeck wird wohl kommen, so oder so“, ist sich der Chef des Landesverbands sicher. „Deshalb ist es wichtig, dass wir als Gewerbevertretung an den Bedingungen mitgestalten können. Nur so ist gewährleistet, dass hinterher eine Lösung gefunden wird, mit der alle leben können.“

So wie in Kiel? Die vielen Skeptiker unter den Lübecker Taxiunternehmern sollen davon noch während einer Diskussionsveranstaltung am 7. Juni in den Räumen der IHK Lübeck überzeugt werden. „Eingeladen sind alle betroffenen Taxiunternehmer aus Lübeck“, betont Olaf Völker, der sich dort ebenso zur Diskussion stellt wie Vertreter der Behörden und der IHK.
 

(jh)
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