Thema des Monats

Die Hintertürchen der AOK

Thema des Monats Juli 2009

Nach wochenlangem Streit hatte die Nürnberger Taxizentrale im März 2009 verkündet, künftig keine Krankenfahrten mehr mit Rechnungsstellung AOK zu vermitteln. Gebracht hat es (fast) nichts, denn die AOK hat auch hier wieder eine Möglichkeit aufgetan, die Fahrten weiterhin unter Tarif durchführen zu lassen.
Wer einmal Rabatt gewährt, tut sich schwer, hinterher wieder zum Normalpreis zurückkehren zu können. Im vorliegenden Fall wäre das der gesetzlich gültige Taxitarif für die Stadt Nürnberg: Grundgebühr 2,50 Euro, der erste Kilometer 2,60 Euro, danach jeder weitere 1,35 Euro. Zu diesem Tarif rechnet die Taxizentrale Nürnberg eG alle Krankenfahrten von Fahrgästen ab, die bei Ersatz- oder Betriebskassen versichert sind. Nur der AOK wurde bisher ein Rabatt von 10% auf Serienfahrten gewährt. Trotz eines gültigen Vertrags forderte die AOK allerdings permanent weitere Vergünstigungen, sei es nun durch eine Ausweitung auf normale Krankenfahrten oder durch Gewährung eines höheren Rabatts. „Die AOK suchte laufend billigere Anbieter und steuerte Aufträge der Taxizentrale auf andere Beförderer um“, hieß es in einer Pressemeldedung der Taxizentrale Nürnberg im März 2009. „Dabei waren auch Anbieter, die nicht einmal im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis waren. Ob sich ein von der AOK beauftragter Fahrdienst an das Personenbeförderungsgesetz hält, kümmerte diese in der Vergangenheit auch nicht.“

Doch damit nicht genug: Parallel wurden Fahrten auch über das Internet ausgeschrieben. Dies war allerdings nicht rechtens und wurde von der Genehmigungsbehörde der Stadt Nürnberg untersagt. Begründung: Taxiunternehmer können Angebote im Internet nur auf Basis des gültigen Taxitarifs oder auf Basis einer vorher genehmigten Sondervereinbarung abgeben. Da der Fahrpreis „nachlaufend“ ist, also erst nach der Fahrt genau feststeht, kann ein Taxiunternehmer im Vorfeld kein konkretes Preisangebot machen. Da keine Kasse, die Krankenfahrten über das Internet ausschreibt, vorher eine Sondervereinbarung beantragt hat, ist eine Teilnahme des Taxiunternehmens über diesen Weg auch nicht möglich. Folglich bedarf eine Internetversteigerung unter Taxibetrieben einer behördlichen Genehmigung eines Sondertarifs nach § 51,2 PBefG. Das sei, betont Wolfgang Ziegler, der klare Standpunkt der Stadt Nürnberg und werde auch vom Bayerischen Wirtschafts- und Verkehrsministeriums so gesehen.

Mit diesem Untersagungsbeschluss (der in der Sache in einem gerichtlichen Vergleich vor dem Verwaltungsgericht Ansbach seitens der AOK anerkannt wurde) konnte eine Internetausschreibung für die Stadt Nürnberg verhindert werden.

Doch die AOK Nürnberg fand auch hier wieder Tricks und Schliche, um das Verbot der Internetausschreibung zu umgehen. Fortan wurden nur noch Taxiunternehmer, die nicht aus Nürnberg waren, zur Angebotsabgabe veranlasst. Aus der fränkischen Großstadt durften dagegen nur Mietwagenunternehmer an der Ausschreibung teilnehmen. Gleichzeitig teilte man der Taxizentrale Nürnberg mit, dass diese nicht mehr berechtigt sei, Fahrten für AOK-Versicherte durchführen zu lassen und abzurechnen.

Da es in Nürnberg nur ganz wenige Mietwagenunternehmen gibt und Fahrten innerhalb Nürnbergs, zu der Taxibetriebe erst viele Leerkilometer hin- und dann auch wieder zurück fahren müssen, wirtschaftlich äußerst unrentabel sind, konnte die AOK mit dieser Methode keine flächendeckende Versorgung ihrer Krankenfahrten erreichen. Wolfgang Ziegler von der Taxizentrale bewertet dies als Teilziel, das man erreicht habe. „Mit der behördlichen Untersagung hat sich immerhin ein Instrument aufgetan, wie man der Verschleuderung von Krankenfahrten, ohne dass irgendwelche vertraglichen Beziehungen bestehen, wirksam begegnen kann.“

Trotzdem ist die Taxi Nürnberg eG weiterhin aus dem Vertrag draußen, denn inzwischen fahren 18 Nürnberger Taxiunternehmen (teilweise auch mit zusätzlich angemeldeten Mietwagen) AOK-Patienten zu einem um zehn Prozent ermäßigten Tarif. Damit dies trotz Tarifpflicht im rechtlich genehmigten Rahmen verläuft, stellten diese Taxiunternehmen einen Antrag auf Sondertarif nach §51, Absatz 2 des Personenbeförderungsgesetzes.

„An dieser Stelle hatte ich auf das Bayerische Wirtschafts- und Verkehrsministerium gehofft“, berichtet der Zentralenchef gegenüber taxi heute. Noch in einem Schreiben 2007 habe man dort den Standpunkt vertreten, dass einzelne Unternehmen gar keine Sondervereinbarungen abschließen dürften. Dieser Meinung der PBefG-Kommentatoren hatte sich das Ministerium bisher angeschlossen. Dies sieht man mittlerweile anders und äußerte gegenüber der anfragenden Nürnberger Genehmigungsbehörde keine Bedenken. Die Stadt Nürnberg genehmigte daraufhin den Sondertarif bis zum 31.12.2009.

Andras Kecskes vom gleichnamigen Taxibetrieb zählt zu den Nutznießern dieser Sondervereinbarung. Er und 17 andere Taxi- und Mietwagenunternehmen aus Nürnberg, darunter auch einige Mitglieder der Taxi Nürnberg eG, führen nun Krankenfahrten für AOK-Patienten durch und gewähren dafür pauschal zehn Prozent Nachlass pro Fahrt.

Doch sind diese Fahrten überhaupt noch wirtschaftlich? Dazu Andras Kecskes, Unternehmer und gleichzeitig Betreiber der City-Taxi-Zentrale Nürnberg GmbH gegenüber taxi heute: „In wirtschaftlich schlechten Zeiten machen die AOK-Fahrten zwanzig Prozent unseres Umsatzes aus“. Für ihn gab es keinen Zweifel daran, dass die Stadt den Sondertarif nach § 51,2 genehmigen würde. Zehn Prozent habe man ja schließlich auch schon mit der Taxizentrale Nürnberg ausgehandelt. „Mit welcher Begründung hätte man einen Nachlass für einen Großkunden ablehnen sollen, der sowieso schon jahrelang gewährt wurde?“

Womit wir wieder am Anfang unserer Geschichte wären: Wer einmal Rabatt gewährt, tut sich schwer, hinterher wieder zum Normalpreis zurückkehren zu können.

(jh)
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